Arthritis: Künstliche Intelligenz zur Diagnoseunterstützung
Es gibt zahlreiche rheumatisch-entzündliche Gelenkerkrankungen. Eine frühe Diagnose und ein rascher Behandlungsbeginn können helfen, die Schmerzen zu lindern und das Fortschreiten der Erkrankungen zu verlangsamen oder aufzuhalten. Künstliche Intelligenz kann dabei helfen, Arthritis früh zu erkennen.
Es gibt eine Vielzahl von rheumatischen Erkrankungen, erklärt das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) auf seinem Portal „gesundheitsinformation.de“. Die Krankheiten schreiten meist über viele Jahre langsam voran. Künstliche Intelligenz (KI) kann bei der frühen Diagnose helfen, berichten Forschende nun in dem Fachmagazin „Frontiers in Medicine“.
Genaue Diagnose fällt derzeit noch schwer
Arthritis ist nicht gleich Arthritis. Aber die Diagnose, unter welcher Art von Entzündungskrankheit die Gelenke genau leiden, fällt nicht immer leicht.
In einem interdisziplinären Forschungsprojekt der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) und des Universitätsklinikums Erlangen konnten Forschende laut einer aktuellen Mitteilung einem künstlichen neuronalen Netzwerk beibringen, zwischen rheumatoider Arthritis, Psoriasis-Arthritis und gesunden Gelenken zu unterscheiden.
Im Rahmen des Projekts „Molekulare Charakterisierung der Remission von Arthritis“ (MASCARA) stellte sich ein Team unter der Leitung von Prof. Andreas Maier und Lukas Folle, Lehrstuhl für Informatik 5 (Mustererkennung) an der FAU, sowie von PD Dr. Arnd Kleyer und Prof. Dr. Georg Schett von der Medizin 3 des Uni-Klinikums Erlangen die Fragen:
Kann KI anhand von Gelenkformen verschiedene Arten von Arthritis erkennen? Und ist es so auch möglich, bei Fällen von undifferenzierter Arthritis eine genauere Diagnose zu machen? Gibt es außerdem bestimmte Bereiche in Gelenken, auf die sich Fachleute bei einer Diagnose konzentrieren können?
Aktuell erschweren fehlende Biomarker oft eine genaue Klassifizierung der jeweiligen Arthritisform. Zu Hilfe genommene Röntgenaufnahmen können ebenfalls nicht für hundertprozentige Sicherheit sorgen, denn ihre Zweidimensionalität ist nicht genau genug, lässt also Raum für Interpretationen.
Hinzu kommt, dass die richtige Positionierung des zu untersuchenden Gelenks für das Röntgenbild häufig schwierig sein kann.
Fokus auf Fingergrundgelenken
Um Antworten zu finden, legten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler den Fokus ihrer Untersuchungen auf die Fingergrundgelenke – Regionen im Körper, die im Rahmen von Autoimmunerkrankungen wie rheumatoider Arthritis oder Psoriasisarthritis sehr häufig und früh betroffen sind.
Dann wurde ein Netz aus künstlichen Neuronen mit Finger-Scans aus der hochauflösenden peripheren quantitativen Computertomographie (HR-pQCT) trainiert mit dem Ziel, „gesunde“ Gelenke von Rheumatoider Arthritis oder Psoriasisarthritis zu unterscheiden.
Dabei wurde die HR-pQCT gewählt, da es aktuell die qualitativ hochwertigste Methode ist, um den menschlichen Knochen in der höchsten Auflösung dreidimensional darzustellen. Wie in der Mitteilung erklärt wird, lassen sich im Fall einer Arthritis so Veränderungen in der Knochenstruktur sehr gut erkennen, was eine zuverlässige Klassifizierung möglich macht.
Viel eindeutigere Diagnosen
Anschließend wurde anhand von 932 neuen HR-pQCT-Scans von 611 Patientinnen und Patienten geprüft, ob das künstliche Netzwerk das Erlernte auch umsetzen kann: Beurteilt es die vorher bereits klassifizierten Fingergelenke richtig?
Die Ergebnisse: KI erkannte gesunde Fingergelenke zu 82 Prozent, rheumatoide Arthritis zu 75 Prozent sowie Psoriasisarthritis in 68 Prozent der Fälle – eine sehr hohe Trefferwahrscheinlichkeit bereits ohne weitere Informationen.
Dies könnte, kombiniert mit der Expertise einer Rheumatologin oder eines Rheumatologen, zu viel eindeutigeren Diagnosen führen. Das Netzwerk war zudem in der Lage, vorgelegte Fälle von undifferenzierter Arthritis zu klassifizieren.
„Wir sind mit den Ergebnissen der Studie sehr zufrieden, denn sie zeigen: Mithilfe von künstlicher Intelligenz kann Arthritis leichter klassifiziert werden, was eine schnellere und zielgerichtete Behandlung ermöglichen könnte“, so Lukas Folle.
„Dabei ist uns klar, dass es noch weitere Kategorien gibt, die dem Netzwerk beigebracht werden müssen. Zudem ist geplant, die Methodik der KI auf andere bildgebende Verfahren wie Ultraschall oder MRT anzuwenden, die häufiger verfügbar sind“, erklärt der Forscher.
Erspart Zeit und Aufwand
Während das Team für aussagekräftige Ergebnisse auf die hochauflösende Computertomographie zurückgreifen konnte, steht diese Form der Bildgebung Ärztinnen und Ärzten unter normalen Umständen aus Platz- und Kostengründen selten zur Verfügung.
Dennoch können die nun gewonnenen Erkenntnisse weiterhelfen: So machte das neuronale Netzwerk gewisse Regionen im Gelenk fest, die jeweils für eine bestimmte Form der Arthritis am aussagekräftigsten sind, sogenannte intraartikuläre Hotspots.
„Für die Zukunft könnte das bedeuten, dass diese Bereiche Medizinerinnen und Medizinern als weiteres Teil im Diagnostikpuzzle dienen, um eine Verdachtsdiagnose zu erhärten“, sagt Dr. Kleyer. Dies erspart bei der Diagnose Zeit und Aufwand und ist zum Beispiel bereits mithilfe von Ultraschall machbar. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg: Arthritis mit Hilfe von künstlicher Intelligenz früh erkennen, (Abruf: 03.05.2022), Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
- Lukas Folle, David Simon, Koray Tascilar, Gerhard Krönke, Anna-Maria Liphardt, Andreas Maier, Georg Schett & Arnd Kleyer: Deep Learning-Based Classification of Inflammatory Arthritis by Identification of Joint Shape Patterns—How Neural Networks Can Tell Us Where to “Deep Dive” Clinically; in: Frontiers in Medicine, (veröffentlicht: 10.03.2022), Frontiers in Medicine
- Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen: Rheumatoide Arthritis, (Abruf: 03.05.2022), gesundheitsinformation.de
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.