Neuer Ansatz bei Diabetes und metabolischen Syndrom
Schätzungen zufolge soll bereits jede dritte erwachsene Person in Deutschland gefährdet sein, ein sogenanntes metabolisches Syndrom zu entwickeln. Dabei handelt es sich um eine ungünstige Kombination aus Typ-2-Diabetes, hohem Cholesterinspiegel sowie Fettablagerungen in der Leber und in der Körpermitte. Eine effektive Behandlung gibt es derzeit nicht – außer die Therapie der einzelnen Risikofaktoren. Ein neuer Wirkstoff soll nun mehrere Aspekte des Syndroms gleichzeitig verbessern.
Forschende der Washington University School of Medicine in St. Louis (USA) stellen eine neue Klasse von Wirkstoffen vor, die sich zur Behandlung von Diabetes und dem metabolischen Syndrom eignet.
Der Wirkstoff mit der Bezeichnung SN-401 soll zum einen die Fähigkeit der Bauchspeicheldrüse zur Insulinausschüttung verbessert und zum anderen Zucker effektiver aus dem Blutkreislauf entfernen. Vorgestellt wurden die Forschungsergebnisse kürzlich in dem renommierten Fachjournal „Nature Communications“.
Das „tödliche Quartett“
In Industrieländern wie Deutschland sind Risikofaktoren wie Übergewicht, Bluthochdruck, hohe Blutfettwerte sowie zu niedrige HDL-Cholesterinwerte weit verbreitet. Die Faktoren entwickeln sich oft aus einem Lebensstil heraus, der geprägt ist von Stress, Bewegungsmangel und ungesunder Ernährung.
Bei jedem dieser Merkmale handelt es sich im einzelnen betrachtet bereits um einen Risikofaktor für Veränderungen an den Blutgefäßen, der zu Durchblutungsstörungen und Schäden an lebenswichtigen Organen wie Herz, Gehirn oder Niere führen kann. Treten diese Risikofaktoren jedoch gemeinsam auf, befeuern sie sich gegenseitig und das Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall steigt an. Aus diesem Grund wird das metabolische Syndrom auch als „tödliches Quartett bezeichnet.
Neuer Wirkstoff verbessert Insulinausschüttung
Das amerikanische Forschungsteam der Washington University School of Medicine testete nun an Mäusen einen neuen Wirkstoffe mit der Bezeichnung SN-401, der mehrere Aspekte des metabolischen Syndroms gleichzeitig behandelt, indem er die Fähigkeit der Bauchspeicheldrüse zur Insulinausschüttung verbessert sowie die Fähigkeit anderer Gewebe erhöht, dieses Insulin zu nutzen, um den Zucker effektiver aus dem Blutkreislauf zu entfernen.
Das Schlüsselprotein SWELL1
Das Mittel ist aus der Grundlagenforschung des Proteins SWELL1 hervorgegangen, die eine neue Klasse von Wirkstoffen eröffnet hat. Laut der Arbeitsgruppe spielt der Abbau des Proteins eine zentrale Rolle bei der Entstehung von Diabetes und anderen Aspekten des metabolischen Syndroms.
„Unser Ziel ist es, bessere Therapien für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, einschließlich Diabetes und metabolischem Syndrom, zu entwickeln, die wichtige Risikofaktoren für die Verschlechterung von Herz- und Gefäßproblemen sind“, betont Medizin-Professor und Studienhauptautor Rajan Sah.
Hohes Risiko trotz vielfältigen Behandlungsmöglichkeiten
„Wir haben viele Behandlungsmöglichkeiten für Diabetes, aber selbst mit diesen Therapien bleiben Herz-Kreislauf-Erkrankungen eine der Haupttodesursachen bei Patienten mit Typ-2-Diabetes“, verdeutlicht der Professor. Es besteht ihm zufolge daher ein großer Bedarf an effektiveren Therapien.
Doppelwirkung von SWELL1
Der neue Wirkstoff könnte der erste Schritt in diese Richtung sein, denn das Protein SWELL1 übernimmt gleich zwei wichtige Aufgaben, von denen vermutet wurde, dass sie völlig unabhängig voneinander sind. SWELL1 trägt nämlich zum einen dazu bei, die Insulinausschüttung der Bauchspeicheldrüse zu kontrollieren und zum anderen die Insulinsensitivität zu verbessern – sowohl in der Skelettmuskulatur als auch im Fettgewebe.
„Dieses Protein, SWELL1, hat eine Art doppelte Persönlichkeit“, so Sah. Der Wirkstoff binde an SWELL1 auf eine Art und Weise, die den Proteinkomplex stabilisiert, so dass die Expression und die Signalübertragung in verschiedenen Geweben, einschließlich Fettgewebe, Skelettmuskulatur, Leber, der inneren Auskleidung von Blutgefäßen und Inselzellen der Bauchspeicheldrüse, verbessert werden, erklärt der Professor.
Wirkstoff verbesserte gleich mehrere Aspekte
Beim Einsatz an Mäusen verbesserte der Wirkstoff SN-401 mehrere Aspekte des metabolischen Syndroms. Die Behandlung verbesserte bei den Tieren die Insulinempfindlichkeit und -sekretion sowie den Blutzuckerspiegel. Darüber hinaus lagerte sich weniger Fett in der Leber an. Der Wirkstoff wurde den Tieren injiziert, doch die Forschenden halten auch eine orale Einnahme für möglich.
Im nächsten Schritt muss der Wirkstoff nun an Menschen getestet werden, um sein Potenzial als künftige Therapie gegen Typ-2-Diabetes und das metabolische Syndrom unter Beweis zu stellen. (vb)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Washington University School of Medicine in St. Louis: Diabetes, metabolic syndrome in mice treated with novel class of compounds (veröffentlicht: 11.02.2022), medicine.wustl.edu
- Gunasekar, S.K., Xie, L., Kumar, A. et al. Small molecule SWELL1 complex induction improves glycemic control and nonalcoholic fatty liver disease in murine Type 2 diabetes. Nat Commun 13, 784 (2022). https://doi.org/10.1038/s41467-022-28435-0, nature.com
- Deutsche Adipositas-Gesellschaft (DAG) e.V.: Vom „Wohlstandsyndrom“ zum „metabolischen Syndrom“ (Abruf: 12.02.2022), adipositas-gesellschaft.de
- Helmholtz Zentrum München: Was ist das Metabolische Syndrom? (Stand: 09.01.2020), diabinfo.de
Wichtiger Hinweis:
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