Psychische Beschwerden nach einer COVID-19-Erkrankung
Bei vielen Menschen, die sich mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 infiziert haben, kommt es auch noch nach der COVID-19-Erkrankung zu Beschwerden – und zwar nicht nur zu körperlichen, sondern auch zu psychischen. Eine Studie liefert dazu nun neue Erkenntnisse.
Viele Menschen, die an COVID-19 erkrankt waren, berichten auch nach überstandener Erkrankung von einer schlechteren Lebensqualität. So nehmen unter anderem Depressionen und Angststörungen zu. Forschende haben jetzt Risikofaktoren für psychische Beschwerden nach einer SARS-CoV-2-Infektion ermittelt.
Mentaler Stress als Risikofaktor
Wer viel psychischen Stress hat, leidet nach einer zuhause auskurierten Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 häufiger an Symptomen einer Depression oder Angststörung, berichtet die Medizinische Universität Innsbruck in einer aktuellen Mitteilung.
Den Angaben zufolge spielt dabei der Auslöser für den Stress – ob Corona und die damit verbundenen Maßnahmen oder andere Faktoren – keine Rolle. Es geht zum Beispiel um finanzielle oder gesundheitliche Sorgen, Probleme in Arbeit und Ausbildung oder Belastung durch die Versorgung der Kinder oder in der Beziehung.
Dies ist die zentrale Erkenntnis einer Zwischenauswertung der großen, multidisziplinären Online-Befragung „Gesundheit nach COVID-19“ die von der Pneumologin Judith Löffler-Ragg (Univ.-Klinik für Innere Medizin II) initiiert wurde.
Unter Anleitung von Psychiaterin Katharina Hüfner von der Univ.-Klinik für Psychiatrie II untersuchte das Studienteam die Fragebögen hinsichtlich der psychischen Gesundheit nach COVID-19 und analysierte dabei den möglichen Einfluss von über 200 abgefragten Faktoren. Die Studienergebnisse wurden in dem Fachjournal „Frontiers in Medicine“ veröffentlicht.
Wer ein besonders hohes Risiko hat
Ziel der Fachleute war es, herauszufinden, welche Betroffenen ein besonders hohes Risiko haben, nach einer ambulant durchgemachten COVID-19-Erkrankung eine psychische Beeinträchtigung zu entwickeln.
„Die Post-COVID Leitlinien besagen, dass es wahrscheinlich wirksam ist, psychische Folgen möglichst früh abzufangen. Um präventiv reagieren zu können, müssen wir jedoch wissen, auf welche Gruppe von Menschen wir besonders schauen müssen, weil sie ein hohes Risiko hat“, erläutert Hüfner, die auch Erstautorin der vorliegenden Studie ist.
Neben psychosozialem Stress als weitaus stärksten Risikofaktor identifizierten die Forschenden der Medizinischen Universität Innsbruck weitere wichtige Marker für die Entwicklung psychischer Erkrankungen infolge einer SARS-CoV-2-Infektion.
Das Risiko für psychische Folgen erhöht sich etwa mit der Anzahl der akuten und subakuten (solche die nach zwei bis vier Wochen noch bestehen) Krankheitssymptome, wie zum Beispiel Husten, Schnupfen, Halsschmerzen, Durchfall, Übelkeit, Fieber aber auch Schlafstörungen.
Neurokognitive Symptome, wie beispielsweise Vergesslichkeit, Verwirrtheit und Konzentrationsstörungen während der akuten Infektion oder auch im subakuten Stadium sind ein weiterer Risikofaktor dafür, psychische Beeinträchtigungen zu entwickeln.
„Es ist denkbar, dass beispielsweise persistierende Entzündungsprozesse oder eine Schädigung der Stützzellen (Zellen, welche die Nervenzellen stützen und umgeben, Anm.) im Gehirn hier eine Rolle spielen“, erklärt die Wissenschaftlerin.
Zwar hat sich gezeigt, dass Menschen, die in der Vergangenheit bereits einmal eine Depression oder Angststörung hatten, ein höheres Risiko haben. „Der Einfluss ist aber längst nicht so stark, wie jener der genannten Risikofaktoren, allen voran mentaler Stress. Der Einfluss von Alter, Geschlecht und sozioökonomischen Status sind dem ebenfalls untergeordnet.“
Psychische Gesundheit und Lebensqualität beeinträchtigt
Für die Untersuchung werteten die Expertinnen und Experten die Fragebögen von 1.157 Personen in Tirol und 893 in Südtirol aus, die im Zeitraum vom 30. September 2020 bis 11. Juli 2021 an der „Gesundheit nach COVID 19“-Onlinebefragung teilgenommen hatten.
12,4 Prozent der Teilnehmenden in Tirol und 19,3 Prozent in Südtirol hatten angegeben post COVID an Angstzuständen zu leiden, 17,3 Prozent der Befragten in Tirol sowie 23,2 Prozent in Südtirol zeigten depressive Symptome. Jeweils über ein Fünftel aller Befragten sahen ihre allgemeine psychische Gesundheit und ihre Lebensqualität beeinträchtigt.
In Anbetracht der Studienergebnisse ermutigt Hüfner Betroffene, sich bei anhaltender psychischer Belastung professionellen Rat zu holen. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Medizinische Universität Innsbruck: Mentaler Stress ist Risikofaktor Nummer Eins für psychische Beschwerden nach COVID-19, (Abruf: 15.03.2022), Medizinische Universität Innsbruck
- Hüfner K, et. al.: Who Is at Risk of Poor Mental Health Following Coronavirus Disease-19 Outpatient Management?; in: Frontiers in Medicine, (veröffentlicht: 14.03.2022), Frontiers in Medicine
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.