Wie entsteht behandlungsresistenter Bluthochdruck?
Bestimmte Darmbakterien können laut einer aktuellen Studie die Wirksamkeit von Bluthochdruck-Medikamenten reduzieren. Dies erklärt, warum Bluthochdruck mit Arzneimitteln gegebenenfalls nicht adäquat gesenkt werden kann.
In der Studie unter Beteiligung von Fachleuten der University of Toledo wurde untersucht, ob Darmmikrobiota das blutdrucksenkende Medikament Quinapril (ACE-Hemmer) abbauen und dessen blutdrucksenkende Wirkung beeinträchtigen. Die Ergebnisse können in der Fachzeitschrift „Hypertension“ nachgelesen werden.
Behandlungsresistenter Bluthochdruck weit verbreitet
„Bluthochdruck wird oft als stiller Killer bezeichnet, weil er normalerweise keine Symptome verursacht. Es gibt jedoch eine große Gruppe von Menschen, die zwar wissen, dass sie an Bluthochdruck leiden, diesen aber trotzdem nicht in den Griff bekommen, obwohl sie Blutdruckmedikamente einnehmen“, erläutert Studienautor Dr. Tao Yang in einer Pressemitteilung.
Obwohl verschiedene Klassen von blutdrucksenkenden Medikamenten zur Verfügung stehen, bleibe ein großer Teil der Menschen mit Bluthochdruck therapieresistent.
Der Grund für die geringe Wirksamkeit von blutdrucksenkenden Medikamenten bei diesen Menschen blieb bislanf unklar, berichten die Forschenden.
„Bis jetzt haben wir noch keine klaren Hinweise auf den Mechanismus der resistenten Hypertonie. Unsere Forschung könnte ein erster Schritt sein, um neue Wege zur wirksamen Bekämpfung des therapieresistenten Bluthochdrucks zu finden“, so Dr. Yang.
Bauen Darmmikrobiota blutdrucksenkende Medikamente ab?
Da bekannt ist, dass die Darmmikrobiota an der sogenannten Pathophysiologie des Bluthochdrucks und am Arzneimittelstoffwechsel beteiligt sind, stellten die Fachleute die Hypothese auf, dass Bakterien der Darmflora blutdrucksenkende Medikamente abbauen und so deren Wirkung beeinträchtigen.
Also untersuchte das Team den Zusammenhang zwischen den Blutdruckwerten und der einzigartigen Ansammlung von Bakterien im Darm. Dies half dabei mögliche Ursachen des Bluthochdrucks zu entschlüsseln, welche über Ernährung und Bewegung hinausgehen.
Die aktuellen Forschungsarbeit ist nun die erste, welche die Auswirkungen von Darmbakterien auf die Blutdruckmedikation selbst untersucht hat.
In der Studie wurde die Wirksamkeit des blutdrucksenkenden Medikaments Quinapril bei Ratten mit normalen Darmbakterien und Ratten, deren Darmmikrobiota durch hohe Dosen von Antibiotika dezimiert worden waren, verglichen.
Antibiotika verbesserten Ansprechen auf Quinapril
Dabei stellten die Forschenden einen deutlichen Unterschied zwischen den beiden Gruppen fest: Die Tiere, die zuerst Antibiotika erhalten hatten, sprachen viel besser auf Quinapril an. Eine Analyse der Zusammensetzung der Darmbakterien bei den Tieren half das dafür zuständige Bakterium Coprococcus zu identifizieren.
Coprococcus comes baut Quinapril und Ramipril ab
In Laborexperimenten wurde nachgewiesen, dass Coprococcus comes, eine vorherrschende Bakterienart dieser Gattung, Quinapril und Ramipril abbauen kann, was zu den beeinträchtigten blutdrucksenkenden Wirkungen führt, berichtet das Team.
Ergebnisse scheinen auf Menschen übertragbar
Auch wenn sich die aktuelle Untersuchung lediglich auf Tiermodelle und Laborexperimente beschränkt hat, konnten die Forschenden zumindest eine interessante Fallstudie finden, welche zu untermauern scheint, dass die erzielten Ergebnisse auch auf Menschen übertragbar sein könnten.
So wurde laut den Fachleuten bereits in einem Bericht aus dem Jahr 2015 ein Fall beschrieben, in dem eine Frau bereits seit längerer Zeit unter behandlungsresistentem Bluthochdruck litt. Es gelang damals den Blutdruck dieser Frau zwei Wochen lang ohne blutdrucksenkende Medikamente unter Kontrolle zu halten, während sie Antibiotika für eine postoperative Infektion einnahm.
Auch nach dem Absetzen der Antibiotika konnte der Blutdruck der Betroffenen sechs Monate lang mit nur einem Medikament unter Kontrolle gehalten werden, bevor die Frau dann erneut resistent gegen die Behandlung wurde, berichten die Forschenden. Die Studie wurde damals in dem englischsprachigen Fachblatt „International Journal of Cardiology“ veröffentlicht.
Darmbakterien und Blutdruckmedikamenten
Laut Dr. Yang handelt es sich zwar lediglich um einen Bericht und es sind weitere Untersuchungen notwendig, trotzdem deuten die Ergebnisse darauf hin, dass Darmbakterien eine sehr reale und sehr wichtige Rolle bei der Regulierung der Wirksamkeit von Blutdruckmedikamenten spielen können.
Langfristige Einnahme von Antibiotika keine Lösung
Obwohl die langfristige Einnahme von Antibiotika keine realistische Strategie zur Behandlung von behandlungsresistentem Bluthochdruck ist, sollte es möglich sein, die Mikrobiota durch Probiotika, Präbiotika und Ernährungsumstellung zu verändern, so Dr. Yang.
„Das ultimative Ziel meiner Forschung ist es, Wege zu finden, wie wir die Bakterien im Darm eines Menschen gezielt beeinflussen können, um die Wirksamkeit von Medikamenten zu verbessern. Das hat das Potenzial, vielen Menschen zu helfen“, fügt der Mediziner hinzu.
Die Ergebnisse stellen laut der Studienautorin Dr. Bina Joe eine bedeutende Erweiterung im Verständnis der Ursachen von Bluthochdruck dar und helfen, neue Möglichkeiten zur Behandlung zu identifizieren. (as)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Tao Yang, Xue Mei, Ethel Tackie-Yarboi, Millicent Tambari Akere, Jun Kyoung, et al.: Identification of a Gut Commensal That Compromises the Blood Pressure-Lowering Effect of Ester Angiotensin-Converting Enzyme Inhibitors; in: Hypertension (veröffentlicht 10.05.2022), Hypertension
- University of Toledo: Study Finds Gut Bacteria Can Make Blood Pressure Medication Less Effective (veröffentlicht 26.05.2022), University of Toledo
- YanFei Qi, Juan M. Aranda, Vermali Rodriguez, Mohan K. Raizada, Carl J. Pepine: Impact of antibiotics on arterial blood pressure in a patient with resistant hypertension — A case report; in: International Journal of Cardiology (veröffentlicht 30.07.2015), internationaljournalofcardiology.com
Wichtiger Hinweis:
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