Neuer Impfstoff: Starke Immunantwort gegen SARS-CoV-2
Derzeit sind in der Europäischen Union vier Impfstoffe gegen die durch das Coronavirus SARS-verursachte Krankheit COVID-19 zugelassen. An weiteren Mitteln wird geforscht. In einer Studie hat sich nun gezeigt, dass ein weiteres in Deutschland entwickeltes Vakzin eine starke Immunantwort gegen das Virus zeigt.
Im November 2020 wurde am Universitätsklinikum Tübingen unter Leitung von Prof. Dr. Juliane Walz in der KKE Translationale Immunologie der Medizinischen Klinik die klinische Erprobung eines eigenentwickelten Impfstoffs (CoVac-1) gegen SARS-CoV-2 begonnen. Jetzt liegen die Ergebnisse der Phase-I-Studie vor und belegen eine potente Aktivierung der T-Zell-Antwort gegen das Coronavirus. Die Ergebnisse wurden vor kurzem in der Fachzeitschrift „Nature“ veröffentlicht. Die Studie befindet sich derzeitig in der zweiten Phase.
Idee für den Impfstoff kommt aus der Krebsimmuntherapie
Wie in einer aktuellen Mitteilung des Universitätsklinikums Tübingen erklärt wird, spielen T-Zellen eine bedeutende Rolle bei der COVID-19-Erkrankung. Dies konnte das Forschungsteam um Prof. Walz, Leiterin der klinischen Studie, bereits in mehreren wissenschaftlichen Publikationen belegen.
Im Rahmen dieser Forschungsarbeiten wurden im Blut von Menschen mit überstandener COVID-19-Erkrankung diejenigen Peptide identifiziert, die für eine Erkennung und Langzeitschutz durch T-Zellen speziell bei SARS-CoV-2 von Bedeutung sind.
„Genau die Peptide, die eine bedeutende Rolle bei der Langzeitimmunität nach durchgemachter SARS-CoV-2-Infektion spielen, werden nun in unserem CoVac-1 Impfstoff eingesetzt“, erläutert Walz.
Als Peptide werden kurze Eiweiße bezeichnet, welche auf der Oberfläche von Tumorzellen, jedoch auch auf Virus befallenen Zellen dem Immunsystem und hier speziell den T-Zellen präsentiert werden. Das ermöglicht dem Immunsystem, „fremde“ und infizierte Zellen zu erkennen und diese dann zu eliminieren.
Die Idee für den Impfstoff kommt aus der Krebsimmuntherapie, einem der Hauptforschungsschwerpunkte der Tübinger Immunologinnen und Immunologen.
Potente Aktivierung der T-Zell-Antwort
CoVac-1 wurde in einer klinischen Phase-I-Studie in gesunden Teilnehmenden zwischen 18 und 80 Jahre eingesetzt. Hier konnte bei guter Verträglichkeit eine äußerst potente Aktivierung der T-Zell-Antwort gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 belegt werden.
Im Rahmen der Studie wurden insgesamt 36 Probandinnen und Probanden einmalig geimpft. Bei wenigen von ihnen wurden leichte Nebenwirkungen wie Kopfschmerzen und Müdigkeit beobachtet, schwerwiegende Nebenwirkungen traten nicht auf. Bei allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern entwickelte sich an der Impfstelle eine lokale Verhärtung.
„Diese Lokalreaktion wird für unseren Impfstoff erwartet und gewünscht. Sie ist Ausdruck der Bildung eines Depots an der Impfstelle, das einen schnellen Abbau des Impfstoffs verhindert und so eine langanhaltende Immunreaktion ermöglicht“, sagt Dr. Jonas Heitmann, einer der Erstautoren der Studie.
Laut den Fachleuten lag bei allen Studienteilnehmenden vier Wochen nach der Impfung die gewünschte breite und starke T-Zell-Immunantwort gegen SARS-CoV-2 vor. In ersten Folgeuntersuchungen blieben diese Immunantworten in gleicher Stärke bestehen.
Zudem sind die durch CoVac-1 aktivierten T-Zell-Antworten deutlich stärker ausgeprägt als die bei Genesenen nach natürlicher Infektion und auch potenter als die T-Zell-Immunität, die durch derzeit zugelassene mRNA- oder Vektorimpfstoffe erzeugt wird.
Anders als bei den derzeit zugelassenen Impfstoffen richtet sich die CoVac-1-induzierte T-Zell-Immunität nicht nur gegen das Spike Protein, sondern gegen verschiedene Virusbestandteile. Die Wirksamkeit des Impfstoffes wird durch keine der bislang bekannten SARS-CoV-2-Varianten negativ beeinflusst.
Phase-II-Studie gestartet
Den Angaben zufolge wird CoVac-1 im Wirkstoffpeptidlabor und der sogenannten GMP-Einheit des Universitätsklinikums und der Medizinischen Fakultät Tübingen hergestellt. Auch hier wird auf die langjährige Erfahrung und Expertise bei der Produktion von Impfstoffen für Krebskranke zurückgegriffen.
Die klinische Evaluation des Impfstoffs erfolgt in der KKE Translationale Immunologie, einer Einrichtung im Department Innere Medizin des Universitätsklinikums. Diese wurde etabliert, um innovative Immuntherapiekonzepte möglichst schnell in ersten klinischen Studien erproben zu können, damit Patienten und Patientinnen schnellstmöglich von neuen Erkenntnissen der Forschung profitieren.
Auf Grundlage dieser Studienergebnisse wurde schon im Juni die Phase-II-Studie gestartet, die CoVac-1 in Patienten und Patientinnen mit angeborenem oder erworbenem Immunglobulinmangel untersucht. Hierzu gehören zum Beispiel Leukämie- oder Lymphompatientinnen und -patienten, die auf Grund ihrer Erkrankung oder einer Therapie keine ausreichende durch antikörpervermittelte Immunität aufbauen können. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Universitätsklinikum Tübingen: Eigenentwickelter Impfstoff gegen SARS-CoV-2 zeigt starke Immunantwort, (Abruf: 24.11.2021), Universitätsklinikum Tübingen
- Jonas S. Heitmann, Tatjana Bilich, Claudia Tandler, Annika Nelde, Yacine Maringer, Maddalena Marconato, Julia Reusch, Simon Jäger, Monika Denk, Marion Richter, Leonard Anton, Lisa Marie Weber, Malte Roerden, Jens Bauer, Jonas Rieth, Marcel Wacker, Sebastian Hörber, Andreas Peter, Christoph Meisner, Imma Fischer, Markus W. Löffler, Julia Karbach, Elke Jäger, Reinhild Klein, Hans-Georg Rammensee, Helmut R. Salih & Juliane S. Walz: A COVID-19 peptide vaccine for the induction of SARS-CoV-2 T cell immunity; in: Nature, (veröffentlicht: 23.11.2021), Nature
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.