Sind die Kraftwerke der Zellen für die Alterung verantwortlich?
Ab einem gewissen Alter beginnt der Körper langsam abzubauen. Warum der Körper mit zunehmenden Alter beginnt zu degenerieren, ist im Detail jedoch unklar. Ein Forschungsteam hat nun den möglichen Ursprung für den Abbau in den sogenannten Mitochondrien entdeckt – den Kraftwerken der Zellen.
Forschende des Buck Institute for Research on Aging (Kalifornien, USA) haben einen bislang unbekannten Mechanismus entdeckt, der direkt mit der Alterung von Lebewesen zusammenhängt. Die Erkenntnisse könnten erklären, warum der Körper mit zunehmenden Alter beginnt abzubauen. Die Ergebnisse wurden kürzlich in dem biomedizinischen Forschungsjournal „eLife“ vorgestellt.
Das Alter als größter Risikofaktor für Volkskrankheiten
Das Alter und der damit verbundene körperliche Verfall ist einer der größten Risikofaktoren für die Entstehung zahlreicher Volkskrankheiten wie Krebs, neurodegenerative Störungen, Diabetes, Adipositas und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Warum wir mit zunehmendem Alter immer gebrechlicher werden, gilt als nicht ausreichend verstanden.
Eine gemeinsame Schnittstelle für altersbedingte Krankheiten
Die amerikanische Arbeitsgruppe des Buck Institute konnten nun eine mögliche Ursache entschlüsseln, warum der Körper ab einem gewissen Zeitpunkt beginnt abzubauen. Gleichzeit stellt die Entdeckung eine gemeinsame Schnittstelle für die meisten altersbedingten Erkrankungen dar.
Können Auswirkungen des Alterns reduziert werden?
Denn bei vielen altersbedingten Krankheiten beginnen die Mitochondrien der Zellen zu versagen. Das Team hat nun einen bislang unbekannten Mechanismus entdeckt, der aufzeigt, welcher Prozess das Versagen der Zellkraftwerke einleitet. Der Mechanismus eröffnet neue Ansätze, um die Auswirkungen des Alterns abzumildern.
Was sind Mitochondrien?
Mitochondrien werden gemeinhin als die Kraftwerke der Zelle bezeichnet. Sie liefern das Adenosintriphosphat (ATP). Dabei handelt es sich um eine umfassende Energieeinheit, die jede Zelle zum Funktionieren benötigt. Zahlreiche wichtige Prozesse im Körper sind auf die richtige Funktion der Mitochondrien angewiesen, darunter Entzündungen, Stoffwechsel und Immunreaktion.
„Jetzt, da wir diese neue Hypothese haben, warum die mitochondriale Dysfunktion während des Alterns und altersbedingter Krankheiten auftritt, eröffnen wir einen völlig anderen Weg, um über diesen Prozess nachzudenken, ihn zu messen, zu mildern und umzukehren“, bestätigt Studienhauptautor Chuankai Zhou.
Was ist die mitochondriale Biogenese?
Das Team um Zhou untersuchte im Rahmen der Studie einen Prozess namens mitochondriale Biogenese. Dabei handelt es sich um einen zellulären Vorgang, bei dem neue Mitochondrien produziert werden. Die Arbeitsgruppe wollte herausfinden, in wie weit dieser Mechanismus zur Alterung, beziehungsweise zur Dysfunktion der Mitochondrien beiträgt.
Mithilfe der mitochondrialen Biogenese wird sowohl die Qualität als auch die Quantität der Mitochondrien in den Zellen reguliert. Während der normalen Alterung nehmen beide Merkmale ab.
Ein empfindliches Gleichgewicht
Aus vergangenen Studien war bereits bekannt, dass Mitochondrien auf ein kompliziertes Gleichgewicht angewiesen sind, um fehlerfrei zu funktionieren. Die Zellkraftwerke benötigen eine genaue Anzahl von bestimmten Proteinen, die im Zellkern produziert werden und in der richtigen Menge zu den Mitochondrien geliefert werden müssen.
Werden zu viele Proteine geliefert, sammeln sich diese in den Mitochondrien an. Der Überschuss schädigt die Zellkraftwerke und kann dazu führen, dass sie absterben. Werden zu wenige Proteine geliefert, können die Mitochondrien nicht ausreichend Energie bereitstellen.
Bislang war unklar, über welchen Prozess dieses wichtige Gleichgewicht reguliert wird. Die Forschenden entdeckten nun dass ein Rezeptor auf den Mitochondrien namens Tom70 für die Koordinierung der beiden Schritte verantwortlich zu sein scheint.
Ist der Rückgang von Tom70 für das Altern verantwortlich?
„Unsere Forschungsergebnisse, dass das Molekül Tom70 beide Aspekte koordiniert, überbrücken zwei getrennte Forschungsbereiche“, betont Zhou. Eine wichtige Erkenntnis war zudem, dass Tom70 mit zunehmendem Alter abnimmt. Mit der Reduzierung von Tom70 geht auch eine verringerte mitochondriale Biogenese einher.
Der Rückgang von Tom70 konnte sowohl bei gealterten Fruchtfliegen als auch bei gealterten Ratten beobachtet werden. Möglicherweise handelt es sich um einen universellen Mechanismus der Alterung bei den meisten Lebewesen, berichtet das Team.
Leben von Hefe-Organismen verlängert
Darüber hinaus zeige die Arbeitsgruppe, dass die Erhöhung des Tom70-Spiegels in Hefe-Organismen zu einer Verzögerung der mitochondrialen Dysfunktion und zu einer längeren Lebensspanne führte.
„Wir haben eine neue Funktion für dieses Protein entdeckt und zeigen einen Mechanismus auf, wie Tom70 der Zelle Gutes tun kann“, resümiert Zhou.
Kalorienrestriktion als Schlüssel der Langlebigkeit?
In früheren Studien wurde bereits beobachtet, dass eine langfristige Reduzierung von Kalorien mit einer größeren Aktivierung des Tom70-Signalwegs in Verbindung steht und dass dieser Prozess mit einer Verlängerung der Lebensspanne verbunden ist. Die Gründe für den Zusammenhang waren jedoch unklar.
Laut Zhou sei es denkbar, Nahrungsergänzungsmittel oder Medikamente zu entwickeln, die die mitochondriale Funktion unterstützen, insofern sich die Hypothese des Teams bewahrheitet. „Es braucht nur Zeit“, unterstreicht der Wissenschaftler. (vb)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Buck Institute for Research on Aging: Buck Scientist Uncovers Clues to Aging in Mitochondria (veröffentlicht: 18.05.2022), buckinstitute.org
- Qingqing Liu, Catherine E Chang, Alexandra C Wooldredge, et al.: Tom70-based transcriptional regulation of mitochondrial biogenesis and aging; in: eLife (2022), elifesciences.org
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.