Diabetes: Forschende berichten über neuartige Messmethode
Millionen Menschen, die an Diabetes leiden, müssen regelmäßig ihren Blutzucker messen oder messen lassen. Zur Messung des Zuckerspiegels im Blut oder Urin stehen verschiedene Methoden zur Verfügung. Forschende berichten nun über eine neuartige Alternative für die Blutzucker-Messung.
Ein interdisziplinäres Forschungsteam der Technischen Universität (TU) Bergakademie Freiberg hat aus einem bio-basierten Werkstoff ein neuartiges Sensormaterial entwickelt, das eine enzymfreie Messung der Glukosekonzentration im Blut ermöglichen könnte.
Teststreifen werden entsorgt
Wer mit Diabetes lebt, kommt ohne die Teststreifen für die Messung des Blutzuckerspiegels nicht aus. Die Streifen enthalten Enzyme, die mit der Glukose im Blut reagieren.
„Einmal angewendet, funktioniert die herkömmliche photometrische oder elektrochemische Messung mit Hilfe der Enzyme nicht mehr und der Teststreifen wird entsorgt“, erläutert Prof. Yvonne Joseph von der TU Bergakademie Freiberg in einer aktuellen Mitteilung.
„Enzyme sind Proteine, die biochemische Reaktionen auslösen. Als Eiweiße sind sie allerdings nicht temperaturstabil“, erklärt die Professorin für Elektronik- und Sensormaterialien weiter.
Gemeinsam mit ihrem Team hat sich die Wissenschaftlerin auf die Suche nach einem alternativen Sensormaterial begeben.
Mit einem Mineral versehener Badeschwamm
Fündig geworden ist sie im Labor ihres Kollegen, Prof. Hermann Ehrlich. Der Experte für Biomimetik entwickelt bereits seit mehreren Jahren neuartige bio-basierte Werkstoffe mit Potenzial für die Sensorik.
Wie in der Mitteilung erklärt wird, kam ein mit dem Mineral Atacamit versehener Badeschwamm für die Glukose-Messung in Frage. „Die einzigartige Struktur des mikroporösen 3D-Schwammgerüsts fördert effizient die Aktivität von Atacamit als Elektrokatalysator“, so die wissenschaftliche Mitarbeiterin Dr. Parvaneh Rahimi.
„Daher können Glukosemoleküle schnell und einfach in das poröse 3D-Netzwerk diffundieren, was die Elektronenübertragung zwischen Glukose und Atacamit erleichtert und zu den leistungsstarken Eigenschaften des Glukosesensors führt,“ sagt die Forscherin.
Sie zerkleinerte das Sensormaterial aus dem Schwamm und versetzte es dann mit Kohlenstoff als elektrischem Leitmaterial und Paraffin-Öl als Binder. Dann brachte die Wissenschaftlerin die homogene Paste auf einen Teflonhalter auf, der als Elektrodenkörper diente.
Wenn Dr. Parvaneh Rahimi die Elektrode mit dem neuartigen Funktionsmaterial nun in eine Glukoselösung tauchte, diffundierten die Zuckermoleküle in den porösen beschichteten Schwamm. Sie reagierten an dessen Oberfläche und gaben Elektronen ab, was zu einem messbaren Stromfluss führte.
Beide Tests haben sich als langzeitstabil erwiesen
Das Team testete die neuartige Messmethode in zwei Schritten; mit einer glukose-haltigen Lösung sowie mit drei verschiedenen Blutproben anonymer Spenderinnen und Spender aus einer Freiberger Arztpraxis.
„Beide Tests erwiesen sich als langzeitstabil. Das heißt, sie ergaben über den Zeitraum von einem Monat dasselbe Messergebnis. Als Sensor wäre das Material also wiederverwendbar“, erklärt Prof. Yvonne Joseph.
Bis zu einer möglichen Anwendung in Teststreifen für Diabetesmanagement müsste das neuartige Sensormaterial aber erst weitere Tests sowie klinisch-pharmakologische Studien durchlaufen.
Die Studienergebnisse wurden in der Fachzeitschrift „ACS Applied Bio Materials“ veröffentlicht.
Hintergrundinformationen
Laut einer früheren Mitteilung entwickelten die Forschenden der TU Bergakademie Freiberg aus einem gezüchteten marinen Schwamm den Werkstoff Sponging-Atacamit.
Wenn die Fasern des Badeschwamms mit einer kupferhaltigen Ammoniaklösung reagieren, entsteht das Mineral Atacamit. Den Angaben zufolge heftete sich dieses Mineral, das in der Natur nur sehr selten vorkommt, so stark an die Schwammfasern, dass ein robustes Material entsteht.
Wie es in der Mitteilung heißt, wurden für die Erforschung des neuartigen Werkstoffs aus in Tunesien gezüchteten Schwämmen keine Experimente an lebenden Organismen durchgeführt.
Bei Zucht und Ankauf der verwendeten Schwämme wurden demnach alle Vorgaben des Nagoya-Protokolls für den Zugang zu genetischen Ressourcen und gerechten Vorteilsausgleich eingehalten. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Technische Universität Bergakademie Freiberg: Sensor aus neuartigem Material bietet Alternative für Blutzucker-Messung, (Abruf: 22.02.2022), Technische Universität Bergakademie Freiberg
- Sedigheh Falahi, Alaa Jaafar, Iaroslav Petrenko, Mashaalah Zarejousheghani, Hermann Ehrlich, Parvaneh Rahimi & Yvonne Joseph: High-Performance Three-Dimensional Spongin–Atacamite Biocomposite for Electrochemical Nonenzymatic Glucose Sensing; in: ACS Applied Bio Materials, (veröffentlicht: 10.01.2022), ACS Applied Bio Materials
- Technische Universität Bergakademie Freiberg: Filtern statt Duschen: Forschende entwickeln neuen Werkstoff aus Badeschwamm, (Abruf: 22.02.2022)
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.