Lipid stoppt den Zelltod
Zur Aufrechterhaltung der Gesundheit spielt der sogenannte programmierte Zelltod eine entscheidende Rolle. Ein Fehler in diesem Prozess kann Krankheitsprozesse fördern. Nun identifizierte ein Forschungsteam erstmals ein Lipid, dass den Zelltod verhindert.
Forschende der Universität Innsbruck haben einen grundlegenden und bislang unbekannten Mechanismus in menschlichen Zellen entschlüsselt. Ein Lipid mit der Bezeichnung PI(18:1/18:1) unterbricht typische Stressreaktionen und verhindert so den Tod der Zelle. Die Forschungsergebnisse wurden in den renommierten Fachjournal „Nature Communications“ vorgestellt.
Was ist der programmierte Zelltod?
Wenn Zellen ihre Funktion nicht ausüben können, werden verschiedene Stressreaktionen aktiviert, um die ursprüngliche Funktion wiederherzustellen. Gelingt dies nicht, sorgt der programmierte Zelltod dafür, dass die betroffenen Zellen absterben.
Dieser Mechanismus trägt grundlegend dazu bei, dass ein Organismus gesund bleibt. Funktioniert der Prozess jedoch nicht fehlerfrei, werden Krankheiten wie Krebs, Diabetes und Neurodegeneration begünstigt.
Die sogenannte Autophagie ist ein Beispiel für eine Stressreaktion, mit der die Zelle versucht, sich selbst zu reparieren. Dafür verdaut sie sich zum Teil selbst und nutzt die dadurch gewonnene Energie, um ihre Funktion wieder aufzunehmen.
Helfer und Täter gleichzeitig
Solche Stressreaktionen sind zwar ein mächtiges Werkzeug des Körpers für den Erhalt der Gesundheit, sie können aber auch gleichzeitig die Ursache für die Entstehung von Krankheiten sein, wenn die Reaktionen aus dem Gleichgewicht geraten.
Ein Lipid stoppt den Zelltod
Daher besitzt der Körper Stoffe, die solche Stressreaktionen und den Zelltod regulieren können. Wie die Arbeitsgruppe um Forschungsleiter Andreas Koeberle vom Michael-Popp-Institut der Universität Innsbruck nun herausfand, ist ein Membranlipid namens PI(18:1/18:1) maßgeblich an diesem Prozess beteiligt.
Wenn Fettsäuren Stress verursachen
Viele Enzyme regulieren die Stressreaktionen der Zelle. Ein Enzym namens SCD1 wandelt zum Beispiel gesättigte Fettsäuren in ungesättigte um. So wird Stress durch schädliche Konzentrationen von gesättigten Fetten reduziert.
Zunächst dient dieser Prozess zum Erhalt der Gesundheit. In früheren Forschungsarbeiten wurde der Vorgang jedoch mit der Entstehung von Entzündungen, Stoffwechselerkrankungen und Krebs verbunden, wenn der Körper diese Umwandlung exzessiv betreibt.
Doch welche vollständige Funktion das Enzym SCD1 hat, gilt bis heute als noch nicht ausreichend verstanden. Wirkstoffe, die auf die Hemmung von SCD1 abzielten, hatten mitunter starke Nebenwirkungen und wurden nicht zur Therapie zugelassen.
Die Forschenden konnten im Rahmen der aktuellen Studie nun entschlüsseln, wie SCD1 seine stresshemmende Funktion ausübt. Die Wirkung ist demnach auf das Membranlipid PI(18:1/18:1) zurückzuführen, dass größtenteils aus Fettsäuren zusammengesetzt ist, die von SCD1 produziert werden.
Neuer Ansatz bei zahlreichen Krankheiten
Die Erkenntnis könnte nach Angaben des Forschungsteam enorme Auswirkungen auf die Therapie zahlreicher Krankheiten haben und sogar auf den Alterungsprozess einwirken.
Denn nun besteht die Möglichkeit, das Lipid PI(18:1/18:1) zu fördern oder zu hemmen, ohne dabei die Funktionen des Enzyms SCD1 zu stören.
Ein grundlegender Vorgang
„Ganz besonders interessant ist: Stress-assoziierte Vorgänge, wie der Alterungsprozess, Resistenzen gegen Chemotherapie oder die Entstehung von Tumoren haben alle einen Einfluss auf die Menge von PI(18:1/18:1) in den betroffenen Geweben“, betont Andreas Koeberle.
Dies sei ein klarer Zusammenhang, der neue therapeutische Ansätze eröffnet. „Wir haben hier einen ganz grundlegenden Vorgang entschlüsselt“, resümiert der Forschungsleiter. (vb)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Universität Innsbruck: Neu entdecktes Lipid stoppt den Zelltod (veröffentlicht: 01.06.2022), uibk.ac.at
- Thürmer, M., Gollowitzer, A., Pein, H. et al. PI(18:1/18:1) is a SCD1-derived lipokine that limits stress signaling; in: Nature Communication (2022), nature.com
Wichtiger Hinweis:
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