Neue Corona-Variante: Ansteckender und gefährlicher?
Die neue Coronavirus-Variante Omikron ist bereits in Deutschland angekommen. Unter anderem wurden in Bayern Verdachtsfälle bestätigt. Es wird befürchtet, dass diese Variante leichter übertragbar ist, Krankheitsverläufe schwerer ausfallen und bisher zugelassen Impfstoffe weniger wirksam sein könnten. Doch wie gefährlich ist dieses Virus wirklich?
Nachdem berichtet wurde, dass bei einer Person in Hessen mehrere für Omikron typische Mutationen gefunden wurden, sind nun zwei Verdachtsfälle der neuen Variante in Bayern bestätigt worden. Es ist somit belegt, dass diese Variante – bekannt als B.1.1.529, oder Omikron- oder Nu-Variante – in Deutschland angekommen ist. Wie gefährlich ist sie?
Große Anzahl an Mutationen
Die neue Variante des Coronavirus SARS-CoV-2, das COVID-19 verursacht, wurde von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als besorgniserregend eingestuft.
Wie in einem aktuellen Beitrag in dem Fachmagazin „Nature“ berichtet wird, wurde sie Anfang November erstmals in Botswana identifiziert und ist dann bei einem Reisenden aufgetaucht, der aus Südafrika in Hongkong ankam. Seitdem sind in verschiedenen Ländern der Erde Verdachtsfälle aufgetaucht, die teilweise auch bestätigt wurden.
Die Variante enthält eine große Anzahl der Mutationen, die in anderen Varianten, einschließlich Delta, gefunden wurden, und sie scheint sich schnell in Südafrika auszubreiten, heißt es in dem Beitrag.
Forschende versuchen nun, herauszufinden, ob diese Coronavirus-Variante eine Bedrohung für die Wirksamkeit von COVID-Impfstoffen darstellt. Es gibt Berichte über Reinfektionen und Fälle bei geimpften Personen, aber „derzeit ist es noch zu früh, um etwas zu sagen“, so Penny Moore, Virologin an der University of the Witwatersrand in Johannesburg, Südafrika.
Die Variante zeichnet sich dadurch aus, dass sie mehr als 30 Veränderungen am Spike-Protein enthält – dem SARS-CoV-2-Protein, das Wirtszellen erkennt und das Hauptziel der körpereigenen Immunantworten ist. Viele der Veränderungen wurden in Varianten wie Delta und Alpha gefunden und sind mit einer erhöhten Infektiosität und der Fähigkeit verbunden, infektionsblockierende Antikörper zu umgehen.
Möglicherweise übertragbarer
Neben den Veränderungen am Spike-Protein gibt es in der Omikron-Variante auch Veränderungen in anderen Genen des Virus, wie dem Nukleoprotein, wird in einer aktuellen Mitteilung des Imperial College London erklärt.
„Diese Mutationen befinden sich an Positionen des Proteins, die uns Sorgen bereiten, weil es so aussieht, als ob sie beeinträchtigen könnten, wie gut die Antikörper, die wir nach einer Infektion oder Impfung bilden, das Virus abwehren können“, sagte Dr. Tom Peacock, wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung für Infektionskrankheiten am Imperial College London.
Diese Veränderungen und die bisherigen Berichte über die Epidemiologie des Virus in Südafrika – wo das Virus anscheinend schnell die Fallzahlen steigen lässt – lassen vermuten, dass wir eine Variante haben, die übertragbarer ist als andere und das Potenzial hat, der Immunität, die durch die von uns derzeit verwendeten Impfstoffe und durch frühere Infektionen erzeugt wird, zumindest teilweise zu entkommen, erklärte Professorin Wendy Barclay, Leiterin der Abteilung für Infektionskrankheiten am Imperial College London.
Allerdings sei es noch nicht sicher, ob die Omikron-Variante die Übertragbarkeit erhöht oder die Wirksamkeit der Impfstoffe beeinträchtigt. Wir müssen epidemiologische Daten analysieren, sobald sie zur Verfügung stehen (wie bei der Alpha- und Delta-Variante), so die Wissenschaftlerin.
Zudem müssen wir messen, wie gut sich dieses Virus in Modellsystemen im Labor repliziert. Und wie gut Antikörper (von Personen, die geimpft oder infiziert waren) schützen. Wir wissen viel darüber, wie gut unsere Impfstoffe gegen Varianten wie Alpha, Beta oder Delta wirken. Labore auf der ganzen Welt bereiten sich laut der Expertin darauf vor, zu untersuchen, wie sie gegen die neue Variante wirken.
Bislang keine schweren Erkrankungen
Positiv stimmen Medienberichte. So erklärte Dr. Angélique Coetzee, Vorsitzende der South African Medical Association (SAMA), gegenüber der BBC, dass die mit Omikron infizierten Personen in Südafrika bislang nicht schwer erkrankt sind. Die Untersuchungen zu dieser Variante seien aber noch in einem sehr frühen Stadium.
Den Angaben zufolge wurde festgestellt, dass Infizierte meist über einen schmerzenden Körper und Müdigkeit (die teilweise extrem ausfällt) klagen. Solch Symptome seien bei Jüngeren zu beobachten. Wie Dr. Coetzee laut dem „Telegraph“ sagte, bestehe die Sorge, dass die neue Variante ältere Menschen, die an Vorerkrankungen wie Diabetes oder Herzkrankheiten litten, viel härter treffen könnte.
Zudem wies die Medizinerin darauf hin, dass, als sie Anfang November zum ersten Mal auf die Möglichkeit einer neuen Variante aufmerksam gemacht worden war, bei den Infizierten keinen Geschmacks- oder Geruchsverlust festgestellt habe.
Fallzahlen reduzieren
Was ist, wenn die Impfstoffe gegen die neue Variante nicht wirken? Wenn Antikörper aus unseren aktuellen Impfstoffen das Virus nicht mehr ganz so gut neutralisieren können, haben die politischen Entscheidungsträger Optionen, sagte Prof. Barclay.
Erstens, weiterhin so viele Menschen wie möglich mit den Impfstoffen, die wir haben, zu impfen (einschließlich Auffrischungsdosen). Auch wenn der Schutz möglicherweise nicht perfekt ist, ist eine Erhöhung der Gesamtmenge an Antikörpern auch gegen die neue Variante anzuraten.
Außerdem sind die Impfstoffe, die wir jetzt verwenden, definitiv wirksam gegen die Delta-Variante, und alles, was wir jetzt tun können, um die aktuellen Fallzahlen zu senken, wird helfen. Wir möchten wirklich nicht, dass Delta und Omikron im kommenden Winter gleichzeitig im Umlauf sind, erläuterte Barclay.
Zweitens können wir alle, um auch die Fallzahlen zu reduzieren, eine bessere soziale Distanzierung praktizieren, Masken an überfüllten Orten tragen und auf dem Weg in die Weihnachtszeit etwas Zurückhaltung zeigen.
Drittens können wir damit beginnen, neue Impfstoffe herzustellen, die besser auf das neue Virus abgestimmt sind. Dies wird einige Zeit dauern, wahrscheinlich Monate, aber die Impfstoffhersteller sollten sich darauf einstellen, sofort damit zu beginnen.
Durch solche Maßnahmen kann Zeit gewonnen und der Import dieser neuen Variante in den Rest der Welt verlangsamt werden. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Imperial College London: Q&A: Imperial experts discuss new variant B.1.1.529, (Abruf: 28.11.2021), Imperial College London
- Ewen Callaway: Heavily mutated Omicron variant puts scientists on alert; in: Nature, (veröffentlicht: 25.11.2021, Update: 27.11.2021), Nature
Wichtiger Hinweis:
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