Lebererkrankungen: Besser früh erkennen statt spät behandeln
Rund 300.000 Menschen pro Jahr sterben allein in Europa an Lebererkrankungen. Die häufigsten Risikofaktoren für die Entstehung sind starkes Übergewicht, Alkoholkonsum und Virusinfektionen. Zudem spielen genetische und autoimmune Faktoren eine Rolle. Oft werden Lebererkrankungen viel zu spät entdeckt und Betroffene können nur noch mit drastischen Behandlungen wie Transplantation oder Entfernen der halben Leber gerettet werden. Die Europäische Lebergesellschaft will nun einen stärkeren Fokus auf die Früherkennung legen.
Fachleute der Medizinischen Hochschule Hannover haben zusammen mit der Europäischen Leberkommission eine neue Empfehlung zur Verbesserung der Lebergesundheit herausgegeben. Demnach sollte deutlich mehr Fokus auf die Früherkennung von Lebererkrankungen gelegt werden. Die Empfehlungen wurden kürzlich in dem renommierten medizinischen Fachjournal „The Lancet“ publiziert.
Derzeitiger Fokus liegt auf der Behandlung
Viele Lebererkrankungen wie die weit verbreitete Fettleber verursachen in einem frühen Krankheitsstadium keine Beschwerden, weshalb sie oft erst in einem weit fortgeschrittenen Stadium erkannt werden, wo drastische Behandlungsmethoden erforderlich sind. Die Europäische Lebergesellschaft (European Association for the Study of the Liver, EASL) möchte den Fokus nun stärker auf die Vermeidung und Früherkennung verlegen.
Die neuen Empfehlungen basieren auf einer dreijährigen Analyse der derzeitigen Situation in Europa, die von der EASL-Lancet-Liver Commission durchgeführt wurde. Die Empfehlungen, die aus der Analyse hervorgehen, wurden nun in Brüssel vorgestellt. „Die Gesundheit der Menschen in Europa hängt davon ab, dass wir künftig Lebererkrankungen früher erkennen, behandeln oder durch vorbeugendes Handeln ganz verhindern“, fasst Professor Dr. Michael P. Manns die Kernaussage zusammen. Er ist Präsident der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) und Co-Vorsitzender der Leberkommission.
Oft junge Menschen von Lebererkrankungen betroffen
Nach Angaben der EASL sind besonders häufig junge und mittelalte Menschen von schweren Lebererkrankungen betroffen. Ursache dafür sind nicht selten ein ungesundes Essverhalten, welches bis in die Kindheit zurückreicht und ein hoher Alkoholkonsum. Während Krankheiten, die auf einen ungesunden Lebensstil zurückzuführen sind, wie beispielsweise Lungenkrebs oder Typ-2-Diabetes, eher bei älteren Menschen tödlich enden, ist es bei schweren Lebererkrankungen nicht selten, dass Betroffene bereits in einem Alter um die 50 Jahre versterben.
Werbeverbot für Alkohol und ungesunde Lebensmittel gefordert
Die neuen Empfehlungen der EASL an Medizin und Politik beinhalten deshalb ein Werbeverbot in sozialen und digitalen Medien für Alkohol sowie für extrem fett- und zuckerhaltige Lebensmittel, die sich insbesondere an Kinder richten. Darüber hinaus sollte medizinisches Personal stärker für Lebererkrankungen sensibilisiert werden und es müssten bessere finanzielle Anreize für die Erstversorgung geschaffen werden.
„In den meisten Fällen können Lebererkrankungen verhindert werden“, ergänzt Ursula von der Leyen, Präsidentin der Europäischen Kommission. Das gelte nicht nur für Lebererkrankungen aufgrund eines ungesunden Lebensstils. Auch Leberentzündungen, die durch Infektionen mit Hepatitis-Viren hervorgerufen werden, seien gut behandelbar, insbesondere wenn sie früh erkannt werden.
Unbemerkt und unbehandelt kann Hepatitis zu Lebervernarbungen (Leberfibrose) oder dem Schrumpfen des Organs (Leberzirrhose) führen. „Die Vorbeugung und Behandlung der meisten Leberkrankheiten ist heute dank bedeutender Errungenschaften der modernen Medizin möglich“, bestätigt Professor Manns.
Hepatitis-B-Impfstoff kann Leberkrebs vorbeugen
Manns zufolge ist der Hepatitis-B-Impfstoff das erste Vakzin, das nachweislich Leberkrebs vorbeugen kann. Zudem seien Hepatitis-C-Virusinfektionen nun durch wirksame Medikamente bei fast allen Betroffenen heilbar geworden. „Wir müssen aber den Zugang zur Behandlung für alle Europäer gewährleisten“, fordert der Professor. (vb)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Medizinische Hochschule Hannover: Lebererkrankungen früh erkennen statt spät behandeln (veröffentlicht: 02.12.2021), mhh.de
- Tom H. Karlsen, Nick Sheron, Shira Zelber-Sagi, et. al.: The EASL–Lancet Liver Commission: protecting the next generation of Europeans against liver disease complications and premature mortality; in: The Lancet, 2021, sciencedirect.com
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.