Omikron-Variante: Auch Geimpfte nicht ausreichend geschützt
Es ist erste wenige Wochen her, seit bekannt gegeben wurde, dass im südlichen Afrika eine mit Mutationen beladene Coronavirus-Variante entdeckt wurde. Seitdem haben Dutzende von Ländern auf der ganzen Welt Omikron-Fälle gemeldet – darunter eine besorgniserregende Zahl von Infektionen bei Menschen, die entweder geimpft wurden oder frühere SARS-CoV-2-Infektionen hinter sich hatten.
Eine neue Studie von Forschenden der Columbia University (USA) in Zusammenarbeit mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der University of Hong Kong liefert weitere Beweise dafür, dass die Omikron-Variante den durch Impfstoffe und natürliche Infektionen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 verliehenen Immunschutz umgehen kann. Die auf dem Preprint Server „bioRxiv” veröffentlichte Arbeit legt die Notwendigkeit neuer Impfstoffe und Behandlungen nahe.
Erhöhtes Risiko einer Reinfektion
Bisher sind die Daten zur neuen Omikron-Variante noch rar. Erste Erkenntnisse lassen hoffen. Berichte aus Südafrika haben durchweg eine geringere Krankenhauseinweisungsrate als Folge von Omikron-Infektionen im Vergleich zu Infektionen festgestellt, die durch die Delta-Variante verursacht werden, die derzeit weltweit für die meisten SARS-CoV-2-Infektionen verantwortlich ist, heißt es in einem aktuellen Beitrag in der Fachzeitschrift „Nature“.
Doch ein neuer Report des Imperial College London schätzt, dass das Risiko einer Reinfektion mit der Omikron-Variante 5,4-mal höher ist als das der Delta-Variante. Zudem heißt es in einer Mitteilung dazu, dass keine Hinweise darauf gefunden wurden, dass Omikron einen geringeren Schweregrad als Delta aufweist.
Dass die neue Variante eine bedeutende Gefahr darstellt, zeigt auch die Studie unter der Leitung von Dr. David Ho und Prof. Helen Wu von der Columbia University. Die Forschenden testeten die Fähigkeit von Antikörpern, die durch Impfung erzeugt wurden, die Omikron-Variante in Labortests zu neutralisieren.
Impfungen deutlich weniger wirksam
Wie es in einer Mitteilung heißt, waren Antikörper von Personen, die mit einem der vier am häufigsten verwendeten Impfstoffe – Moderna, BioNTech/Pfizer, AstraZeneca, Johnson & Johnson – doppelt geimpft wurden, bei der Neutralisierung der Omikron-Variante im Vergleich zum angestammten Virus deutlich weniger wirksam. Antikörper von zuvor infizierten Personen neutralisierten Omikron noch weniger.
Personen, die eine Auffrischimpfung mit einem der beiden mRNA-Impfstoffe erhielten, sind wahrscheinlich besser geschützt, obwohl selbst ihre Antikörper eine verminderte neutralisierende Wirkung gegen Omikron aufwiesen.
„Die neuen Ergebnisse deuten darauf hin, dass bereits infizierte und vollständig geimpfte Personen einem Risiko für eine Infektion mit der Omikron-Variante ausgesetzt sind“, erläutert Ho. „Selbst eine dritte Auffrischimpfung schützt möglicherweise nicht ausreichend vor einer Omikron-Infektion, aber es ist natürlich ratsam, eine zu bekommen, da Sie immer noch von einer gewissen Immunität profitieren.“
Resistenz gegen aktuelle Antikörper
Die Ergebnisse stimmen mit anderen Studien sowie frühen epidemiologischen Daten aus Südafrika und Großbritannien überein, die zeigen, dass die Wirksamkeit von zwei Dosen der Impfstoffe gegen symptomatische Erkrankungen gegenüber der Omikron-Variante signifikant reduziert ist.
Bei frühzeitiger Verabreichung können monoklonale Antikörper helfen, dass es bei mit SARS-CoV-2 infizierten Personen seltener zu schweren COVID-19-Verläufen kommt. Die neue Studie legt jedoch nahe, dass alle derzeit verwendeten und die meisten in der Entwicklung befindlichen Therapien gegen Omikron viel weniger wirksam sind, wenn sie überhaupt wirken.
In Neutralisationsstudien mit monoklonalen Antikörpern behielt nur eine Therapie (die in China zugelassene Brii198) eine bemerkenswerte Aktivität gegen Omikron bei. Eine Nebenform von Omikron ist gegen alle heute klinisch eingesetzten Antikörper vollständig resistent.
Hos Labor identifizierte auch vier neue Spike-Mutationen in Omikron, die dem Virus helfen, Antikörper zu umgehen. Diese Informationen sollten in die Entwicklung neuer Ansätze zur Bekämpfung der neuen Variante einfließen. Der Wissenschaftler rät dazu, Impfstoffe und Behandlungen zu entwickeln, die die Entwicklung des Virus besser vorhersehen können.
„Es ist nicht zu weit hergeholt zu glauben, dass SARS-CoV-2 nur noch ein oder zwei Mutationen davon entfernt ist, vollständig resistent gegen aktuelle Antikörper zu sein, entweder die als Therapien verwendeten monoklonalen Antikörper oder die Antikörper, die durch Impfung oder Infektion mit früheren Varianten erzeugt wurden“, sagt Ho. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Columbia University: New Study Adds More Evidence for Omicron Immune Evasion, (Abruf: 19.12.2021), Columbia University
- Lihong Liu, Sho Iketani, Yicheng Guo, Jasper F-W. Chan, Maple Wang, Liyuan Liu, Yang Luo, Hin Chu, Yiming Huang, Manoj S. Nair, Jian Yu, Kenn K-H. Chik, Terrence T-T. Yuen, Chaemin Yoon, Kelvin K-W. To, Honglin Chen, Michael T. Yin, Magdalena E. Sobieszczyk, Yaoxing Huang, Harris H. Wang, Zizhang Sheng, Kwok-Yung Yuen, David D. Ho: Striking Antibody Evasion Manifested by the Omicron Variant of SARS-CoV-2; in: bioRxiv, (veröffentlicht: 15.12.2021), bioRxiv
- Heidi Ledford: How severe are Omicron infections?; in: Nature, (veröffentlicht: 17.12.2021), Nature
- Imperial College London: Omicron largely evades immunity from past infection or two vaccine doses, (Abruf: 19.12.2021), Imperial College London
- Neil Ferguson, Azra Ghani, Anne Cori, Alexandra Hogan, Wes Hinsley, Erik Volz on behalf of the Imperial College COVID-19 response team: Report 49 - Growth, population distribution and immune escape of Omicron in England; auf Webseite des Imperial College London, (veröffentlicht: 16.12.2021), Imperial College London
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