Zusammenhang zwischen Darmentzündungen und Autismus identifiziert
Die Ursachen von Autismus sind bis heute nur unzureichenden verstanden. In einer aktuellen Studie wurde nun ein möglicher Mechanismus identifiziert, der die Darmgesundheit mit Autismus verbindet. Darmentzündungen in der Schwangerschaft könnten demnach eine maßgebliche Rolle bei der Entwicklung von Autismus spielen.
Aus früheren Untersuchungen war bereits bekannt, dass viele Menschen mit Autismus-Spektrum-Störungen auch unter ungewöhnlichen Entzündungen des Magen-Darm-Trakts leiden, allerdings bliebt die Ursache hierfür weitgehend unklar. In mehren Studien an Mäusen haben US-Forschende der Harvard Medical School und des MIT nun nachgewiesen, dass Infektionen während der Schwangerschaft möglicherweise die Erklärung liefern.
Folgen einer Infektion in der Schwangerschaft
Infektionen während der Schwangerschaft können zu hohen Konzentrationen des entzündungsfördernden Signalmoleküls Interleukin-17a (IL-17a) führen, das nicht nur die Gehirnentwicklung des Fötus beeinträchtigen, sondern auch das mütterliche Mikrobiom in einer Weise verändern kann, die das Immunsystem des Neugeborenen anfällig für Darmentzündungen macht, berichtet die Harvard Medical School.
Störungen der neuronalen Entwicklung
In mehren Studien an Mäusen, von denen die ersten bereits 2016 begannen, konnten die Forschenden aufzeigen, wie eine erhöhte IL-17a-Konzentration während der Schwangerschaft auf neuronale Rezeptoren in einer bestimmten Region des fötalen Gehirns einwirkt und so die Entwicklung von Schaltkreisen verändert, was zu autismusähnlichen Verhaltenssymptomen führte. Weiterhin haben sie auch untersucht, wieso die Nachkommen vermehrt Darmentzündungen entwickeln.
Vorgeprägtes Immunsystem der Nachkommen
„Wir haben gezeigt, dass IL-17a, das auf das fötale Gehirn wirkt, autismusähnliche Verhaltensphänotypen wie soziale Defizite hervorrufen kann. Jetzt zeigen wir, dass dasselbe IL-17a bei Müttern durch Veränderungen in der Mikrobiom-Gemeinschaft komorbide Symptome bei den Nachkommen hervorruft, insbesondere ein vorgeprägtes Immunsystem“, so Studienautor Mark Hyman vom MIT. Die entsprechenden Studienergebnisse wurden in der Zeitschrift „Immunity“ veröffentlicht.
Mütterliche Infektionen als Auslöser
Zwar müsse noch überprüft werden, ob die Ergebnisse auch auf Menschen übertragbar sind, doch liefern die Forschungsarbeiten wichtige Hinweis darauf, „dass die Probleme des zentralen Nervensystems und des Immunsystems bei Personen mit Autismus-Spektrum-Störungen eine gemeinsame Ursache in der Umwelt haben: eine mütterliche Infektion während der Schwangerschaft“, berichtet das Team.
Die Forschenden stellten bezüglich der Entwicklung von Autismus und der Prägung des Immunsystems infolge der Darmentzündungen in der Schwangerschaft allerdings einen signifikanten zeitlichen Unterschied fest. So zeigten die betroffenen Nachkommen bereits im Mutterleib die Ansätze der neurologischen Entwicklungsstörung, die Prägung des Immunsystems erfolgte jedoch erst nach der Geburt, durch die Exposition gegenüber dem veränderten Darmmikrobiom (Darmflora) der Mutter.
Schlüsselrolle von IL-17a
Auffällig war bei den Darmentzündungen zudem ein deutlicher Anstieg der IL-17a-Produktion durch die T-Zellen, einer wichtigen Klasse von Immunzellen. „Ein Anstieg von IL-17a bei der Mutter während der Schwangerschaft führt also zu einer höheren IL-17a-Produktion bei den Nachkommen, wenn diese einer Immunreaktion ausgesetzt sind”, erläutert die Studienautorin Gloria Choi vom MIT.
Bei Blockierung von IL-17a wiesen die Nachkommen der Mäuse zudem im späteren Leben keine Darmentzündungen auf. Die Blockierung von IL-17a inmitten der mütterlichen Infektion könnte demnach zu einem Mikrobiom beitragen, das das Immunsystem der Nachkommen nicht unangemessen stimuliert, berichten die Forschenden.
Auch COVID-19 könnte Risiko erhöhen
Studienautor Jun Huh von der Harvard Medical School betont abschließend, dass die Studienergebnisse die potenziellen langfristigen Auswirkungen von Umwelteinflüssen – wie zum Beispiel Infektionen – während der Schwangerschaft ein Problem seien, das sich durch die COVID-19-Pandemie möglicherweise noch verschärft. Weitere Studien seien nun erforderlich, auch um die langfristigen Auswirkungen auf Kinder von SARS-Cov-2 infizierten Müttern zu bestimmen. (fp)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Harvard Medical School: Gut-Brain Connection in Autism (veröffentlicht 07.12.2021), hms.harvard.edu
- Eunha Kim, Donggi Paik, Ricardo N. Ramirez, Delaney G. Biggs, Youngjun Park, Ho-Keun Kwon, Gloria B. Choi, Jun R. Huh: Maternal gut bacteria drive intestinal inflammation in offspring with neurodevelopmental disorders by altering the chromatin landscape of CD4+ T cells; in: Immunity (veröffentlicht 07.12.2021), cell.com
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