Corona-Impfstoffe könnten auch vor Erkältungsviren schützen
Milliarden Menschen weltweit sind inzwischen gegen die durch das Coronavirus SARS-CoV-2 ausgelöste Krankheit COVID-19 geimpft. Die Corona-Impfung könnte laut neuesten Erkenntnissen auch einen gewissen Schutz vor Erkältungen bieten.
Frühere wissenschaftliche Untersuchungen haben gezeigt, dass harmlose Erkältungs-Coronaviren vor COVID-19 schützen können. Nun berichten Forschende, dass die COVID-Impfung auch einen gewissen Schutz vor Erkältungen bieten könnte.
- Alle in der Europäischen Union (EU) zugelassenen Corona-Impfstoffe schützen effizient vor schweren COVID-19-Verläufen.
- Diese Vakzine könnten auch Erkältungs-Coronaviren hemmen, die mit SARS-CoV-2 verwandt sind.
- Forschende haben nun nachgewiesen, dass COVID-Impfungen die neutralisierende Aktivität gegen Erkältungs-Coronaviren erhöhen.
Unterschiedliche Coronaviren im Umlauf
Wie das Universitätsklinikum Ulm in einer aktuellen Mitteilung schreibt, gibt es neben dem Erreger SARS-CoV-2 mindestens sechs weitere Coronaviren, die Menschen infizieren. Darunter sind die Auslöser der lebensbedrohlichen Erkrankungen SARS und MERS, jedoch auch relativ harmlose und weit verbreitete Erkältungsviren.
„Die unterschiedlichen Coronaviren ähneln sich im Aufbau des Spike-Proteins, das an menschliche Zellen bindet und somit deren Infektion ermöglicht. Alle COVID-Impfungen nutzen dieses Protein von SARS-CoV-2 zur Immunisierung“, erläutert Professor Frank Kirchhoff, Leiter des Ulmer Instituts für Molekulare Virologie
Ausgehend von diesen Ähnlichkeiten haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Universitätsklinikums Ulm sowie der Universität Amsterdam untersucht, ob eine Impfung gegen SARS-CoV-2 die Immunantwort gegen saisonale Erkältungs-Coronaviren beeinflusst (hCoV-OC43, hCoV-NL63 und hCoV-229E). Sie konnten einen gewissen Schutzeffekt nachweisen.
Blutproben von kleiner Kohorte
Für die Studie, die in dem Fachblatt „Journal Clinical Infectious Diseases“ veröffentlicht wurde, spendeten 24 Probandinnen und Probanden zwei Mal Serum: Die erste Blutabnahme erfolgte vor einer Kreuzimpfung mit den Vakzinen von AstraZeneca und BioNTech/Pfizer; die zweite zwei Wochen nach der vollständigen Impfung.
Mit diesen Proben haben die Forscherinnen und Forscher Neutralisations-Experimente durchgeführt: Sie untersuchten dabei, wie effektiv die Seren die Infektion von Zellen durch verschiedene Coronaviren hemmen.
„Um mögliche Effekte der COVID-19-Impfung nachzuweisen, haben wir zunächst die neutralisierende Wirkung der Seren analysiert, die vor der Impfung abgegeben wurden. Die Ergebnisse wurden dann mit der Neutralisierungs-Effizienz unterschiedlicher Coronaviren nach der Kreuzimpfung verglichen“, erklären Jan Lawrenz und Qinya Xie.
Die Forschenden haben die Virusvermehrung in den Blutproben anhand der Produktion von viraler Erbsubstanz sowie Proteinen bestimmt.
Neutralisierende Aktivität gegen Coronaviren
Um auch die Hemmung der hochpathogenen SARS-CoV-1- und MERS-Coronaviren untersuchen zu können, stellten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in einem zweiten Schritt nicht vermehrungsfähige Viruspartikel her.
Den Angaben zufolge wurden diese Partikel mit den Spike-Proteinen der Erreger von SARS, MERS und COVID-19, aber auch von Erkältungs-Coronaviren ausgestattet. Untersuchungen mit diesen sogenannten „pseudotypisierten“ Viruspartikeln bestätigten laut den Fachleuten die vorherigen Ergebnisse mit den vermehrungsfähigen Coronaviren.
Insgesamt zeigten die Seren aller Studienteilnehmenden schon vor der ersten Impfung eine neutralisierende Aktivität gegenüber den Erkältungs-Coronaviren hCoV-OC43 und hCoV-NL63 – sowie eine schwächere Hemmung von hCoV-229E. Die neutralisierende Wirkung gegen diese Coronaviren steigerte sich nach der Kreuzimpfung um das 1,5- bis 4-fache.
Durch die Impfung gebildete Antikörper hemmten aber nicht nur den pandemischen Erreger SARS-CoV-2, sondern auch das eng verwandte hochaggressive Virus SARS-CoV-1.
Keine wirksame Verhinderung von Erkältungen
„Unsere Studie zeigt, dass die COVID-Impfung die neutralisierende Aktivität der Seren gegen saisonale Coronaviren verstärkt“, so Dr. Janis Müller, Wissenschaftler am Ulmer Institut für Molekulare Virologie.
„Dabei stellt sich die Frage, ob Antikörper gegen das SARS-CoV-2 Spike-Protein mit den anderen Coronaviren ,kreuzreagieren‘, oder ob die Impfung bereits vorhandene B-Zellen gegen Erkältungsviren reaktiviert. Die vorläufigen Daten deuten darauf hin, dass die Reaktivierung vorhandener B-Zellen eine relevante Rolle spielt.“
Letztlich glauben die Forscherinnen und Forscher aber nicht, dass COVID-19-Impfungen saisonale Erkältungen wirksam verhindern können – dafür ist die erworbene Immunität wahrscheinlich zu schwach und kurzfristig.
Die Schutzimpfung könnte jedoch Häufigkeit, Dauer und Schwere solcher Atemwegsinfektionen günstig beeinflussen. In welchem Maße das geschieht, müssen weitere Studien klären. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Universitätsklinikum Ulm: COVID-Impfung könnte Erkältungen ausbremsen, (Abruf: 13.02.2022), Universitätsklinikum Ulm
- Jan Lawrenz, Qinya Xie, Fabian Zech, Tatjana Weil, Alina Seidel, Daniela Krnavek, Lia van der Hoek, Jan Münch, Janis A Müller, Frank Kirchhoff: SARS-CoV-2 Vaccination boosts Neutralizing Activity against Seasonal Human Coronaviruses; in: Journal Clinical Infectious Diseases, (veröffentlicht: 25.01.2022), Journal Clinical Infectious Diseases
Wichtiger Hinweis:
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