Schwere COVID-19-Verläufe durch hohes Körpergewicht?
Welche Rolle spielt das Gewicht bei der Entstehung von schweren Komplikationen durch COVID-19 und kann eine Gewichtsabnahme helfen, schwere COVID-19-Verläufe zu verhindern? Diese Fragen versuchten Fachleute der Cleveland Clinic (USA) in einer aktuellen Untersuchung zu klären. Ihren Ergebnissen zufolge spielen Gewichtsprobleme eine nicht zu unterschätzende Rolle bei dem Auftreten von schweren Komplikationen durch COVID-19 und bei Menschen mit Fettleibigkeit kann eine Gewichtsabnahme das Risiko solcher Komplikationen deutlich reduzieren.
In der Studie hat das Forschungsteam der Cleveland Clinic nachgewiesen, dass eine vorherige Gewichtsabnahme durch eine bariatrische Operation bei Menschen mit Fettleibigkeit das Risiko für schwere Komplikationen durch COVID-19 um 60 Prozent reduziert. Die Ergebnisse der Studie wurden in der englischsprachigen Fachzeitschrift „JAMA Surgery“ publiziert.
Fettleibigkeit Risikofaktor für schwere COVID-19-Verläufe
Zahlreiche Studien haben bereits gezeigt, dass Fettleibigkeit ein wichtiger Risikofaktor für die Entwicklung schwerer Erkrankungen durch eine Infektion mit SARS-CoV-2 darstellt, so die Fachleute. Fettleibigkeit schwäche das Immunsystem, führe zu einem chronischen Entzündungszustand und erhöhe das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Blutgerinnsel und Lungenerkrankungen. Diese Erkrankungen können laut den Forschenden dazu führen, dass sich COVID-19 verschlimmert.
In der aktuellen Studie sollte nun überprüft werden, ob eine erfolgreiche Gewichtsreduzierung bei Personen mit Fettleibigkeit vor der Erkrankung an COVID-19 das Risiko schwerer Verläufe verringern kann, erläutert das Team.
Schutz vor schweren Folgen durch bariatrische Operation
„Die Forschungsergebnisse zeigen, dass Patienten mit Fettleibigkeit, die vor einer Erkrankung an COVID-19 durch eine bariatrische Operation einen erheblichen und nachhaltigen Gewichtsverlust erzielten, ihr Risiko einer schweren Erkrankung um 60 Prozent verringerten”, erläutert Studienautor Dr. Ali Aminian von der Cleveland Clinic in einer Pressemitteilung.
Adipositas modifizierbarer Risikofaktor für COVID-19
Die Studienergebnisse lassen laut dem Mediziner darauf schließen, dass Fettleibigkeit einen modifizierbarer Risikofaktor für COVID-19 darstellt, welcher durch eine erfolgreiche Gewichtsreduktion verbessert werden kann.
In der Studie wurden 20.212 erwachsene Personen mit einem medianen BMI (Body-Mass-Index) untersucht. Unter ihnen hatte eine Gruppe von 5.053 Personen zwischen dem Jahr 2004 und dem Jahr 2017 einen Magenbypass (Roux-en-Y-Magenbypass) oder eine Magenverkleinerung (Sleeve-Gastrektomie) zur Gewichtsreduktion erhalten. Als Vergleichsgruppe dienten die übrigen 15.159 Personen ohne Operation zur Gewichtsreduktion.
Zunächst sei festzuhalten, dass verglichen mit Teilnehmenden aus der Gruppe ohne chirurgischen Eingriff, Personen, welche sich einer bariatrischen Operation unterzogen hatten, vor dem 1. März 2020 19 Prozent mehr an Körpergewicht abnahmen, berichten die Forschenden.
Nach dem COVID-19-Ausbruch untersuchte das Team vier COVID-19-bezogene Ereignisse. Diese umfassten die Rate der SARS-CoV-2-Infektionen, Krankenhausaufenthalte, Bedarf an zusätzlichem Sauerstoff und schwere Erkrankungen (definiert als eine Kombination aus Einweisung in die Intensivstation, Notwendigkeit der mechanischen Beatmung oder Tod).
Besserer Schutz dank niedrigerem Gewicht
Die Fachleute stellten fest, dass die Rate der SARS-CoV-2-Infektionen in den beiden Gruppen ähnlich ausfiel (9,1 Prozent in der chirurgischen und 8,7 Prozent in der nicht-chirurgischen Gruppe). Aber die Teilnehmenden aus der Gruppe, die eine chirurgische Gewichtsreduktion erreicht hatte, zeigten deutlich weniger Komplikationen bei den COVID-19-Verläufen.
Auswirkungen der Gewichtsabnahme durch Operation
Personen, die zuvor für eine Gewichtsabnahme operiert wurden, wiesen ein um 49 Prozent geringeres Risiko für einen Krankenhausaufenthalt auf und ein um 63 Prozent geringeres Risiko, dass sie zusätzlichen Sauerstoff benötigen, berichten die Forschenden. Außerdem habe sich bei ihnen ein um 60 Prozent geringeres Risiko für die Entwicklung eines schweren COVID-19-Verlaufs gezeigt.
Die hierfür zugrunde liegenden Mechanischen sind zwar nicht bekannt, doch deuten die Daten laut Aussage der Fachleute darauf hin, dass Menschen, welche sich einer Operation zur Gewichtsabnahme unterzogen hatten, zum Zeitpunkt der Infektion mit SARS-CoV-2 gesünder waren, was sich dann in besseren klinischen Ergebnissen niederschlug.
„Die auffälligen Ergebnisse der aktuellen Studie belegen, dass die gesundheitlichen Folgen der Fettleibigkeit bei Patienten mit COVID-19 reversibel sind”, erläutert der Studienautor Dr. Steven Nissen von der Cleveland Clinic. So könne eine Schwerpunktsetzung auf die Gewichtsabnahme in der Strategie der öffentlichen Gesundheit die Folgen der COVID-19-Pandemie und zukünftiger Ausbrüche beziehungsweise ähnlicher Infektionskrankheiten abmildern.
Die Erkenntnisse seien vor dem Hintergrund, dass viele Menschen auf der Welt an Gewichtsproblemen leiden oder bereits Fettleibigkeit entwickelt haben, besonders relevant, da eine Gewichtsabnahme diese Personen effektiv vor einer schweren Erkrankung an COVID-19 zu schützen scheint, resümieren die Forschenden. (as)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Ali Aminian, Chao Tu, Alex Milinovich, Kathy E. Wolski, Michael W. Kattan, et al.: Association of Weight Loss Achieved Through Metabolic Surgery With Risk and Severity of COVID-19 Infection; in JAMA Surgery (veröffentlicht 29.12.2021), JAMA Surgery
- Cleveland Clinic: Association of Weight Loss Achieved Through Metabolic Surgery With Risk and Severity of COVID-19 Infection (veröffentlicht 29.12.2021), Cleveland Clinic
Wichtiger Hinweis:
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