Einfluss von Lernen auf das Gehirn entschlüsseln
Was sich beim Lernen im Gehirn abspielt ist äußerst komplex und gilt in der Forschung als nicht ausreichend verstanden. Ein deutsch-amerikanisches Forschungsteam hat sich zum Ziel gesetzt, die zugrundeliegenden Prozesse nun zu entschlüsseln.
Forschende der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) und der Firma DataJoint in Houston (USA) untersuchen, was bei Lernprozessen im Gehirn abläuft. Um solche Prozesse im Gehirn zu verstehen, ist hochmoderne Technik erforderlich, denn selbst bei den einfachsten Versuchen fallen gigantische Datenmengen an, die ausgewertet werden müssen.
Klassische Konditionierung verstehen
Die Arbeitsgruppe nennt ein Lern-Beispiel aus der klassischen Konditionierung: Wenn ein Luftzug auf ein Auge trifft, führt das dazu, dass das Lid sich schließt. Wenn jedes Mal dabei eine Glocke bimmelt, verknüpft das Gehirn diese Reize. Irgendwann reicht das Klingen der Glocke aus, um ein Reiz zum Schließen des Lids auszulösen, ohne dass ein Luftstoß erfolgt.
„Das ist eine sehr einfache Form des Lernens”, erläutert Professor Dr. Tobias Rose vom Institut für Experimentelle Epileptologie und Kognitionswissenschaften am Universitätsklinikum Bonn. Dass das Gehirn solche Verbindungen knüpft, ist bereits lange aus Beobachtungen bekannt. Wie diese Verknüpfungen auf neuronaler Ebene entstehen, ist jedoch weitgehend unklar.
Was passiert beim Lernen im Gehirn
„So einfach das Experiment anmutet, so komplex ist das Zusammenspiel der beteiligten Gehirnregionen”, verdeutlicht Professorin Dr. Tatjana Tchumatschenko vom Institut für Experimentelle Epileptologie und Kognitionswissenschaften. Die Forschungsgruppe will erstmals dokumentieren, zu welchen Veränderungen es bei der klassischen Konditionierung in den Gehirn-Arealen kommt.
Konditionierung bei Mäusen
Die Arbeitsgruppe untersucht die Prozesse beim Lernen im Gehirn von Mäusen, die von Kameras überwacht werden. Den Tieren wird in variablen Abständen über ein Röhrchen ein Luftzug Richtung Auge verabreicht, während entweder ein rotes Lämpchen aufleuchtet oder ein bestimmter Ton abgeben wird.
Lernprozesse im Hirn sichtbar gemacht
Die Gehirnprozesse werden dabei unter anderem mit einem Multiphotonenmikroskop festgehalten. „Damit lässt sich gleichzeitig die Aktivität von hunderten oder tausenden Nervenzellen erfassen”, erklärt Tchumatschenko. Bestimmte Gehirnzellen der Mäuse wurden zuvor mit einem speziellen Farbstoff gekoppelt, sodass sie aufleuchten, wenn sie aktiviert werden. Auf diese Weise kann das Team das Zusammenspiel der beteiligten Nervenzellen und Regionen im Gehirn rekonstruieren.
Verarbeitung riesiger Datenmengen
Die auf Datenverarbeitung spezialisiere Firma DataJoint aus Houston hilft bei der Auswertung der dabei entstehenden Datenberge. „Dies ist eine wachsende Herausforderung in der Hirnforschung, in der sich unser Unternehmen auszeichnet“, fügt DataJoint-CEO Dr. Dimitri Yatsenko hinzu. „Wir arbeiten mit führenden Forschungsteams zusammen, um die Datenerfassung, -analyse und -visualisierung in neurowissenschaftlichen Experimenten zu standardisieren und zu automatisieren.“
Forschung nur gebietsübergreifend möglich
„Das Gehirn ist ein äußerst komplexes Organ“, resümiert Professor Dr. Heinz Beck, Sprecher des Sonderforschungsbereichs. Es ist zunehmend gebietsübergreifende Zusammenarbeit erforderlich, um die grundlegenden Prozesse der kooperierenden Nervenzellen zu entschlüsseln. Die zukunftsweisende Strategie in den Neurowissenschaften sei, diese Datenfülle mit modernsten Methoden des maschinellen Lernens auszuwerten und mit anderen Datensätzen zu vergleichen. (vb)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Universität Bonn: Wie verändert sich das Gehirn durch Lernen? (veröffentlicht: 12.11.2021), uni-bonn.de
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.