Komplexe Landschaftsszenarien bei Stress nur eingeschränkt wahrnehmbar
Stress hat Auswirkungen auf zahlreiche Prozesse im menschlichen Organismus und wird in Zusammenhang mit der Entstehung von unterschiedlichsten Beschwerden wie beispielsweise Bluthochdruck, Demenz oder Depressionen gebracht. Zudem beeinflusst Stress den neuesten Studienergebnissen zufolge auch die räumliche Wahrnehmung.
Wissenschaftler der Ruhr-Universität Bochum (RUB) haben in ihrer aktuellen Studie festgestellt, dass die Wahrnehmung von komplexen räumlichen Informationen bei Stress deutlich beeinträchtigt wird. Der Grund hierfür liege in der veränderten Funktion des Hippocampus unter Einfluss des Stresshormons Cortisol. Die Ergebnisse der Studie wurden in der Fachzeitschrift „Psychoneuroendocrinology“ veröffentlicht. Gestresste Personen können demnach komplexe Landschaftsszenarien nur eingeschränkt wahrnehmen.
Einfluss des Stresshormons Cortisol auf den Hippocampus
Die Neurowissenschaftler der RUB haben in ihrer Verhaltensstudie „den Einfluss von Stress auf die Wahrnehmung von Gesichtern und Landschaften untersucht“, so die Mitteilung der Universität. In früheren Studien des neurowissenschaftlichen Sonderforschungsbereiches an der RUB sei bereits nachgewiesen worden, „dass die Ausschüttung des Stresshormons Cortisol das Langzeitgedächtnis im Hippocampus beeinflusst.“ Zudem konnten die Forscher der RUB in weiteren Untersuchungen belegen, dass der Hippocampus nicht nur für das Gedächtnis bedeutsam ist, sondern auch bei der Wahrnehmung von Landschaften oder Räumen beteiligt ist. So lag die Frage nahe, ob der Einfluss des Stresshormons Cortisol auf den Hippocampus auch Folgen für die räumliche Wahrnehmung hat. In der aktuellen Studie haben Professor Dr. Oliver T. Wolf (AE Kognitionspsychologie) und Professor Dr. Boris Suchan (AG Klinische Neuropsychologie) die Forschungsstränge verbunden und untersucht, „wie sich Stress auf die räumliche Wahrnehmung und das Verarbeiten von Gesichtern auswirkt“, berichtet die RUB.
Sozialevaluativer Kaltwasser-Stresstests
In ihrer Verhaltensstudie untersuchten die Wissenschaftler an jungen Männern, welche Abweichungen bei der Wahrnehmung von Gesichtern und Landschaften unter Einfluss von Stress auftreten. Bei den Probanden der Versuchsgruppe wurde der Stress und damit die Ausschüttung des Stresshormons Cortisol durch einen sogenannten „sozialevaluativen Kaltwasser-Stresstests“ erzeugt, während die Teilnehmer der Kontrollgruppe entspannt in die Untersuchung gehen konnten. Bei dem Kaltwasser-Stresstests werden „Studienteilnehmer aufgefordert ihre Hand so lange wie möglich, jedoch maximal drei Minuten, in Eiswasser zu tauchen“, erläutern die Forscher. Währenddessen werden sie gefilmt und von einer weiblichen Forscherin beobachtet und angeleitet. Dieser Test sei in der Stressforschung allgemein etabliert.
Wahrnehmung von Gesichtern nicht beeinflusst
Den Angaben der RUB zufolge ergab „die Auswertung der anschließenden visuellen Tests, dass gestresste Probanden speziell bei der Wahrnehmung von komplexen Landschaftsszenarien weniger gut abschnitten als die nicht gestresste Kontrollgruppe.“ Hingegen haben sich bei der Wahrnehmung von Gesichtern keine statistisch bedeutsamen Unterschied zwischen den Gruppen ergeben. Hintergrund für die Abweichungen sei die unterschiedliche Verarbeitung der Informationen im Hippocampus, „einem Bereich im Schläfenlappen des Gehirns, dessen Funktion durch das Stresshormon Cortisol beeinflusst wird“, berichtet die RUB. Die aktuellen „Ergebnisse bestätigen die Idee, dass Landschaften und Räume im Hippocampus, Gesichter jedoch in anderen Arealen des Schläfenlappens verarbeitet werden,“ betont Doktorand Marcus Paul. Stress habe einen entscheidenden Einfluss auf den Hippocampus und beeinträchtige nicht nur den Gedächtnisabruf, sondern auch die räumliche Wahrnehmung. Nun sollen weitere Untersuchungen im Magnetresonanztomographen zu den speziellen Aktivierungsmustern des Hippocampus unter Stress folgen, um die Ergebnisse der aktuellen Studie zu untermauern, so die Mitteilung der RUB. (fp)
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