Auswirkungen von Typ-2-Diabetes auf das Gehirn
Die mit dem Alter voranschreitende natürliche Alterung des Gehirns wird durch Typ-2-Diabetes um etwa 26 Prozent beschleunigt. Dies kann weitreichende Auswirkungen auf die kognitiven Fähigkeiten von Menschen mit Typ-2-Diabetes im Alter haben.
In einer neuen Studie unter der Beteiligung von Fachleuten der Stony Brook University wurde untersucht, in welchem Ausmaß Typ-2-Diabetes zu neurobiologischen und kognitiven Defiziten führt und wie sich dies mit natürlichen Alterungseffekten überschneidet. Die Ergebnisse wurden in dem Fachblatt „eLife“ publiziert.
Daten der UK Biobank wurden ausgewertet
Die Forschenden charakterisierten zunächst sogenannte neurokognitive Effekte in einer großen Kohorte von menschlichen Teilnehmenden aus der UK Biobank. Als nächste bewerteten sie das Ausmaß der Überlappung zwischen Typ-2-Diabetes und den altersbedingten Effekten.
Die so erzielten Ergebnisse wurden dann durch Meta-Analysen von veröffentlichten Studien mit kognitiven Tests oder Neuroimaging-Messungen für Menschen mit Typ-2-Diabetes und gesunde Kontrollpersonen ergänzt, so die Fachleute.
Einfluss von Metformin wurde berücksichtigt
Zusätzlich untersuchte die Forschungsgruppe in einer Kohorte von Menschen mit diagnostiziertem Typ-2-Diabetes anhand von Daten der UK Biobank, wie die sogenannte Chronizität der Erkrankung und eine Behandlung mit Metformin mit den identifizierten neurokognitiven Effekten interagieren.
Schnellere Neurodegeneration bei Typ-2-Diabetes
Das Team berichtet, dass Typ-2-Diabetes einem ähnlichen Muster der Neurodegeneration folgt wie es bei der natürlichen Alterung der Fall ist und eine wichtige Erkenntnis aus der Datenanalyse sei, dass selbst die typische Hirnalterung Veränderungen in der Glukoseregulierung des Gehirns durch Insulin widerspiegeln kann.
Sowohl die natürliche Alterung als auch Typ-2-Diabetes sind mit Veränderungen der exekutiven Funktionen verbunden, wie beispielsweise dem Arbeitsgedächtnis, Lernen und flexiblem Denken, berichten die Forschenden. Zusätzlich verändere sich auch die Verarbeitungsgeschwindigkeit des Gehirns.
Schnellerer Abbau der Exekutivfunktionen bei Diabetes
Es gab allerdings einen entscheidenden Unterschied: Bei Menschen mit Diabetes nahmen die Exekutivfunktionen über die altersbedingten Effekte hinaus um weitere 13,1 Prozent ab, zusätzlich reduzierte sich auch die Verarbeitungsgeschwindigkeit um weitere 6,7 Prozent, verglichen mit Menschen gleichen Alters ohne Typ-2-Diabetes, so die Fachleute.
Deutlich geringere kognitive Leistungen durch Diabetes
Die durchgeführte Meta-Analyse von über 90 verschiedenen Studien habe dieses Ergebnis bestätigt. Menschen mit Typ-2-Diabetes hätten durchweg deutlich geringere kognitive Leistungen aufgewiesen, als es bei gesunden Personen im gleichen Alter mit einem ähnlichen Bildungsstand der Fall war.
Abbau von grauer Hirnsubstanz
Bei einem Vergleich der Gehirnstruktur und der Gehirnaktivität von Menschen mit und ohne Diabetes anhand sogenannter MRT-Scans stellten die Forschenden zudem eine Abnahme der grauen Hirnsubstanz mit zunehmendem Alter fest.
Die Abnahme betraf vor allem eine Region des Gehirns mit der Bezeichnung ventrales Striatum. Diese Region ist dafür bekannt, dass sie entscheidend für die Exekutivfunktionen des Gehirns ist, so das Team.
Bei Menschen mit Diabetes habe sich eine Abnahme der grauen Substanz gezeigt, welche weitaus ausgeprägter war, als die typischen Alterungseffekte. So nahm die graue Substanz im ventralen Striatum um zusätzliche 6,2 Prozent ab.
Auch in anderen Regionen des Gehirns konnten die Forschenden, verglichen mit der normalen Alterung, einen höherer Verlust an grauer Substanz feststellen.
Beschleunigte Alterung des Gehirn
Die Fachleute schließen aus den ihren Analysen, dass sich Muster der durch Typ-2-Diabetes bedingten Neurodegeneration stark mit denen des normalen Alterns überschneiden. Allerdings werde bei Typ-2-Diabetes die Neurodegeneration beschleunigt.
Dabei waren diese Auswirkungen auf die Gehirnfunktion umso schwerwiegender, je länger die Erkrankung durch Diabetes anhielt. Im weiteren Verlauf sei das Fortschreiten von Diabetes mit einer massiven Beschleunigung der Alterung des Gehirns um 26 Prozent verbunden.
„Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass Typ-2-Diabetes und sein Fortschreiten mit einer beschleunigten Alterung des Gehirns einhergehen, die möglicherweise auf eine eingeschränkte Energieverfügbarkeit zurückzuführen ist, die zu erheblichen Veränderungen der Gehirnstruktur und -funktion führt“, so die Studienautorin Lilianne Mujica-Parodi.
„Zu dem Zeitpunkt, an dem Diabetes offiziell diagnostiziert wird, kann dieser Schaden bereits eingetreten sein“, ergänzt Mujica-Parodi in einer Pressemitteilung.
Ingesamt verdeutliche die Studie die Notwendigkeit der Erforschung von hirnbasierten Biomarkern für Typ-2-Diabetes und von Behandlungsstrategien, welche speziell auf die neurokognitiven Auswirkungen abzielen. Dringend seien empfindliche Methoden erforderlich, um durch Diabetes bedingte Veränderungen des Gehirns frühzeitig zu identifizieren. (as)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Botond Antal, Liam P. McMahon, Sayed Fahad Sultan, Andrew Lithen, Deborah J. Wexler, et al.: Type 2 diabetes mellitus accelerates brain aging and cognitive decline: complementary findings from UK Biobank and meta-analyses.; in: eLife (veröffentlicht 24.05.2022), eLife
- eLife: Type 2 diabetes accelerates brain aging and cognitive decline (veröffentlicht 24.05.2022), eLife
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