Cannabis-Konsum scheint Schlafdauer zu beeinflussen
Menschen, die Cannabis konsumieren haben laut einer aktuellen Studie häufiger extrem lange oder kurze Schlafphasen mit mehr als neun oder weniger als sechs Stunden. Die Auswirkungen seien bei Langzeitkonsumenten (20 von 30 Tagen) deutlicher als bei Personen, die nur gelegentlich Cannabis konsumieren.
Ein Forschungsteam aus Kanada und den USA wertete Daten aus einer repräsentativen Stichprobe von US-amerikanischen Erwachsenen aus. Dabei zeigte sich ein Zusammenhang zwischen Cannabis-Konsum und extrem langen oder kurzen Schlafphasen. Die Forschungsergebnisse wurden kürzlich in dem Fachjournal „Regional Anesthesia & Pain Medicine“ vorgestellt.
Cannabis-Konsum in den USA weit verbreitet
Nach Angaben des Forschungsteams hat der Cannabis-Konsum in Nordamerika in den letzten zwei Jahrzehnten fortlaufend zugenommen. Im Jahr 2019 gaben rund 45 Millionen Erwachsene in den USA an, Cannabis zu konsumieren. Im Jahr 2000 waren es nur halb so viele.
Laut der Arbeitsgruppe ist dies zum Teil auf die weitgehende Entkriminalisierung in vielen US-Bundesstaaten zurückzuführen sowie auf Forschungsergebnisse, die darauf hindeuten, dass Cannabinoide einen therapeutischen Wert für die Schmerzlinderung und möglicherweise auch für Angst- und Schlafstörungen haben könnten.
Viele Menschen leiden unter Schlafdefizit
Schlafmangel und Schlafprobleme sind ebenfalls weit verbreitet in den USA. Wie die Forschungsgruppe erläutert, erreichen nur rund zwei Drittel der US-Amerikanerinnen und Amerikaner die empfohlenen sieben bis neun Stunden Schlaf pro Nacht. Fast jede zweite Person berichtet von Phasen der Tagesmüdigkeit.
Im Zuge der weit verbreiteten Schlafprobleme und der leichteren Beschaffung von Cannabis ist die Pflanze auch als Schlafmittel populärer geworden. Die möglichen Auswirkungen auf den Schlaf-Wach-Rhythmus sind jedoch nicht ausreichend untersucht.
Was wurde untersucht?
Die Forschenden werten Daten aus einer landesweiten repräsentativen Stichprobe von Erwachsenen in den USA im Alter zwischen 20 und 59 Jahren aus, um einen Zusammenhang zwischen Cannabis-Konsum und der Schlaf-Wach-Physiologie zu untersuchen. Die Daten wurden im Rahmen der sogenannten National Health and Nutrition Examination Survey (NHANES) in den Jahren von 2005 bis 2018 alle zwei Jahre erhoben.
Der Datensatz beinhaltet Angaben dazu, ob die Betroffenen Schwierigkeiten beim Einschlafen oder Durchschlafen hatten oder ob sie öfter zu lange schliefen, also mehr als neun Stunden. Zudem gab es Angaben darüber, ob wegen Schlafproblemen bereits ein Arzt oder eine Ärztin konsultiert wurde oder ob die Teilnehmenden regelmäßig unter Tagesmüdigkeit litten. Insgesamt wurden die Daten von 21.729 Personen bei der Auswertung berücksichtigt.
Wie lang schliefen die Teilnehmenden im Durchschnitt
Die durchschnittliche nächtliche Schlafdauer in der gesamten Stichprobe betrug knapp sieben Stunden. Rund 12 Prozent der Probandinnen und Probanden gaben an, regelmäßig weniger als sechs Stunden zu schlafen. Nur vier Prozent der Kohorte berichteten über eine regelmäßige Schlafzeit von über neun Stunden.
Andere Schlafdauer unter Cannabis-Konsumenten
3.132 Teilnehmende (14,5 Prozent) gaben an, innerhalb von 30 Tagen mindestens einmal Cannabis zu konsumieren. Im Vergleich zu dem Durchschnitt gaben Cannabis-Konsumentinnen und -Konsumenten mit 34 Prozent höher Wahrscheinlichkeit an, zu wenig zu schlafen und mit 56 Prozent höher Wahrscheinlichkeit, zu lange zu schlafen (mehr als neun Stunden).
Zudem berichteten Cannabis-Nutzende mit 31 Prozent höherer Wahrscheinlichkeit über Schwierigkeiten beim Einschlafen und beim Durchschlafen. Die Konsumentinnen und Konsumenten hatten zudem gegenüber dem Durchschnitt eine 29 Prozent höhere Wahrscheinlichkeit, wegen Schlafproblemen eine Arztpraxis aufgesucht zu haben. Eine erhöhte Tagesmüdigkeit konnte nicht mit dem Cannabis-Konsum in Verbindung gebracht werden.
Bei Langzeit-Konsumenten deutlichere Auswirkungen
Dieser Zusammenhang war bei Cannabis-Langzeitkonsumenten wesentlich stärker ausgeprägt. Diejenigen, die 20 oder mehr Tage im Monat Cannabis konsumierten, hatten im Vergleich zu Nichtkonsumenten eine 64 Prozent höhere Wahrscheinlichkeit für zu kurzen Schlaf unter sechs Stunden und eine um 76 Prozent höhere Wahrscheinlichkeit für zu langen Schlaf über neun Stunden.
Einschränkungen der Studie
Die Forschenden geben zu bedenken, dass es sich um eine Beobachtungsstudie handelt, in der nur ein Zusammenhang zwischen den Schlafzeiten und dem Cannabis-Konsum aufzeigt, nicht aber die zugrundeliegende Ursache für die beobachtete Verbindung aufklärt wurde. Zudem basieren die Daten zum Teil auf Selbstauskünften der Teilnehmenden, was eine potenzielle Fehlerquelle darstellt.
Von Selbstexperimenten wird abgeraten
Die Arbeitsgruppe unterstreicht die Notwendigkeit, das Schlafverhalten von regelmäßigen Cannabis-Konsumenten weiter zu charakterisieren. Die Endocannabinoid-Signalwege könnten einen weitreichenden Einfluss auf die Schlaf-Wach-Physiologie haben, doch die Erforschung dieser Signalwege befinde sich noch in einem frühen Stadium. Das Team rät von Selbstexperimenten mit Cannabis zur Verbesserung des Schlafs ab – zumindest bis genauere Ergebnisse vorliegen. (vb)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Calvin Diep, Chenchen Tian, Kathak Vachhani, et al.: Recent cannabis use and nightly sleep duration in adults: a population analysis of the NHANES from 2005 to 2018; in: Regional Anesthesia & Pain Medicine, 2021, rapm.bmj.com
- BMJ Infographic: Recent cannabis use and nightly sleep duration in adults (Abruf: 07.12.2021), rapm.bmj.com
- BMJ Pressemeldung: Recent cannabis use linked to extremes of nightly sleep duration (veröffentlicht: 06.12.2021), eurekalert.org
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.