Verbesserte Behandlung von Lungenkrebs in Aussicht
Lungenkrebs ist bis heute in vielen Fällen nur schwer therapierbar und führt häufig zum Tod der Betroffenen. Ein neu entwickelter, fein abgestimmter molekularen Wirkstoff, welcher in der Lage ist Lungen- und andere Krebszellen für die Bildgebung und Behandlung anzuvisieren, könnte zukünftig jedoch die Lungenkrebstherapie erheblich verbessern.
In einer Untersuchung unter Beteiligung von Forschenden der University of Illinois Urbana-Champaign wurde jetzt ein neuer Biomarker zur Diagnose und gezielten Behandlung von Lungenkrebs genutzt. Die entsprechenden Studienergebnisse wurde in dem englischsprachigen Fachblatt „Nature Chemistry“ publiziert.
Rolle von Glutathion
Für die neue Studie haben die beteiligten Fachleuten einen überraschenden Biomarker als Ziel gewählt. Dabei handelt es sich um Glutathion, ein Molekül, welches natürlicherweise in allen Geweben des Körpers produziert wird, aber bei Lungenkrebs in größeren Mengen vorkommt. Da es so weit verbreitet ist, war es bisher kein interessantes Ziel für die Diagnose und Therapie, so das Team.
Das Problem der Off-Target-Effekte
Denn eines der größten Probleme bei der Entwicklung von Diagnoseinstrumenten oder zielgerichteten Medikamenten seien Off-Target-Effekte. „Wenn man einem Patienten ein Chemotherapeutikum verabreicht, ist das eine Art Wettrüsten: Man tötet die Krebszellen, aber man tötet auch den Rest des Körpers, weil so viele Dinge ähnlich sind“, erklärt Studienautor Professor Jefferson Chan von der University of Illinois Urbana-Champaign in einer Pressemitteilung. Daher würde bei einem herkömmlichen chemotherapeutischen Angriff auf Glutathion auch gesundes Gewebe geschädigt, das den Biomarker enthält.
Der neue Technik soll dieses Problem jedoch umgehen. „Wir haben einen einzigartigen chemischen Ansatz verwendet, um die Reaktivität unseres Moleküls so abzustimmen, dass wir auf das abzielen, was normalerweise als schlechter Biomarker gelten würde”, erläutert der Experte. Der dynamische Bereich des Moleküls sei so modifiziert worden, dass unter normalen Bedingungen keine Reaktion auf Glutathion erfolgt, sondern nur bei dem von Krebszellen gebildeten Glutathionüberschuss.
Das in der Studie verwendete Targeting-Molekül wurde außerdem mit einem Mittel zur photoakustischen Bildgebung kombiniert, so dass die Fachleute beobachten konnten, wo genau das Molekül reagiert. Dies ermöglichte es, zu überprüfen, ob das Molekül den Lungenkrebs als Ziel hatte.
Vorteile der neuen Bildgebung
Das bildgebende Mittel reagiert auf Licht und gibt ein akustisches Signal ab, das von einem Ultraschallwandler aufgefangen werden kann, so die Forschenden. Die neue Technik habe viele Vorteile gegenüber der herkömmlichen medizinischen Bildgebung. Diese Bildgebung ist aufgrund ihrer Auflösung, ihres Sicherheitsprofils und ihrer Fähigkeit, mit den Designermolekülen zu interagieren, die so viele Informationen auf molekularer Ebene liefern, sehr hilfreich, erklärt Professor Chan.
Zudem ließen sich die hiefür erforderlichen sogenannten laparoskopischen Lichtgeräte nahtlos in die Ultraschallgeräte in Krankenhäusern integrieren, so dass direkt eine klinische Anwendungen möglich sei, wenn entsprechende Moleküle entwickelt werden, berichten die Forschenden.
Mäuse mit Lungenkrebs wurden behandelt
In der Studie wurden zunächst die bildgebenden Fähigkeiten des neuen Moleküls in Zellkulturen untersucht. So stellte das Team fest, dass das Molekül in der Lage war, zwischen gesunden und krebsartigen Zellen zu unterscheiden. Um das diagnostische Potenzial abzuschätzen, führten die Fachleute zudem eine Blindstudie an lebenden Mäusen durch, bei der sie die photoakustischen Marker verwendeten, um festzustellen, welche Mäuse in einer Kohorte Lungenkrebstumore aufwiesen.
In der Studie sei das erste Mal die photoakustische Bildgebung erfolgreich in Lungengewebe angewandt worden, fasst Studienautorin Melissa Lucero von der University of Illinois Urbana-Champaign zusammen.
Toxizität der Chemotherapie beseitigen
Anschließend untersuchte das Team, ob ihr zielgerichteter Ansatz dazu verwendet werden könnte, die Behandlung direkt an den Ort der Krebszellen zu bringen, was den größten Nachteil der Chemotherapie und anderer Krebsbehandlungen beseitigen würde: die Toxizität für den gesamten Körper.
Die Fachleute entwickelten einen Wirkstoff (PARx), der ihre zielgerichtete Bildgebungsmethode mit einem starken Chemotherapeutikum kombiniert, und führten mit diesem einen Test an Mäusen durch. Sie stellten fest, dass PARx das Tumorwachstum hemmte, ohne dass die Mäuse Anzeichen oder Symptome für toxische Wirkungen außerhalb des Ziels (beispielsweise Gewichtsverlust oder Leberschäden) aufwiesen.
Im Gegensatz dazu wuchs bei einer Gruppe von Mäusen, welche statt des Medikaments eine Kontrollsubstanz erhielten, der Tumor während der dreiwöchigen Behandlung deutlich an, berichten die Forschenden.
Wirkung auch bei anderen Krebsarten
„Wir fanden heraus, dass wir hohe oder häufige Dosen des Medikaments ohne Off-Target-Effekte verwenden können. Anschließend führten wir weitere Experimente in anderen klinisch relevanten Mausmodellen durch und identifizierten und behandelten Krebs, der in die Leber metastasiert hatte, sowie Primärtumore, was das Potenzial für eine breite Anwendung dieses Ansatzes verdeutlicht“, so Studienautor Professor Chan
In Zukunft plant das Team, die Selektivität und die Erkennungsmöglichkeiten weiter zu verbessern, so dass sie Mikrometastasen oder winzige Cluster, in denen sich der Krebs ausgebreitet hat, überall im Körper identifizieren können. Der neue Ansatz soll nun auch auf andere Biomarker angepasst werden und es sollen fein abgestimmte Targeting-Moleküle für andere Krebsarten entwickelt werden.
„Wenn man eine Krankheit wie Lungenkrebs ins Visier nimmt, die für viele Menschen ein Todesurteil bedeutet, sollte es möglich sein, sie in einem frühen Stadium zu diagnostizieren, bevor sich die Symptome manifestieren, indem man einfach den richtigen Biomarker findet”, erläutert Professor Chan. Der Experte fügt hinzu, dass die Basis für eine verbesserte Diagnose nun gelegt sei und und auch Hoffnung auf eine verbesserte Behandlung bestehe, da die Chemotherapie gezielter ihrer Wirkung gegen Krebszellen entfalten und gesundes Gewebe dabei verschont bleiben kann. (as)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Melissa Y. Lucero, Jefferson Chan: Photoacoustic imaging of elevated glutathione in models of lung cancer for companion diagnostic applications; in: Nature Chemistry (veröffentlicht 25.10.2021), Nature Chemistry
- University of Illinois Urbana-Champaign: New molecule targets, images and treats lung cancer tumors in mice (veröffentlicht 25.10.2021), University of Illinois Urbana-Champaign
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.