Behandlung reduziert vorhandene Metastasen um 87 Prozent
Mit einem neu erprobten Ansatz ist es möglich, Bauchspeicheldrüsenkrebs für das Immunsystem besser identifizierbar zu machen, wodurch die Tumore wesentlich anfälliger gegenüber therapeutischen Interventionen werden. So könnten zukünftig die Überlebenschancen der Betroffenen deutlich verbessert werden.
In einer aktuellen Untersuchung unter Beteiligung des Albert Einstein College of Medicine wurde festgestellt, dass eine Behandlung mit einem neuartigen Ansatz, der auf der Tetanusimpfung aufbaut, bei Bauchspeicheldrüsenkrebs die Tumorlast um 80 Prozent und vorhandene Metastasen um 87 Prozent reduziert – zumindest bei Mäusen.
Die entsprechenden Ergebnisse wurden in der englischsprachigen Fachzeitschrift „Science Translational Medicine“ publiziert.
Checkpoint-Inhibitoren gegen Bauchspeicheldrüsenkrebs
„Die heutigen Checkpoint-Inhibitoren wirken gut gegen einige Krebsarten, helfen aber nur selten Menschen mit Bauchspeicheldrüsenkrebs“, erläutert Studienautorin Dr. Claudia Gravekamp vom Albert Einstein College of Medicine in einer Pressemitteilung.
Warum Bauchspeicheldrüsenkrebs schwer zu behandeln ist
Problematisch bei der Behandlung von Bauchspeicheldrüsentumoren ist laut der Expertin, dass diese nicht die Aufmerksamkeit des Immunsystems erregen, weil sie nicht fremdartig genug erscheinen. Zusätzlich sind die Tumore normalerweise in der Lage, jegliche Immunreaktion zu unterdrücken.
Die neu entwickelte Therapie könnte aber zu einer erfolgreiche Behandlung beitragen, indem dem Immunsystem ein Angriff auf diese Tumore ermöglicht wird.
Welche Rolle spielt die Tetanusimpfung?
Die neuen Behandlungsstrategie nutzt die Tatsache, dass eigentlich alle Menschen bereits im Kindesalter gegen Tetanus geimpft werden. Tetanus wird durch ein Protein verursacht, welches Clostridium-Bakterien absondern.
Wenn Menschen gegen Tetanus geimpft wurden, zeigen sie eine starke Immunreaktion, wenn sie später dem hochgradig fremden Tetanustoxin ausgesetzt sind. Dies ist darauf zurückzuführen, dass Tetanus-spezifische Gedächtnis-T-Zellen nach einer Impfung das gesamte Leben im Blutkreislauf zirkulieren, erläutert die Medizinerin.
Immunantwort gegen Bauchspeicheldrüsenkrebszellen
Indem das Team Bakterien infizierte, welche Tetanustoxin in Zellen einschleusen, wurde eine starke und spezifische Immunantwort gegen Bauchspeicheldrüsenkrebszellen ausgelöst.
Dafür impften die Fachleute die Mäuse genau mit dem Tetanusimpfstoff, der auch Menschen verabreicht wird. Die Tiere in dem verwendeten Modell litten unter Bauchspeicheldrüsenkrebs. Es handelte sich also um Mäuse mit menschlichen Bauchspeicheldrüsentumoren.
Danach fusionierte das Team das Gen, welches für das Tetanustoxin kodiert, mit nicht krankheitsverursachenden Listeria monocytogenes-Bakterien. Diese Bakterien sind sehr gut in der Lage, Zellen zu infizieren und sich in Geweben auszubreiten.
Um die Tumore zu infizieren und quasi zu tetanisieren, injizierten die Forschenden schließlich die Bakterien mit ihrer Tetanus-Gen-Ladung in die Tumor tragenden Tiere.
Ausnutzung der Immunsuppression durch Krebs
„Die Listeria-Bakterien sind recht schwach und werden vom Immunsystem von Menschen und Tieren leicht abgetötet – und zwar überall, außer in den Tumorgebieten“, so Dr. Gravekamp. Die neue Behandlungsstrategie baut darauf auf, dass Bauchspeicheldrüsentumore sehr gut in der Lage sind, das Immunsystem zu unterdrücken, um sich so selbst zu schützen.
Kein Schaden an gesunden Zellen
Das Team betont, dass nur die Listerien in der Tumorregion lange genug überleben, um die Tumorzellen der Bauchspeicheldrüse zu infizieren, und dass die gesunden Zellen durch das Verfahren nicht infiziert werden.
Starke Immunreaktion ausgelöst
Wenn die Listerien-Bakterien die Tumorzellen infiziert haben, exprimierten ihre Tetanus-Toxin-Gene das Tetanus-Toxin-Protein in den Tumorzellen, erklären die Fachleute. Dies habe eine starke Immunreaktion ausgelöst.
Das Tetanus-Toxin aktivierte bereits vorhandene Tetanus-spezifische Gedächtnis-T-Zellen und veranlasste sogenannte CD4-T-Zellen, die infizierten Tumorzellen anzugreifen und abzutöten, berichten die Forschenden weiter.
Die T-Zell-Reaktionen wurden durch die Zugabe niedriger Dosen von Gemcitabin verstärkt. Dabei handelt es sich um eine Chemotherapeutikum, welches die Immunsuppression reduziert.
Durch eine solche Behandlung schrumpfte die Größe der vorhandenen Bauchspeicheldrüsentumore bei den Mäusen um durchschnittlich 80 Prozent, so das Team. Zusätzlich sei auch die Anzahl an vorhandenen Metastasen bei den Tieren um deutliche 87 Prozent zurückgegangen.
Verglichen mit unbehandelten Tieren, überlebten mit dem neuen Ansatz behandelte Mäuse 40 Prozent länger.
Immuntherapie für Bauchspeicheldrüsen- und Eierstockkrebs
Diese Ergebnisse deuten laut Aussage von Dr. Gravekamp darauf hin, dass der neue Ansatz eine effektive Immuntherapie für Bauchspeicheldrüsenkrebs und andere Krebsarten wie beispielsweise Eierstockkrebs ermöglichen könnte. (as)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Benson Chellakkan Selvanesan, Dinesh Chandra, Wilber Quispe-Tintaya, Arthee Jahangir, Ankur PatelKiran Meena: Listeria delivers tetanus toxoid protein to pancreatic tumors and induces cancer cell death in mice; in: Science Translational Medicine (veröffentlicht 23.03.2022 Vol. 14, No. 637), Science Translational Medicine
- Albert Einstein College of Medicine: Novel Therapeutic Strategy Shows Promise Against Pancreatic Cancer (veröffentlicht 23.03.2022), Albert Einstein College of Medicine
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.