Neue Methode entlarvt an Krebserkrankungen beteiligte Proteine
Ein deutsch-dänisches Forschungsteam stellt eine neue und wegweisende Technologie namens „Deep Visual Proteomics“ vor, die das Potenzial hat, die Diagnose und Behandlung von Krebs zu revolutionieren.
Eine Arbeitsgruppe des Max-Planck-Instituts für Biochemie hat in dem Fachjournal „Nature Biotechnology“ eine neue Methode vorgestellt, mit der es möglich ist, Proteine zu identifizieren, die an einer Krebserkrankung beteiligt sind. Diese Protein-basierten Informationen können weitreichenden Einfluss auf Therapie und Diagnose haben und Schwachstellen eines Tumors entlarven.
Welche Rolle spielen Proteine bei Krebserkrankungen?
Um Krebserkrankungen zu verstehen und um eine dauerhafte Heilung zu erreichen, muss im Detail verstanden werden, wie Krebs entsteht und welche zellulären Prozesse dazu führen, dass Zellen entarten oder ein Tumor bösartig wird.
Um diese Fragen zu beantworten müssen auch die beteiligten Proteine und deren Aufgaben berücksichtigt werden. Denn Proteine sind nach Angaben des Forschungsteams „die wichtigsten Puzzlestücke für eine Vielzahl von Krankheiten“.
Proteine als „Arbeitspferde der Zellen“
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bezeichnen die Proteine als „molekulare Arbeitspferde der Zelle“. Nur wenn die Proteine fehlerfrei funktionieren, sei die korrekte Funktionsfähigkeit einer Zelle gesichert.
„Wenn etwas in unseren Zellen nicht richtig funktioniert und wir krank werden, kann man sich sicher sein, dass Proteine auf unterschiedlichste Weise beteiligt sind“, betont Forschungsleiter Professor Matthias Mann.
Proteinlandschaft offenbart wichtige Informationen
Wie der Professor erklärt, kann anhand der Kartierung der Proteinlandschaft nachvollzogen werden, warum sich ein Tumor in einer bestimmten Person entwickeln konnte. Gleichzeitig legen die Proteine mögliche Schwachstellen des Tumors offen und geben Hinweise auf die wirkungsvollste Behandlungsmethode.
Was ist „Deep Visual Proteomics”?
Das Forschungsteam hat eine neue Technologie entwickelt, mit deren Hilfe Proteine in abnormen Zellgruppen analysiert werden können. Die Interaktion dieser Proteine mit den umgebenden gesunden Zellen ermöglicht noch nie dagewesene Einblicke in das Krankheitsgeschehen.
In der so entstandenen Technologie namens „Deep Visual Proteomics” vereinen sich vier verschiedene hochmoderne Technologie-Zweige:
- hochauflösende Mikroskopie,
- maschinelles Lernen und Algorithmen mit künstlicher Intelligenz,
- Bestimmung von Proteinen mittels Massenspektrometrie,
- bioinformatische Analysen, mit denen „Proteinlandkarten“ erstellt werden.
Anhand der Proteine kann die beste Behandlung abgeleitet werden
„Unser neues Konzept ‚Deep Visual Proteomics‘, könnte ein Paradigmenwechsel für die molekulare Pathologie in der Klinik werden“, betont Professor Andreas Mund aus dem Forschungsteam. Mit der neuen Methode können ihm zufolge innerhalb kürzester Zeit tausende von Proteinen in einer Gewebeprobe identifiziert werden.
Anhand der Proteine können Mechanismen aufgedeckt werden, die die Tumorentwicklung antreiben. „Somit können aus einem einzigen Gewebeschnitt einer Patienten-Biopsie direkt neue therapeutische Ziele abgeleitet werden“, hebt Professor Mund hervor.
Technologie wurde erfolgreich getestet
In Rahmen der Studie hat das Team die neue Technologie bereits erfolgreich an Gewebeproben von Betroffenen mit Speicheldrüsen- und Hautkrebs getestet. „Die Technik kann auch für die Charakterisierung anderer Tumorarten in ähnlicher Weise angewendet werden“, fügt Studienerstautor Dr. Fabian Coscia hinzu.
Die Daten, die durch diese Methode gesammelt werden, können zudem genutzt werden, um neue Angriffspunkte bei Krebserkrankungen zu finden. Dies kann massiv zu einer individualisierten Krebstherapie beitragen, die perfekt auf die Betroffenen zugeschnitten ist.
Darüber hinaus könnte die Technologie auch neue Möglichkeiten zur Behandlung von therapieresistenten Tumoren aufdecken.
Auch zur Erforschung anderer Krankheiten einsetzbar
Die Forschenden haben die Methode zwar zur Analyse von Krebserkrankungen entwickelt, doch sie betonen, dass die Technologie auch bei anderen Krankheiten angewendet werden könnte.
„Man kann beispielsweise die Proteine einer Nervenzelle analysieren, um herauszufinden, was genau in einer Zelle im Verlauf von neurodegenerativen Erkrankungen wie Alzheimer oder Parkinson passiert“, erklärt Dr. Coscia.
„Durch die Kombination von Mikroskopie, künstlicher Intelligenz und hochempfindlicher, massenspektrometrie-basierter Proteomik, haben wir eine sehr leistungsfähige Methode entwickelt, um die molekulare Verschaltung von gesunden und kranken Zellen zu verstehen“, resümiert Forschungsleiter Professor Mann. (vb)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Max-Planck-Institut für Biochemie: Neue Methode revolutioniert Krebsdiagnose (veröffentlicht: 19.05.2022), biochem.mpg.de
- Mund, A., Coscia, F., Kriston, A. et al. Deep Visual Proteomics defines single-cell identity and heterogeneity; in: Nature Biotechnology (2022). https://doi.org/10.1038/s41587-022-01302-5, nature.com
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.