Wie Thymol und Carvacrol in Thymian und Oregano gebildet werden
Thymian gehört zu den wichtigsten Heilpflanzen bei Erkältungskrankheiten, Husten und Schnupfen. Oregano findet seinerseits oft bei Beschwerden des gesamten Verdauungstraktes sowie bei Atemwegserkrankungen Verwendung. Nun gibt es neue Erkenntnisse, die bei der pharmazeutischen Nutzung der beiden Arzneipflanzen helfen könnten.
Wie es in einer aktuellen Mitteilung der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) heißt, sind Thymian und Oregano nicht nur beliebte Gewürzkräuter, sondern werden auch als Arzneipflanzen genutzt. Ihre ätherischen Öle enthalten die Substanzen Thymol sowie Carvacrol, die für das typische Aroma sorgen und medizinische Bedeutung haben. Ein Team der MLU und der Purdue University in den USA hat jetzt erstmals lückenlos aufgeklärt, wie diese beiden Substanzen in den Pflanzen gebildet werden. Die Ergebnisse könnten laut den Fachleuten dabei helfen, die Züchtung und pharmazeutische Nutzung beider Pflanzen zu verbessern. Die Studie wurde in dem Fachjournal „Proceedings of the National Academy of Sciences“ veröffentlicht.
Sekretlösend, antibakteriell und krampflösend
Da das vor allem aus Thymian gewonnene Thymol sekretlösende, antibakterielle und krampflösende Eigenschaften besitzt, kommt die Pflanze besonders häufig in Erkältungstees, Hustensäften und pflanzlichen Arzneimitteln gegen Bronchitis zum Einsatz. Oregano enthält indes besonders viel Carvacrol, das über ähnliche Eigenschaften verfügt. Sein Geruch wird oft mit Pizzasoße und anderen mediterranen Gerichten verbunden. Chemisch gesehen sind beides nahverwandte Substanzen, welche von Thymian und Oregano in einem mehrstufigen Prozess gebildet werden.
„Das kann man sich wie eine Fertigungsstraße in einer Fabrik vorstellen: Jeder Arbeitsschritt ist aufeinander abgestimmt und nur in der richtigen Reihenfolge entsteht das gewünschte Produkt“, erläutert Prof. Dr. Jörg Degenhardt vom Institut für Pharmazie der MLU. Anstelle von Maschinen erledigen spezielle Biomoleküle, Enzyme, diese Arbeit in speziellen Drüsenzellen auf der Blattoberfläche.
Gemeinsam mit Forscherinnen und Forschern der Purdue University in den USA entschlüsselte das Team aus Halle die einzelnen Produktionsschritte. Dabei ließ sich laut den Fachleuten auch ein Jahrzehnte altes Rätsel lösen: „Lange Zeit ging man davon aus, dass Para-Cymol ein Zwischenprodukt der Thymol- und Carvacrolsynthese ist. Allerdings war es chemisch nicht nachvollziehbar, wie aus diesem Stoff letztlich Thymol oder Carvacrol entstehen soll“, sagt Degenhardt.
Tatsächlich entsteht bei der regulären Produktion dieser beiden Substanzen gar kein Para-Cymol, sondern ein äußerst instabiles Zwischenprodukt. „Dieses existiert in den Pflanzenzellen nur für wenige Augenblicke, weshalb es sich nur schwer beobachten lässt. Es liefert aber den bislang fehlenden Zwischenschritt in der Synthese der beiden Substanzen“, so Degenhardt.
Den Angaben zufolge laufen für Thymol und Carvacrol zunächst gleiche Prozesse ab, erst im vierten Schritt kommen unterschiedliche Enzyme zum Einsatz, die die jeweilige Substanz produzieren. In einem fünften Schritt können Thymol und Carvacrol dann weiter zu Thymohydrochinon und Thymochinon umgewandelt werden, die entzündungshemmend und gegen Tumore wirken.
Wirkstoffe gegen bakterielle Infektionen und Krebs
Zudem konnten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit diesem neuen Wissen eine Tabakart, die Modellpflanze N. benthamiana, genetisch so umprogrammieren, dass sie Thymol produziert. „Das geschah zwar nur in geringen Mengen, es bedeutet aber, dass wir die Synthesewege und die dazugehörigen Enzyme lückenlos aufklären konnten“, erklärt Degenhardt.
Die Ergebnisse sind laut dem Experten auch für die Züchtung relevant: „Bislang wurden Pflanzen meist zufällig miteinander gekreuzt und dann anhand ihres Geruchs für den Anbau ausgewählt“, erläutert Degenhardt.
Mit den Erkenntnisseen über die molekularen Grundlagen lassen sich künftig möglicherweise Biomarker entwickeln, um Pflanzen mit einem hohen Gehalt an ätherischen Ölen gezielt auszuwählen.
Das neue Wissen könnte auch dabei helfen, auf Grundlage von Thymol, Carvacrol und Thymohydrochinon neue Wirkstoffe zu entwickeln, die bei bakteriellen Infektionen, Entzündungen und Krebserkrankungen eingesetzt werden können, resümieren die Forschenden. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg: Woher kommt das besondere Aroma von Thymian und Oregano?, (Abruf: 29.12.2021), Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
- Krause S. T. et al.: The biosynthesis of thymol, carvacrol, and thymohydroquinone in Lamiaceae proceeds via cytochrome P450s and a short-chain dehydrogenase; in: Proceedings of the National Academy of Sciences, (veröffentlicht: 20.12.2021), Proceedings of the National Academy of Sciences
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