COVID-19: Auf Erkältungsviren basierende Impfstoffe
Neben den mRNA-Impfstoffen von BioNTech/Pfizer und Moderna werden auch auf Adenoviren basierende Vakzine gegen die durch das Coronavirus SARS-CoV-2 ausgelöste Erkrankung COVID-19 eingesetzt. Forschende haben nun den Schalter für die Wirksamkeit solcher Präparate gefunden.
Das Adenovirus besitzt ein Protein, das sein Erbmaterial schützt, bis es zum Zellkern der infizierten Zelle gelangt. Dort streift der Erreger seine Hülle ab und das schützende Protein löst sich von der Virus-DNA. Erst dann wird diese in den Zellkern importiert – die Voraussetzung für die Bildung neuer Viren. Laut einer aktuellen Mitteilung ist dieser von Forschenden der Universität Zürich (UZH) entschlüsselte Prozess zentral für diverse Impfstoffe gegen COVID-19.
Adenoviren werden als Vektor-Impfstoffe eingesetzt
Wie in der Mitteilung erklärt wird, sind Adenoviren typische Erkältungsviren, die bei Menschen vor allem zu Erkrankungen der Atemwege führen. Diese Viren werden schon seit vielen Jahren auch als sogenannte Vektor-Impfstoffe eingesetzt.
So basieren mehrere COVID-19-Impfstoffe auf Adenoviren, die genetisch so verändert wurden, dass sie sich nicht mehr vermehren können: jene von AstraZeneca und Johnson & Johnson sowie die nicht in der Europäischen Union zugelassenen Mittel des chinesischen Herstellers CanSino Biologics und der russische Impfstoff Sputnik V.
Dabei macht sich die Forschung zentrale Eigenschaften der Adenoviren zunutze: Ihre Fähigkeit, menschliche Zellen zu infizieren und fremde DNA in den Zellkern zu schleusen. Eine neue, in der Fachzeitschrift „Science Advances“ veröffentlichte Studie unter der Leitung von Urs Greber, Professor am Institut für Molekulare Biologie der UZH zeigt jetzt, dass eine ausgeklügelte Maschinerie dazu erforderlich ist.
„Eine Schlüsselfunktion hat das virale Protein V. Es verbindet die DNA mit der Eiweisshülle, die das Erbmaterial umgibt. Das Protein V erhöht so die Stabilität des Viruspartikels sowohl ausserhalb der Zelle wie auch innerhalb einer infizierten Zelle“, erläutert Greber.
Viruspartikel gelangt bis zum Kernporenkomplex
Den Angaben zufolge verhindert die Eiweißhülle auch, dass die Zelle die fremde, eingedrungene DNA erkennt und das zelluläre Alarmsystem aktiviert. Sobald das Viruspartikel zum Kernporenkomplex – der Eintrittspforte in den Zellkern – gelangt, wird die DNA laut den Fachleuten in den Zellkern befördert. Dort wird die Erbinformation dann von der Zellmaschinerie abgelesen und die entsprechenden Proteine werden hergestellt.
Bei den COVID-19-Impfstoffen bilden die Zellen das Spikeprotein, das sich auf der Oberfläche des Coronavirus SARS-CoV-2 befindet. Sobald die menschlichen Zellen das Virusprotein gegen außen präsentieren, wird die Immunreaktion dagegen ausgelöst.
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der UZH zeigen nun, dass ein Adenovirus, dem das Protein V fehlt, nicht nur weniger stabil ist als normale Adenoviren, sondern auch seine DNA vorzeitig freisetzt, bevor es den Kernporenkomplex erreicht.
„Das verringert die Infektion und löst den zellulären Alarm aus, indem die Zelle Signalstoffe aussendet, die das Immunsystem aktiviert“, sagt Greber. Im Unterschied zu den Vektor-Impfstoffen ist bei den mRNA-Impfstoffen gegen SARS-CoV-2 genau diese Zellaktivierung erforderlich, um eine starke Immunreaktion hervorzurufen.
Bei den Vektor-Impfstoffen hingegen gelangt das Viruspartikel dank der Schutzhülle bis zu dem Kernporenkomplex, wo die Virus-DNA freigesetzt wird. Diese „Enthüllung“ ist für den Import des viralen Erbmaterials in den Zellkern unerlässlich, weil das Virus-Partikel zu groß ist, um durch die Poren zu gelangen.
„Wir konnten nachweisen, dass das Protein V ein zelluläres Enzym namens Mind bomb 1 aktiviert, das die Eigenschaften des Proteins V verändert. In der Folge wird die Eiweisshülle zerstört. Das Enzym leitet so den Import der Virus-DNA in den Zellkern ein“, so Greber.
Virusinfektion wird gestoppt
Um diese Schlüsselfunktion des Enzyms zu bestimmen, verwendeten die Forscherinnen und Forscher normale Adenoviren, mit denen sie im Labor menschliche Zellen infizierten, denen Mind bomb 1 fehlt, sowie eine Virusmutante mit einem Protein V, das vom Enzym nicht verändert werden kann.
In beiden Fällen funktioniert das Abstreifen der Virus-DNA-Hülle nicht und die Viruspartikel reichern sich am Kernporenkomplex an, heißt es in der Mitteilung. Kurz: Die Virusinfektion wird gestoppt.
„Unsere Ergebnisse eröffnen nicht nur die Entwicklung neuer antiviraler Strategien, sondern auch die Verbesserung von Methoden, um Gene in kranke, genetisch defekte Zellen einzuführen“, erklärt Greber. Denn Adenoviren werden vielfältig eingesetzt: als Basis für Impfstoffe, als sogenannte „DNA-Taxis“ für Gentherapien oder auch als Therapeutika in der Krebsmedizin. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Universität Zürich: Schalter für Wirksamkeit von Adenovirus-Impfstoffen gegen Covid-19 entdeckt (Abruf: 26.12.2021), Universität Zürich
- Michael Bauer, Alfonso Gomez-Gonzalez, Maarit Suomalainen, Nicolas Schilling, Silvio Hemmi, Urs F. Greber: A viral ubiquitination switch attenuates innate immunity and triggers nuclear import of virion DNA and infection; in: Science Advances, (veröffentlicht: 17.12.2021), Science Advances
Wichtiger Hinweis:
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