Effektive Medizin aus Pflanzen
Eine spezielle Gruppe von Pflanzen, die bereits seit langer Zeit von amerikanischen Ureinwohnern als Schmerzmittel eingesetzt wird, wirkt laut einer aktuellen Studie tatsächlich effektiv gegen Schmerzen und kann auch gegen Magen-Darm-Beschwerden helfen. Entsprechende pflanzliche Wirkstoffe könnten eine vielversprechende Alternative zu bisher verfügbaren Arzneimitteln darstellen.
In einer neuen Untersuchung unter der Beteiligung von Fachleuten der University of California, Irvine (UCI) wurde festgestellt, dass Pflanzen, welche den sogenannten KCNQ2/3-Kaliumkanal aktivieren, vor Schmerzen und Magen-Darm-Beschwerden schützen. Die Ergebnisse wurden in der englischsprachigen Fachzeitschrift „Frontiers in Physiology“ veröffentlicht.
Verschiedene Pflanzenextrakte wurden analysiert
Die neue Studie basiert auf einem funktionellen Screening von Pflanzenextrakten, welche im Muir Woods National Monument gesammelt wurden. Dabei handelt es sich um ein Schutzgebiet im Marin County im US-Bundesstaat Kalifornien, welches berühmt für die dort vorkommenden Küstenmammutbäume ist, die höchste Baumriesen auf der Welt. Bei dem Screening wurde laut den Forschenden ein auffälliges Muster identifiziert.
Rolle von KCNQ2/3 bei Schmerzen und Durchfall
Es stellte sich heraus, dass Pflanzen, die von den amerikanischen Ureinwohnern seit langem als örtliche Schmerzmittel verwendet wurden, häufig auch als Magen-Darm-Mittel Anwendung fanden. Pflanzen, die als Schmerzmittel bei Beschwerden wie Insektenstichen, Wunden und Verbrennungen eingesetzt wurden und den sogenannten KCNQ2/3-Kaliumkanal (ein Protein, dass elektrische Impulse im Gehirn und in anderen Geweben weiterleitet) aktivieren, wurden ebenfalls oft gegen Magen-Darm-Beschwerden eingesetzt – insbesondere gegen Durchfall, erläutert das Team.
Wie verhindert KCNQ2/3 Schmerzen?
KCNQ2/3 ist laut den Forschenden in Nervenzellen vorhanden, welche Schmerzen wahrnehmen. Daher gehe man davon aus, dass die Aktivierung von KCNQ2/3 durch eine Verhinderung der Übertragung des Schmerzsignals das Auftreten von Schmerzen reduziert.
Wie kann KCNQ2/3 Durchfall lindern?
Die Fachleute stellten in der aktuellen Studie außerdem fest, dass dieselben Pflanzenextrakte, welche KCNQ2/3 aktivieren, die gegenteilige Wirkung auf den verwandten intestinalen Kaliumkanal KCNQ1-KCNE3 haben. Dieser Befund war nach Angaben der Forschungsgruppe bemerkenswert, da frühere Studien zu modernen Arzneimitteln bereits gezeigt hatten, dass KCNQ1-KCNE3-Hemmer Durchfall verhindern können.
Weiterführende Untersuchungen der Pflanzenwelt
Derzeit werde ein wesentlich breiteres Screening von einheimischen US-Pflanzen durchgeführt. In diesem konnte beispielsweise bereits eine Erklärung dafür gefunden werden, wie Quercetin sowie Gerb- und Gallensäuren, welche in mehreren der untersuchten Pflanzen vorkommen, viele der positiven Auswirkungen der Pflanzen hervorrufen. Es wurden Bindungsstellen auf den Kanalproteinen identifiziert, welche die vorteilhaften Auswirkungen erklären, berichtet das Team.
Verbesserte Sicherheit von Arzneimitteln
Mit diesem Verständnis der Prozesse auf molekularer Ebene, über die pflanzliche Verbindungen eng verwandte menschliche Ionenkanalproteine aktivieren oder hemmen können, sei es in Zukunft möglich, Forschungsarbeiten gezielt darauf auszurichten, die Spezifität und damit auch die Sicherheit von Arzneimitteln zu optimieren. Auch lasse die Studie auf pflanzliche Wirkstoffe zur Behandlung von Schmerzen und sekretorischer Diarrhöe hoffen, erläutern die Forschenden.
Große Nachfrage nach nicht-opioiden Analgetika
Die Auswirkungen auf die öffentliche Gesundheit durch verbesserte Medikamente in diesen Gebieten wären laut dem Experten durchaus beträchtlich. Denn es bestehe eine große Nachfrage nach nicht-opioiden Analgetika, da sie helfen könnten, gleich zwei wichtige Probleme zu lösen: Chronische Schmerzen und die Abhängigkeit von Opioiden.
Jeden Tag sterben etwa 2.000 Kinder an Durchfall
Auch seien die Vorteile einer effektiven Behandlung von Durchfallerkrankungen keineswegs zu unterschätzen, da laut den Centers for Disease Control and Prevention (CDC) Durchfallerkrankungen tatsächlich für jeden neunten Todesfall bei Kindern weltweit verantwortlich gemacht werden. Dies bedeute, dass jeden einzelnen Tag über 2.000 Kinder an einer Durchfallerkrankung versterben. Hier können die neuen Erkenntnisse in Zukunft dazu beitragen, Kinder auf der ganzen Welt besser zu schützen und viele dieser Todesfälle zu verhindern.
Neue effektive Arzneimittel aus Pflanzen
„Diese Studie, die in Zusammenarbeit mit dem US National Parks Service durchgeführt wurde, zeigt, wie viel wir noch von den medizinischen Praktiken der amerikanischen Ureinwohner lernen können, und wie wir durch die Anwendung molekularer mechanistischer Ansätze (…) molekulare Erklärungen für ihre spezifische Verwendung von Pflanzen liefern und möglicherweise neue Arzneimittel aus Pflanzen entdecken können”, erklärt Studienautor Professor Dr. Geoffrey Abbott von der UCI School of Medicine in einer Pressemitteilung.
„Es war die erste veröffentlichte Zusammenarbeit meines Labors mit dem National Park Service, und sie wirft ein Licht auf den unglaublichen Einfallsreichtum und die medizinische Weisheit der kalifornischen Ureinwohner”, ergänzt Professor Dr. Abbott. (as)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Geoffrey W. Abbott, Kaitlyn E. Redford, Ryan F. Yoshimura, Rían W. Manville, Luiz Moreira, et al.: KCNQ and KCNE Isoform-Dependent Pharmacology Rationalizes Native American Dual Use of Specific Plants as Both Analgesics and Gastrointestinal Therapeutics; in: Frontiers in Physiology (veröffentlicht , Frontiers in Physiology
- University of California - Irvine: UCI-led study finds single molecule within a specific plant used by Native Americans can treat both pain and diarrhea (veröffentlicht 16.11.2021), UCI
Wichtiger Hinweis:
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