Ernährung: Seescheiden machen Zeichen der Alterung rückgängig

Kognition im Alter erhalten durch Plasmalogene

Viele Menschen wünschen sich eine Art Wunderwaffe, um die eigene Alterung aufzuhalten oder sogar umzukehren. Der Verzehr von sogenannten Seescheiden, also von im Meer lebenden Manteltieren, könnte ein erster Schritt sein, um genau dies zu ermöglichen.

Seescheiden enthalten sogenannte Plasmalogene und in einer neuen Studie unter Beteiligung von Fachleuten der Jiaotong-Liverpool University wurde untersucht, ob eine Erhöhung des Plasmalogenspiegels die Auswirkungen des Alterns aufhalten kann. Dafür wurden älteren Mäusen über ihre Ernährung Plasmalogene verabreicht.

Die Ergebnisse können in dem englischsprachigen Fachblatt „Frontiers in Molecular Biosciences“ nachgelesen werden.

Traum von ewiger Jugend

Es ist seit jeher ein Traum der Menschheit, ewig jung zu bleiben oder die Alterung rückgängig zu machen. Hier könnten bestimmte Nahrungsmittel einen Effekt auf die Alterung haben.

Ein solches Nahrungsmittel sind in Gerichten aus Japan und Korea vorkommende Seescheiden (Ascidiacea). Diese Organismen aus dem Meer enthalten Stoffe, welche als Plasmalogene bezeichnet werden.

Was sind Plasmalogene?

Plasmalogene sind sehr wichtig für menschliche Körperprozesse und sie kommen überall im menschlichen Körper vor, insbesondere im Herzen, im Gehirn und in den Immunzellen, erläutern die Forschenden. Wenn Menschen älter werden, nimmt die Menge der Plasmalogene im Körper ab.

Der Abbau gilt laut dem Team auch als ein Merkmal von verschiedenen neurodegenerativen Erkrankungen. Dies schließt Alzheimer und Parkinson mit ein.

Plasmalogene beeinflussen Lernfähigkeit

Bei der Untersuchung der Auswirkungen einer Ernährung mit Plasmalogenen als Nahrungsergänzungsmittel auf Mäuse stellten die Forschenden tiefgreifende Veränderungen der Lernfähigkeit und der körperlichen Symptome der Tiere fest.

Kognitive Beeinträchtigungen im Gehirn umkehren

„Unsere Forschung legt nahe, dass Plasmalogene nicht nur den kognitiven Verfall aufhalten, sondern auch kognitive Beeinträchtigungen im alternden Gehirn umkehren können. Außerdem wachsen bei gealterten Mäusen, die mit Plasmalogenen gefüttert wurden, neue schwarze Haare, die dicker und glänzender sind als bei gealterten Mäusen, die das Ergänzungsmittel nicht erhalten haben“, berichtet Studienautor Professor Lei Fu von der Xi’an Jiaotong-Liverpool University in einer Pressemitteilung.

Die Auswirkungen auf das Lernen und das Gedächtnis der Mäuse wurden mit der Hilfe eines sogenannten Morris-Wasserlabyrinths untersucht. Dabei handelt es sich um eine Art Labyrinth in einem Wasserbecken mit einer Plattform als Ruhezone.

Normalerweise schwimmen Mäuse nicht sehr gerne. Daher merken sie sich bereits nach einem Zeitraum von fünf Tagen, wo sich die Plattform im Wasserbecken befindet und wie sie möglichst schnell dahin kommen, so das Team.

So waren die Tiere in der Lage direkt zu der Plattform zu schwimmen, sobald sie sich im Becken befanden. Dabei zeigte sich, dass ältere Mäuse nach gleicher Trainingszeit trotzdem länger brauchten, um die Plattform zu finden.

Jüngeres Gehirn durch Plasmalogene?

Wurden diese älteren Tiere aber mit Plasmalogenen gefüttert, ähnelte ihr Verhalten mehr dem von jungen Mäusen. Dadurch fanden die alten Mäuse die Plattform wesentlich schneller, als dies bei älteren Tieren aus der Kontrollgruppe der Fall war, welche keinerlei Ergänzungsmittel mit Plasmalogenen erhalten hatten, berichten die Fachleute.

Höhere Anzahl und Qualität von Synapsen

Um zu identifizieren, worauf die festgestellte Verbesserung basiert, untersuchten die Forschenden die Veränderungen im Gehirn der Tiere. So stellte sich heraus, dass Mäuse, welche Plasmalogene erhielten, eine höhere Anzahl und Qualität von Synapsen aufwiesen, verglichen mit alten Mäusen aus der Kontrollgruppe.

Welche Aufgabe haben Synapsen?

Synapsen bezeichnen die Verbindungen zwischen Nervenzellen. Sie sind ein grundlegender Bestandteil der neuronalen Netze und entscheidend für das Lernen und das Gedächtnis, erklären die Fachleute.

Abbau von Synapsen im Laufe des Alterns

Im Kindesalter sind laut dem Team die Synapsen in der Regel sehr plastisch. Nimmt jedoch das Alter zu, oder treten neurodegenerative Erkrankungen auf, nimmt die Anzahl der Synapsen ab oder ihre Funktion verschlechtert sich. Dies hat dann kognitive Beeinträchtigungen zur Folge.

Altersbedingte Verschlechterung der Synapsen aufhalten

In der neuen Studie zeigten die mit Plasmalogenen gefütterten älteren Tiere ein größeres Potenzial zum Erlernen neuer Fähigkeiten und zur Bildung neuer neuronaler Netze, verglichen mit älteren Mäusen aus der Kontrollgruppe. Die Ergebnisse deuten darauf hindeuten, dass Plasmalogene die altersbedingte Verschlechterung der Synapsen aufhalten könnten.

Neurodegeneration durch Entzündungen im Gehirn

Als eine weiteres Merkmal des Älterwerdens und einem wichtigen Faktor der Neurodegeneration nennen die Forschenden Entzündungen im Gehirn. Eine zu starke Entzündung kann sich negativ auf die kognitiven Fähigkeiten auswirken.

Dies liegt daran, dass eine solche Entzündung dazu führt, dass das Immunsystem des Gehirns überaktiv wird und sich selbst angreift. Dadurch werden Neuronen geschädigt und die Synapsen funktionieren nicht mehr richtig.

Plasmalogene reduzieren Entzündungen erheblich

In der aktuellen Studie zeigte sich jedoch, dass die Fütterung mit Plasmalogenen bei den gealterten Mäusen dazu führte, dass die Entzündung deutlich geringer ausfiel, verglichen mit Tieren mit normaler Ernährung.

Dies erklärt zumindest teilweise, warum mit Plasmalogenen gefütterte ältere Tiere bei Lern- und Gedächtnisaufgaben besser abschnitten. Laut dem Team ist jedoch noch unklar, wie Plasmalogen-Nahrungsergänzungen derart signifikante Veränderungen bei Lernen und Gedächtnis bewirken.

Plasmalogene scheinen die Neuroregeneration zu fördern

„Wir haben festgestellt, dass Plasmalogene die Zahl der Moleküle, die das Wachstum und die Entwicklung von Neuronen und Synapsen im Gehirn fördern, deutlich erhöhen. Dies legt nahe, dass Plasmalogene die Neuroregeneration fördern können“, berichtet Professor Fu zu den möglichen Wirkungsmechanismen.

„Es gibt auch immer mehr Hinweise darauf, dass Plasmalogene die strukturellen Eigenschaften von Synapsen direkt beeinflussen. Plasmalogene können die Fluidität und Flexibilität der synaptischen Membranen erhöhen und so die Übertragung von Impulsen zwischen Nervenzellen beeinflussen“, fügt der Mediziner hinzu.

Zusätzlich könnten Plasmalogene laut Professor Fu auch indirekte Auswirkungen auf das Gehirn haben.

Auswirkungen von Plasmalogenen auf Mikroorganismen im Darm

„Einige Studien haben gezeigt, dass ernährungsbedingte Plasmalogene die Mikroorganismen im Darm beeinflussen. Es wurde vielfach berichtet, dass die Verbindung zwischen den Organismen in unserem Darm und unserem Gehirn die Neurodegeneration beeinflusst. Möglicherweise ist es die Wirkung der Plasmalogene auf diese Verbindung, die die in dieser Studie beobachteten Verbesserungen bei Lernen und Gedächtnis bewirkt“, mutmaßt der Experte.

Die Ergebnisse der neuen Studie haben den Professor so überzeugt, dass er nach eigenen Angaben begonnen hat jeden Tag ein Plasmalogenpräparat einzunehmen.

„Wir zeigen zum ersten Mal, dass Plasmalogen-Supplemente eine potenzielle Interventionsstrategie sein könnten, um die Neurodegeneration aufzuhalten und die Neuroregeneration zu fördern. Die orale Einnahme von Plasmalogenen könnte eine praktikable therapeutische Strategie zur Verbesserung der kognitiven Funktion bei älteren Menschen sein“, fügt der Mediziner hinzu. (as)