Tierschutz-Projekt in der Mensa: Speiseplan mit Spezial-Hähnchen
Es dauert nur fünf Sekunden, doch es schockierte Zehntausende Menschen: In einem Video, das auf YouTube gepostet wurde, sieht man wie kleine Küken maschinell geschreddert werden. Solche und andere Aufnahmen von gequälten oder getöteten Tieren sorgen dafür, dass manchen Menschen die Lust auf Fleisch vergeht. Die Tierärztliche Hochschule Hannover hat nun ein Projekt für mehr Tierwohl gestartet.
Aufnahmen von zusammengepferchten Tieren
Verschiedene Lebensmittelskandale in den vergangenen Jahren und Bilder von zusammengepferchten Tieren in Massenställen haben manchen Menschen die Lust auf Fleisch verdorben. Etwa zehn Prozent der Deutschen sind Flexitarier, sie verzichten also vorübergehend auf Fleisch. Auch die Tierärztliche Hochschule (TiHo) Hannover wird mehr für das Tierwohl unternehmen. Wie die Nachrichtenagentur dpa berichtet, will die Universität das jährliche Schreddern von Millionen männlicher Küken verhindern.
Zig Millionen Küken werden geschreddert
Den Angaben zufolge steht das sogenannte Zweitnutzungshuhn im Mittelpunkt ihres Projektes. Wie es heißt, können die weiblichen Tiere bei dieser Zuchtlinie als Legehennen und die männlichen für die Fleischproduktion genutzt werden. So sei es auch vor der Industrialisierung der Tierhaltung üblich gewesen. Doch seit etwa 50 Jahren gebe es in der Legehennen-Zucht für männliche Küken keine Verwendung: Jedes Jahr werden rund 45 Millionen von ihnen kurz nach dem Schlüpfen geschreddert. Nach dem Willen der Bundesregierung soll dies bis 2017 ein Ende haben.
Tiere als Tierfutter
Bei dem Projekt in der niedersächsischen Landeshauptstadt vergleichen die Wissenschaftler auf ihrem Lehr- und Forschungsgut das Zweinutzungshuhn mit einer herkömmlichen Zuchtlinie. Das Projekt der TiHo und ihrer Partner wird vom Bund mit 1,8 Millionen Euro gefördert. Wie es in der dpa-Meldung heißt, werden Hühner bislang entweder dafür gezüchtet, besonders viele Eier zu legen oder viel Fleisch anzusetzen. „Bei Hühnern, die für die Eiererzeugung gezüchtet wurden, haben die männlichen Tiere keinen direkten Nutzen für den Verbraucher, da sie weder Eier legen können noch ausreichend Fleisch ansetzen“, erläuterte TiHo-Präsident Gerhard Greif. „Darum werden sie kurz nach dem Schlupf getötet und als Tierfutter eingesetzt.“
Antibiotika in der Hähnchen-Mast
Eine Hoffnung der Forscher ist, dass die langsamer wachsenden Dual-Hühner bessere Abwehrkräfte haben und so weniger anfällig für Krankheiten sind. Verbraucher- und Tierschützer kritisieren seit Jahren den Einsatz von Antibiotika in der Mast. Untersuchungen zufolge bekommen Mast-Hähnchen alle vier Tage Antibiotika verabreicht. Außerdem werden den Tieren in dem neuen Projekt nicht die Schnäbel gekürzt, wie es bei Legehennen üblich ist, um Kannibalismus zu verhindern. „Wichtig ist es, Feedback von den Verbrauchern zu bekommen“, so Projektleiterin Silke Rautenschlein. Die Wissenschaftler haben deshalb das Studentenwerk Hannover mit ins Boot geholt. In neun Mensen Hannovers werden in den kommenden Wochen Brathähnchen vom Forschungsgut angeboten und die Mensabesucher zu ihren Eindrücken befragt.
Hähnchen aus neuem Projekt deutlich schwerer
Laut der Nachrichtenagentur werden Hühner in der konventionellen Mast nach etwa 33 Tagen geschlachtet, die ersten Dual-Hühner hatten jedoch 75 Tage zum Wachsen. Daher wiegt das halbe Brathähnchen auch stolze 800 Gramm, bei einem Fleischanteil von 51 Prozent, während der übliche halbe Hahn 450 bis 500 Gramm auf die Waage bringt, allerdings bei 65 Prozent Fleischanteil. „Es ist ein ganz exklusives Tier. Ich sehe seine Zukunft eher als Brathuhn für die ganze Familie, nicht unbedingt in einer Kantine“, meinte der Leiter des Forschungsguts Ruthe, Christian Sürie.
Ganz auf tierische Produkte verzichten
Für die Geflügelwirtschaft scheint das Zweinutzungshuhn zunächst wenig attraktiv, weil die Hennen weniger und kleinere Eier legen und die Hähne länger gemästet werden müssen. Die Wissenschaftler wollen nun prüfen, ob die Verbraucher für mehr Tierwohl auch höhere Preise zahlen würden. In der ökologischen Landwirtschaft gibt es bereits eine ähnliche Initiative mit dem Titel „Bruderhahn“. Wem das Tierwohl besonders am Herzen liegt, verzichtet einfach ganz auf tierische Produkte. Auch dafür wird an deutschen Hochschulen einiges getan. Die Tierschutzorganisation Peta zeichnet jedes Jahr die Vegan-freundlichste Mensa aus. Im vergangenen Jahr landeten mit den Studentenwerken Augsburg, Berlin, Düsseldorf, München und Vorjahressieger Erlangen-Nürnberg gleich fünf auf dem ersten Platz. (ad)
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