Verbesserte Behandlung von Krebs dank Arginin
Eine Behandlung mit Arginin verbessert die Wirksamkeit von Strahlentherapien zur Behandlung von Krebs. Neuste Erkenntnisse deuten darauf hin, dass die Aminosäure in Zukunft in einem breiteren Rahmen zur Krebstherapie eingesetzt werden könnte.
In einer aktuellen Studie unter der Beteiligung von Forschenden von Weill Cornell Medicine und des Angel H. Roffo Cancer Institute wurde festgestellt, dass Arginin, einer der Aminosäurebausteine von Proteinen, die Wirksamkeit der Strahlentherapie bei Krebskranken mit Hirnmetastasen erheblich verbessert. Die Studie wurde in dem englischsprachigen Fachblatt „Science Advances“ publiziert.
78 Prozent der Hirntumore sprachen auf Arginin an
In der neuen Untersuchung wurde Arginin, das einfach in oraler Form zu sich genommen werden kann, insgesamt 31 Personen mit Hirnmetastasen vor einer Strahlentherapie zur Behandlung des Krebs verabreicht. Bei fast 78 Prozent der Teilnehmenden kam es während der Nachbeobachtungszeit von bis zu vier Jahren zu einem vollständigen oder teilweisen Ansprechen ihrer Hirntumore auf die Therapie, berichten die Forschenden. Zum Vergleich: Lediglich 22 Prozent der 32 Personen, welche vor der Strahlentherapie ein Placebo erhielten, zeigten eine solche Reaktion.
Arginin als Krebstherapie
Das Team hat in der Studie die Wirksamkeit von Arginin als sogenannten Radiosensibilisator untersucht, welcher die Wirkung der Strahlenbehandlung verstärkt. Die Fachleute erklären, dass die Ergebnisse und der offensichtliche Wirkmechanismus von Arginin darauf hindeuten, dass die Aminosäure in einem breiteren Rahmen als Krebstherapie eingesetzt werden könnte.
„Auf der Grundlage dieser Ergebnisse sollten wir Arginin in Kombination mit einer Strahlentherapie, aber auch in Kombination mit einer Chemo- oder Immuntherapie und sogar Arginin allein weiter untersuchen”, erläutert Studienautor Dr. Leandro Cerchietti vom Angel H. Roffo Cancer Institute in Argentinien in einer Pressemitteilung.
Vorteile von Arginin
Arginin ist auch als L-Arginin bekannt. Es ist preiswert und weithin verfügbar, gilt allgemein als sicher und kann relativ leicht vom Blutkreislauf ins Gehirn gelangen, so die Forschenden. Der Versuch, Arginin zur Behandlung von Krebs zu verwenden, gehe auf eine Beobachtung zurück, dass Tumore oft ihr eigenes Überleben unterstützen, indem sie hohe Mengen des verwandten Moleküls Stickstoffmonoxid (NO) produzieren, so das Team.
Verbindung Tumorzellen und Stickstoffmonoxid
Stickstoffmonoxid reguliert zahlreiche Prozesse im Körper, einschließlich des Blutflusses durch die Blutgefäße. Das Team berichtet weiter, dass Tumorzellen häufig mehr Stickstoffmonoxid herstellen, indem sie ihre Produktion spezieller Enzyme, der sogenannten NO-Synthasen, welche Stickstoffmonoxid aus Arginin synthetisieren, hochregulieren.
Die Reduzierung der Produktion von Stickstoffmonoxid sei eine Möglichkeit, die Abhängigkeit der Tumore von diesem Molekül auszunutzen, habe sich aber nicht bewährt, zum Teil wegen der unerwünschten Nebenwirkungen, erläutern die Forschenden weiter.
Das Team stellte die Hypothese auf, dass es vorteilhaft sein könnte, stattdessen die Produktion von Stickstoffmonoxid zu erhöhen, indem man die Vorstufe Arginin hinzufügt. Denn obwohl Tumore Stickstoffmonoxid für ihr Wachstum und ihr Überleben nutzen können, müssen sie seine Produktion unter bestimmten Grenzen halten.
„Stickstoffmonoxid ist ein reaktives Molekül, das alleine oder durch andere reaktive Moleküle, die von ihm abgeleitet sind, eine Zelle stressen und schädigen kann – eine Zelle kann also nur eine bestimmte Menge davon tolerieren”, erläutert Studienautorin Dr. Rossella Marullo von Weill Cornell Medicine.
Tumore mit Stickstoffmonoxid überlasten
Wenn man einen Tumor mit hohem Gehalt von Stickstoffmonoxid vor der Bestrahlung mit viel mehr Stickstoffmonoxid überlastet, könne dies die Fähigkeit des Tumors schwächen, strahlenbedingte DNA-Schäden zu reparieren, so die Expertin. Durch präklinische Experimente an Mäusen sei dieser Effekt bereits tatsächlich bestätigt worden.
In der aktuellen Studie wurden die Teilnehmenden eine Stunde vor der Strahlentherapie ihrer Hirnmetastasen, welche von Primärtumoren an anderer Stelle im Körper ausgingen, mit hochdosierten Arginin- oder Placebosuspensionen behandelt.
Dies führte dazu, dass sechs Monaten nach der Bestrahlung 82 Prozent der Personen aus der Arginin-Gruppe eine Verbesserung oder zumindest keine Verschlechterung ihrer neurologischen Symptome erlebten, berichten die Fachleute. Demgegenüber sei dies bei nur 20 Prozent der Teilnehmenden aus der Placebo-Gruppe festzustellen gewesen.
Vollständige Heilung von Krebs durch Arginin?
Normalerweise ist die Prognose bei metastasierendem Krebs schlecht, trotzdem gab es Teilnehmende in der Arginin-Gruppe, deren Tumore innerhalb und außerhalb des Gehirns verschwanden, was tatsächlich auf die Möglichkeit einer Heilung hindeutet, so die Fachleute.
Die Ergebnisse dieser Studie und früherer Forschungsarbeiten deuten zusätzlich darauf hin, dass Arginin nicht nur Tumorzellen direkt behindern, sondern auch die Aktivität von Antitumor-Immunzellen steigern kann, so Dr. Cerchietti.
Das Team plant zukünftig bereits weitere Studien mit Arginin alleine oder in Kombination mit anderen Krebsmedikamenten durchzuführen. Im Prinzip wäre laut Dr. Cerchietti jeder Tumor, der NO-produzierende Enzyme überexprimiert, für eine Behandlung mit Arginin anfällig. Der Experte fügt hinzu, dass es solche Tumore sehr häufig gebe.
Trotzdem seien weitere Untersuchungen nötig. Der Mediziner weist zum Schluss nochmal ausdrücklich darauf hin, dass die in der Studie verwendeten Arginin-Dosen nur in Formulierungen erhältlich sind, welche in medizinischen Einrichtungen bezogen werden können. (as)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Rossella Marullo, Shira Yomtoubian, M. Nieves Calvo-Vidal, Maria Victoria Revuelta, Monica Castro, et al.: The metabolic adaptation evoked by arginine enhances the effect of radiation in brain metastases; in: Science Advances (veröffentlicht Vol. 9, No. 45, 05.11.2021), Science Advances
- Weill Cornell Medicine: Arginine, an inexpensive oral drug, could enhance radiation therapy for cancer (veröffentlicht 05.11.2021), Weill Cornell Medicine
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.