Neuer Ansatz zur Behandlung von lärmbedingten Hörschäden
Laute Geräusche können zu einem Verlust von Hörnervenzellen im Innenohr führen, die für die Weiterleitung akustischer Informationen an das Gehirn zuständig sind, was wiederum zu Hörproblemen führt. Rund 12 Prozent der Weltbevölkerung sind einem erhöhten Risiko eines lärmbedingten Hörverlusts ausgesetzt. Ein amerikanisches Forschungsteam stellt nun erstmals einen Ansatz vor, mit dem solche Hörschäden aufgedeckt und behandelt werden können.
Forschende der University of Southern California (USC) zeigen einen Zusammenhang zwischen lärmbedingten Schädigungen der Innenohrnerven und dem sogenannten endolymphatischen Hydrops, einer Flüssigkeitsansammlung im Innenohr. Beide Phänomene können bei Lärmbelastungen auftreten, denen Menschen im Alltag ausgesetzt sind. Die neuen Erkenntnisse wurden kürzlich in dem renommierten Fachjournal „Frontiers in Cell and Developmental Biology“ vorgestellt.
Laute Geräusche können zum Hörverlust führen
Laute Geräusche wie beispielsweise Feuerwerkskörper oder ohrenbetäubende Konzerte gehören zu den häufigsten vermeidbaren Ursachen für Hörverlust. Der Mechanismus, der diesem Hörverlust zugrunde liegt, ist jedoch noch nicht vollständig geklärt. Die Arbeitsgruppe von Keck Medicine an der USC konnte die Mechanismen nun genauer beleuchten und so einen Ansatz aufzeigen, mit dem lärmbedingte Hörschäden behandelt werden könnten.
Erster Behandlungsansatz gegen lärmbedingten Hörverlust
Die Forschenden zeigten, dass die Nervenschäden, die durch die Flüssigkeitsansammlungen im Innenohr verursacht werden, durch eine leicht erhältliche Kochsalzlösung verringert werden können. „Diese Forschungsarbeit liefert Anhaltspunkte, um besser zu verstehen, wie und wann lärmbedingte Gehörschäden auftreten, und zeigt neue Wege auf, um Hörverluste zu erkennen und zu verhindern“, bestätigt Studienhauptautor Dr. John Oghalai, HNO-Arzt an der Keck Medicine.
In dieser Studie untersuchte das Team um Oghalai die Auswirkungen gewöhnlicher lauter Geräusche von 80 bis 100 Dezibel auf das Ohr. Nach der Exposition verwendeten sie ein bildgebendes Verfahren, um den Flüssigkeitsstand im Innenohr in der Cochlea, dem hohlen, spiralförmigen Knochen im Innenohr, zu messen.
Innenohrflüssigkeit steigt ab 95 Dezibel
Die Auswertung zeigt, dass der Spiegel der Innenohrflüssigkeit bis zu einer Beschallung mit 95 Dezibel normal bleibt. Bei Mäusen sammelte sich bei Geräuschpegeln von 100 Dezibel innerhalb von wenigen Stunden Flüssigkeit im Innenohr an. Diese Lautstärke geben alltägliche Geräte wie Rasenmäher, Kettensägen oder Motorräder ab. Eine Woche nach der Beschallung konnten die Forschenden nachweisen, dass die Tiere Hörnervenzellen verloren hatten.
Hypertone Kochsalzlösung wirkte Hörschäden entgegen
Als die Forschenden jedoch eine Stunde nach der Lärmbeschallung hypertone Kochsalzlösung, die normalerweise zur Behandlung von Nasenverstopfungen verwendet wird, in die Ohren gaben, gingen sowohl die unmittelbaren Flüssigkeitsansammlungen als auch die langfristigen Nervenschäden zurück. Eine Lösung auf Salzbasis könne dazu beitragen, den lärmbedingten Hörverlust zumindest teilweise zu verhindern, so das Team.
Laut Oghalai haben diese Studienergebnisse mehrere wichtige Auswirkungen, zumal der Verlust von Nervenzellen im Innenohr als „versteckter Hörverlust“ bekannt ist, da Hörtests den Schaden nicht erkennen können. „Wenn menschliche Ohren, die lautem Lärm ausgesetzt sind, auf Flüssigkeitsansammlungen untersucht werden können – und diese Technologie wird bereits erprobt – haben Mediziner möglicherweise eine Möglichkeit, drohende Nervenschäden zu diagnostizieren“, betont der Studienleiter. Zudem könnten die Schäden sofort mit einer hypertonen Kochsalzlösung behandelt werden, um möglicherweise das Gehör zu retten.
„Bisher ging man davon aus, dass die Ansammlung von Flüssigkeit im Innenohr in erster Linie mit der Menière-Krankheit in Verbindung steht“, verdeutlicht Oghalai. Die Studie zeige jedoch, dass alle Menschen, die lauten Geräuschen ausgesetzt sind, ähnliche Veränderungen erfahren. (vb)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Ido Badash, Patricia M. Quiñones, Kevin J. Oghalai, et al.: Endolymphatic Hydrops is a Marker of Synaptopathy Following Traumatic Noise Exposure; in: Frontiers in Cell and Developmental Biology, 2021, frontiersin.org
- University of Southern California: Study reveals common loud noises cause fluid buildup in the inner ear and suggests simple possible cure for noise-induced hearing loss (veröffentlicht: 11.11.2021), eurekalert.org
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.