Long-COVID: Antihistaminika können helfen
Viele Menschen, die sich mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 infiziert hatten, leiden noch Wochen oder Monate nach einer überstandenen COVID-19-Erkankung an Beschwerden wie Atemnot und Schwindel. Eine Therapie gegen diese Langzeitfolgen, die als Long-COVID bezeichnet werden, gibt es bislang nicht. Jetzt gibt es aber Hinweise, dass Antihistaminika Betroffenen helfen können.
Antihistaminika können Millionen von Menschen, die unter den schmerzhaften, schwächenden Symptomen von Long-COVID leiden, Linderung verschaffen. Das ist die Schlussfolgerung von Fallberichten über die Erfahrungen mit zwei solcher Patientinnen, der von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der University of California in Irvine (UCI) mitverfasst wurde.
Hoffnung für Millionen Betroffene
Wie es in einer Mitteilung der UCI heißt, reichen die Auswirkungen von COVID-19 von leichten Symptomen über eine mehrwöchige Krankheit bis hin zu Beschwerden wie Hirnnebel, Gelenkschmerzen, Belastungsintoleranz und Müdigkeit, die Monate nach der Erstinfektion anhalten können.
Gesundheitliche Langzeitfolgen, die nach einer akuten Erkrankung an COVID-19 vorhanden sein können, werden auch als Long-COVID bezeichnet. Dafür gibt es derzeit noch keine Standardbehandlung.
„Patienten sagen uns, dass sie sich mehr als alles andere wünschen, dass sie arbeiten und die grundlegendsten Aktivitäten ausführen können, die sie früher gemacht haben, bevor sie an Long-COVID erkrankten“, erläutert die korrespondierende Autorin des Berichts, Melissa Pinto, außerordentliche Professorin für Krankenpflege an der UCI.
„Sie suchen verzweifelt nach etwas, das ihnen hilft, wieder auf die Beine zu kommen“, so die Wissenschaftlerin. „Derzeit gibt es keine Heilung für Long-COVID, sondern nur eine Symptombehandlung. Es werden eine Reihe von Optionen ausprobiert, darunter Antihistaminika“, sagt Prof. Pinto.
„Die Möglichkeit, dass ein leicht zugängliches, rezeptfreies Medikament einige der Long-COVID-Symptome lindern könnte, sollte den geschätzten 54 Millionen Menschen weltweit, die seit Monaten oder sogar Jahren in Not sind, Hoffnung geben.“
Berichte über zwei Patientinnen
Die kürzlich in der Fachzeitschrift „Journal for Nurse Practitioners“ veröffentlichten Fallberichte beschreiben zwei gesunde, aktive Frauen mittleren Alters mit Long-COVID, die zufällig feststellten, dass Antihistaminika zu einer starken Verbesserung des Gesundheitszustandes führten, der jetzt fast ein Jahr lang anhält.
Beide nahmen rezeptfreie Antihistaminika ein, um andere Erkrankungen zu behandeln – die erste hatte ihre Milchallergie durch den Verzehr von Käse ausgelöst, und der anderen waren die Allergiemedikamente ausgegangen, die sie normalerweise einnahm. Am nächsten Morgen stellten sie fest, dass sich ihre Wahrnehmung verbessert hatte und sie weniger müde waren.
Zu den Long-COVID-Symptomen der ersten Frau gehörten auch Belastungsintoleranz, Brustschmerzen, Kopfschmerzen, Hautausschlag und Blutergüsse, während die zweite mit Gelenk- und Bauchschmerzen sowie den als „COVID-Zehen“ bekannten Hautausschlägen und Läsionen zu kämpfen hatte.
Im ersten Fall nahm die Frau 72 Stunden lang kein weiteres Antihistaminikum ein. Als ihre Symptome wieder auftauchten, nahm sie das Medikament und fand erneut Linderung.
Unter Anleitung ihres Hausarztes, der ihr ein Antihistaminikum verschrieb, begann sie mit einer täglichen Dosis, die ihre anderen Long-COVID-Symptome deutlich verringert hat. Sie berichtete, dass sie 90 Prozent ihrer täglichen Funktion von vor COVID-19 wiedererlangt habe.
Long-COVID-Symptome deutlich reduziert
Im zweiten Fall nahm die Frau ein anderes rezeptfreies Antihistaminikum als Ersatz für das, was sie jahrelang zur Behandlung ihrer saisonalen Allergien eingenommen hatte. Nachdem sie feststellte, dass sich ihre Long-COVID-Müdigkeit und ihre Wahrnehmung verbessert hatten, nahm sie es weiterhin täglich zusammen mit anderen Allergiemedikamenten ein.
Ihr Behandlungsverlauf, der jetzt beide rezeptfreien Medikamente umfasst, hat auch ihre zusätzlichen Long-COVID-Symptome deutlich reduziert. Sie berichtete, dass sie 95 Prozent ihrer Funktionsfähigkeit von vor der Krankheit wiedererlangt habe.
Frühere Studien, darunter die in den Fachblättern „Journal of Investigative Medicine“ und „Pulmonary Pharmacology & Therapeutics“ veröffentlichten Arbeiten, haben ebenfalls den potenziellen Nutzen von Antihistaminika bei der Behandlung von Long-COVID gezeigt.
Nicht ohne ärztliche Aufsicht ausprobieren
„Die meisten Patienten sagen uns, dass ihre Ärzte nichts empfohlen haben, was geholfen hat. Wenn Patienten rezeptfreie Antihistaminika ausprobieren möchten, fordere ich sie dringend auf, dies unter ärztlicher Aufsicht zu tun“, rät Pinto.
„Und da Ärzte möglicherweise nichts über neue potenzielle Behandlungen wissen, möchte ich Patienten ermutigen, sich aktiv um sie zu kümmern und in Betracht zu ziehen, Forschungs- und Fallberichte wie den unseren zu Terminen mit Ärzten mitzunehmen, damit sie helfen können, eine Behandlung zu entwickeln, die funktioniert “, so die Expertin.
„Die nächsten Schritte für diese Forschung zur Behandlung mit Antihistaminika sind die Durchführung breit angelegter Studien zur Bewertung der Wirksamkeit und die Entwicklung von Dosierungsplänen für Leitlinien für die klinische Praxis.“ (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- University of California: Antihistamines show promise in treating long COVID-19 symptoms, UC Irvine case report says, (veröffentlich 08.02.2022)
- Melissa D. Pinto, Natalie Lambert, Charles A. Downs, Heather Abrahim, Thomas D. Hughes, Amir M. Rahmani, Candace W. Burton, Rana Chakraborty: Antihistamines for Postacute Sequelae of SARS-CoV-2 Infection; in: Journal for Nurse Practitioners, (veröffentlicht: 07.02.2022), Journal for Nurse Practitioners
- Paul Glynne, Natasha Tahmasebi, Vanya Gant, Rajeev Gupta: Long COVID following mild SARS-CoV-2 infection: characteristic T cell alterations and response to antihistamines; in: Journal of Investigative Medicine, (veröffentlicht: 05.10.2021), Journal of Investigative Medicine
- Reed B. Hogan II, Reed B. Hogan III, Tim Cannon, Maria Rappai, John Studdard, Doug Paul, Thomas P. Dooley: Dual-histamine receptor blockade with cetirizine - famotidine reduces pulmonary symptoms in COVID-19 patients; in: Pulmonary Pharmacology & Therapeutics, (veröffentlicht: 29.08.2020), Pulmonary Pharmacology & Therapeutics
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.