Genveränderungen erhöhen Wahrscheinlichkeit für Fettlebererkrankung
Bei dem Begriff Fettleber denken viele Menschen sofort an Patientinnen und Patienten, die zu viel Alkohol konsumieren oder/und zu viel Ungesundes essen beziehungsweise zu dick sind. Doch auch Personen, die nicht übergewichtig sind und die sich gesund ernähren, können eine Fettlebererkrankung entwickeln. Forschende haben dazu nun neue Erkenntnisse gewonnen.
Laut einer aktuellen Mitteilung des Max-Planck-Instituts für molekulare Zellbiologie und Genetik hat eine neue Studie zwei Gene, die bisher als Ursache für Krebs bekannt waren, als Regulatoren für den Stoffwechsel in der Leber identifiziert. Veränderungen in diesen Genen beeinflussen demnach die Wahrscheinlichkeit an einer Fettleber zu erkranken. Die Studienergebnisse wurden nun in der Fachzeitschrift „Nature Communications“ veröffentlicht.
Identifizierung von Risikopersonen erleichtern
Die weltweite Epidemie von Adipositas (Fettleibigkeit) hat das Risiko erhöht, dass sich Fett in der Leber ansammelt, was eine Vorstufe zu Leberentzündungen und Lebererkrankungen ist. Ein immer noch verblüffendes Paradox ist aber die Entwicklung einer Fettleber bei schlanken und normal gewichtigen Personen und bei Menschen, die sich gesund ernähren.
Es ist bekannt, dass zwei Gene, RNF43 und ZNRF3, bei Leberkrebspatientinnen und -patienten mutiert sind. Ihre Rolle bei der Entstehung von Leberkrebs war aber bisher unbekannt. Forschende des Max-Planck-Instituts für molekulare Zellbiologie und Genetik (MPI-CBG) in Dresden berichten jetzt, dass ein Verlust oder eine Mutation dieser Gene bei nicht fettleibigen Mäusen, die normal ernährt werden, zu einer Anhäufung von Lipiden und Entzündungen in der Leber führt.
Den Angaben zufolge führen diese genetischen Veränderungen nicht nur zu einer vermehrten Ansammlung von Fett, sondern auch zu einer Vermehrung der Leberzellen (Hepatozyten). Bei Menschen erhöhen diese Veränderungen auch das Risiko, an nichtalkoholischer Steatohepatitis (NASH, entzündete Leber) und Fettleber zu erkranken, und verkürzen die Lebenserwartung der Betroffenen.
Die nun gewonnenen Erkenntnisse könnten die Identifizierung von Risikopersonen erleichtern und neue therapeutische Maßnahmen sowie eine bessere Behandlung der Krankheit ermöglichen.
Ursachen und Mechanismen von Lebererkrankungen
Die Leber ist unser zentrales Stoffwechselorgan, das für die Entgiftung und Verdauung unverzichtbar ist. Chronische Lebererkrankungen wie Zirrhose, nichtalkoholische Fettlebererkrankung (NAFLD) und NASH sowie Leberkrebs sind weltweit auf dem Vormarsch, wobei jedes Jahr zwei Millionen Menschen daran sterben.
Deswegen ist es wichtiger denn je, die Ursachen und die zugrunde liegenden molekularen Mechanismen von Lebererkrankungen zu verstehen, um der wachsenden Zahl der Erkrankten vorzubeugen, diese zu kontrollieren und zu behandeln.
In früheren genomischen Krebsstudien wurden RNF43 und ZNRF3 als Gene identifiziert, die bei Patientinnen und Patienten mit Darm- und Leberkrebs mutiert sind. Ihre Beteiligung an Lebererkrankungen ist jedoch noch nicht erforscht worden.
Die Forschungsgruppe von Meritxell Huch am MPI-CBG hat jetzt gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen am Gurdon Institute (Cambridge, UK) und an der Universität Cambridge die Mechanismen untersucht, bei denen die Veränderungen in diesen beiden Genen die Entstehung von Lebererkrankungen beeinflussen können.
Überlebenschancen untersucht
Um dieser Frage auf den Grund zu gehen, arbeiteten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit Mäusen als Tiermodell, mit Daten von Patientinnen und Patienten, mit menschlichem Gewebe und mit sogenannten Leberorganoid-Kulturen, das sind dreidimensionale zelluläre Mikrostrukturen aus Hepatozyten, die der Leber in einer Schale ähneln.
„Mit dem Organoid konnten wir Hepatozyten züchten, die nur in diesen Genen mutiert waren, und wir sahen, dass der Verlust dieser Gene ein Signal auslöst, das den Fettstoffwechsel reguliert“, erläutert Germán Belenguer, Erstautor der Studie und Postdoktorand in der Gruppe von Meritxell Huch.
„Dadurch ist der Fettstoffwechsel nicht mehr unter Kontrolle und es kommt zu einer Anhäufung von Lipiden in der Leber, was wiederum zu einer Fettleber führt. Außerdem führt das aktivierte Signal dazu, dass sich die Hepatozyten unkontrolliert vermehren. Beide Mechanismen zusammen begünstigen das Fortschreiten der Fettlebererkrankung und des Krebses.“
Die Forschenden verglichen dann die Ergebnisse aus den Experimenten mit Patientinnen- und Patientendaten in einem öffentlich zugänglichen Datensatz des Internationel Cancer Genome Consortium. Sie untersuchten die Überlebenschancen, wenn die beiden Gene bei Leberkrebserkrankten mutiert sind, und stellten fest, dass Patientinnen und Patienten mit diesen mutierten Genen eine Fettlebererkrankung aufweisen und eine schlechtere Prognose haben als Leberkrebsbetroffene, bei denen die beiden Gene nicht mutiert sind.
„Unsere Ergebnisse können dabei helfen, Personen mit einer RNF43/ZNRF3-Mutation zu identifizieren, die ein erhöhtes Risiko haben, eine Fettleber oder Leberkrebs zu entwickeln“, so Meritxell Huch. „Angesichts des weltweit alarmierenden Anstiegs von Fett- und Zuckerkonsum könnte es für therapeutische Maßnahmen und das Management der Krankheit wichtig sein, diejenigen Personen zu erkennen, die aufgrund ihrer genetischen Mutationen bereits dazu veranlagt sind, insbesondere in sehr frühen Stadien oder sogar vor Ausbruch der Krankheit“, fügt sie hinzu.
„Wir werden weitere Studien brauchen, um die Rolle der beiden Gene bei der menschlichen Fettlebererkrankung, bei NASH, und beim menschlichen Leberkrebs weiter zu charakterisieren und Therapeutika zu ermitteln, die jenen Patienten helfen könnten, die bereits von Natur aus dazu veranlagt sind, die Krankheit zu entwickeln.“ (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Max-Planck-Institut für molekulare Zellbiologie und Genetik: Entwicklung einer Fettlebererkrankung bei gesunder Ernährung, (Abruf: 17.01.2022), Max-Planck-Institut für molekulare Zellbiologie und Genetik
- German Belenguer, Gianmarco Mastrogiovanni, Clare Pacini, Zoe Hall, Anna M. Dowbaj, Robert Arnes-Benito, Aleksandra Sljukic, Nicole Prior, Sofia Kakava, Charles R Bradshaw, Susan Davies, Michele Vacca, Kourosh Saeb-Parsy, Bon-Kyoung Koo, Meritxell Huch: RNF43/ZNRF3 loss predisposes to hepatocellular-carcinoma by impairing liver regeneration and altering the liver lipid metabolic ground-state; in: Nature Communications, (veröffentlicht: 17.01.2022), Nature Communications
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.