Schlaganfall: Aussicht auf neue Behandlungsoption
Der Schlaganfall ist weltweit die häufigste Ursache für Behinderungen sowie die zweithäufigste Todesursache. Allein in Deutschland erleiden jährlich rund 270.000 Menschen einen Schlaganfall. Die Erkrankung ist ein Notfall, der sofort behandelt werden muss. Forschende berichten nun über die Aussicht auf eine neue Therapieoption.
Eine Gruppe von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern sowie Klinikerinnen und Klinikern der Universitätsmedizin Köln, der Universitätsmedizin Mainz und der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster hat einen völlig neuen Ansatz zur Behandlung des Schlaganfalls entdeckt. Ihre Untersuchungsergebnisse wurden in der Fachzeitschrift „Science Translational Medicine“ veröffentlicht.
Weniger gravierende Folgen
Wie in einer Mitteilung erklärt wird, konnten die Forschenden nachweisen, dass ein spezifischer Signalweg der Lysophosphatsäure (LPA), ein bioaktives Lipid im Gehirn, die Erregbarkeit von Nervenzellen nach einem Schlaganfall reguliert und so die Schwere der Beeinträchtigung bei den Betroffenen beeinflusst.
Dieser LPA-Signalweg wird durch das Enzym Autotaxin (ATX) gesteuert. Im experimentellen Modell hat sich gezeigt, dass durch eine Hemmung von ATX auch noch Stunden nach dem Schlaganfall die Erregbarkeit von Netzwerken im Gehirn reduziert werden konnte. Das führte dazu, dass die Folgen des Schlaganfalls weniger gravierend waren.
Hirngewebe geht dauerhaft verloren
Bei einem durch einen Gefäßverschluss ausgelösten (ischämischen) Schlaganfall kommt es zu einer unzureichenden Blut- und somit auch ungenügenden Sauerstoff- und Nährstoffversorgung des Gehirns. In der Folge werden dann große Mengen von Botenstoffen, sogenannte Neurotransmitter, im Gehirn freigesetzt.
Vor allem die übermäßige Ausschüttung des Neurotransmitters Glutamat verursacht eine Reizüberflutung der Hirnzellen. Sie kann zu einer Funktionsstörung von Nervenzellen und zu ihrem Absterben führen. Als weitere Konsequenz geht Hirngewebe dauerhaft verloren, was wiederum zu bleibenden Behinderungen führen kann.
Gegenwärtig zielen Schlaganfalltherapien darauf ab, funktionell beeinträchtigtes, aber noch lebensfähiges Gewebe zu retten. Das geschieht, indem die Durchblutungsstörung so früh wie möglich medikamentös oder durch eine Katheterbehandlung behoben wird.
Therapeutische Ansätze, die in die Signalübertragung des Gehirns eingreifen, um nach einem Schlaganfall das Hirngewebe soweit möglich am Leben zu erhalten, sind bislang noch nicht möglich.
Langanhaltender Anstieg der ATX-Konzentrationen
Eine Gruppe um die Univ.-Prof. Dr. Johannes Vogt (Köln), Univ.-Prof. Dr. Frauke Zipp (Mainz) und Univ.-Prof. Dr. Dr. Robert Nitsch (Münster), hat nun gezeigt, dass die Steuerung der Erregbarkeit von Nervenzellen durch die Lysophosphatsäure (LPA) eine wesentliche Bedeutung für den Verlauf des Schlaganfalls hat.
Erhöhte synaptische Lipidsignale verstärken demnach die durch Glutamat ausgelöste Reizüberflutung. Das Molekül Autotaxin (ATX) spielt hierbei eine zentrale Rolle. Nach einem experimentellen Schlaganfall konnte ein langanhaltender Anstieg der ATX-Konzentrationen und des die Erregung stimulierenden LPA im Gehirn nachgewiesen werden.
„Wir haben über Genmutation und pharmakologische Hemmung von ATX auch noch Stunden nach einem experimentellen Schlaganfall zeigen können, dass sich die über LPA gesteuerte Erregbarkeit des Gewebes hemmen lässt und sich so der Verlauf des Schlaganfalls deutlich verbessert“, erklärt Prof. Vogt.
Möglicher Therapieerfolg durch ATX-Hemmer
„Da bei den Betroffenen nach dem Schlaganfall sowohl die ATX- als auch die LPA-Konzentration im Liquor, also in der Gehirn-Rückenmarksflüssigkeit, erhöht ist, ergeben sich neue Therapiemöglichkeiten, die auch noch nach dem eigentlichen Schlaganfall greifen könnten“, so die Mainzer Neurologin Prof. Zipp.
Laut Prof. Nitsch zeigen die Daten, dass Patientinnen und Patienten mit einem gestörten synaptischen LPA-Signalweg von einem Schlaganfall stärker betroffen sind. Dem Experten zufolge ist dies ein starker Hinweis auf einen möglichen Therapieerfolg durch ATX-Hemmer.
Die neuen Erkenntnisse zur Übererregbarkeit neuronaler Netzwerke und einer neuen Möglichkeit ihrer therapeutischen Korrektur könnten in Zukunft nicht nur für den Schlaganfall, sondern auch für andere neurologische und psychiatrische Erkrankungen relevant sein. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz : Aussicht auf neue Therapieoption beim Schlaganfall, (Abruf: 03.05.2022), idw-online.de
- Lynn Bitar, Timo Uphaus, Carine Thalman, Muthuraman Muthuraman, Luzia Gyr, Haichao Ji, Micaela Domingues, Heiko Endle, Sergiu Groppa, Falk Steffen, Nabin Koirala, Wei Fan, Laura Ibanez, Laura Heitsch, Carlos Cruchaga, Jin-Moo Lee, Florian Kloss, Stefan Bittner, Robert Nitsch, Frauke Zipp, Johannes Vogt: Inhibition of the enzyme autotaxin reduces cortical excitability and ameliorates the outcome in stroke; in: Science Translational Medicine, (veröffentlicht: 20.04.2022), Science Translational Medicine
Wichtiger Hinweis:
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