Gesundheitsrisiko: Rückstände von Ethylenoxid in Lebensmitteln
In den vergangenen Monaten wurden zahlreiche Lebensmittel zurückgerufen, weil in ihnen Rückstände von Ethylenoxid und dessen Umwandlungsprodukt 2-Chlorethanol nachgewiesen worden sind. Ethylenoxid kann erbgutverändernd und krebsauslösend wirken. Fachleute berichten nun über das mögliche Gesundheitsrisiko durch diese Substanz.
Ethylenoxid gilt als krebserzeugend und erbgutverändernd und ist daher in der Lebensmittelproduktion verboten. Dennoch werden immer wieder Rückstände dieser Substanz in Nahrungsmitteln nachgewiesen. Das Umwandlungsprodukt 2-Chlorethanol wurde nun einer vorläufigen Risikobewertung durch das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) unterzogen und im Ergebnis, aufgrund großer Datenlücken, ein zu Ethylenoxid vergleichbares Risiko angenommen.
Meist wird nur 2-Chlorethanol nachgewiesen
Wie das BfR auf seiner Webseite erklärt, ist Ethylenoxid (kurz EtO oder EO) ein farbloses, hochentzündliches, sehr reaktives Gas mit süßlichem Geruch, das Bakterien, Viren und Pilze abtötet. Die Substanz wird in der Umwelt und in Nutzpflanzen unter anderem zu 2-Chlorethanol umgewandelt.
Weil die Umwandlung von Ethylenoxid zu 2-Chlorethanol relativ schnell erfolgt, wird in Pflanzen und daraus gewonnenen Lebensmitteln meist nur das Umwandlungsprodukt 2-Chlorethanol nachgewiesen. 2-Chlorethanol wiederum ist laut den Fachleuten eine farblose Flüssigkeit mit einem schwach süßlichen Geruch.
Ethylenoxid wurde im Pflanzenschutz sowie als Desinfektionsmittel eingesetzt. In Deutschland war die Anwendung von Ethylenoxid in Pflanzenschutzmitteln bis zum Jahr 1981 erlaubt und in der übrigen Europäischen Union (EU) noch bis 1991.
Der Stoff konnte bis zum Jahr 2011 in der EU auch zur Begasung von Lebensmitteln und Futtermitteln eingesetzt werden, um sie bei Transport und Lagerung vor Pilz- und Bakterienbefall zu schützen. Aber seit dem Jahr 2011 sind alle Anwendungen im Bereich der Lebens- und Futtermittel verboten.
Die Anwendung von Ethylenoxid in Biozidprodukten ist heutzutage nur noch im Bereich der Desinfektion und Sterilisation außerhalb des Lebensmittelbereichs gestattet, etwa zur Sterilisierung von Medizinprodukten.
Erbgutverändernde und krebserzeugende Eigenschaften
Dem BfR zufolge hat Ethylenoxid erbgutverändernde und krebserzeugende Eigenschaften und kann somit gentoxisch oder kanzerogen wirken. Als sogenanntes „Kanzerogen ohne Schwellenwert“ konnte daher in der Praxis keine Aufnahmemenge ohne gesundheitliches Risiko ermittelt werden. Deshalb sind Rückstände des Stoffes in Lebensmitteln grundsätzlich unerwünscht.
Die amtliche Analytik erfasst Ethylenoxid sowie sein Umwandlungsprodukt 2-Chlorethanol gemeinsam als Summenparameter. Lebensmittel, in denen Ethylenoxid oder 2-Chlorethanol oberhalb der Bestimmungsgrenze nachgewiesen wurden, sind entsprechend nicht verkehrsfähig.
Für 2-Chlorethanol ist die Datenlage widersprüchlich und zum Teil unvollständig. Somit kann zu den krebserzeugenden Eigenschaften von 2-Chlorethanol auf Basis der derzeit vorliegenden Informationen noch keine sichere Aussage getroffen werden.
Aufgrund der vorliegenden Daten ist aber davon auszugehen, dass 2-Chlorethanol potentiell ebenfalls erbgutverändernd wirken kann. Hinweise, dass das Umwandlungsprodukt ein höheres Schadenspotenzial (Toxizität) als Ethylenoxid aufweist, gibt es derzeit jedoch nicht.
Solange die bestehenden Datenlücken zur potenziellen Toxizität nicht geschlossen sind, sollte 2-Chlorethanol daher laut der Auffassung des BfR toxikologisch wie Ethylenoxid bewertet werden.
Gesundheitliche Bewertung
Das BfR hat bei der gesundheitlichen Bewertung der Ethylenoxid- und 2-Chlorethanolgehalte in Sesamsamen das von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) für erbgutverändernde und krebserzeugende Stoffe empfohlene „large assessment factor“-Verfahren angewandt.
Dieses Verfahren dient bei unerwünscht auftretenden Stoffen der Abschätzung der Schwere eines möglichen gesundheitlichen Risikos für das Risikomanagement. Es wird dabei ermittelt, wie groß bei einem potentiell erbgutverändernden und krebsauslösenden Stoff die „Aufnahmemenge geringer Besorgnis“, bezogen auf einen Tag und ein Kilogramm Körpergewicht, ist.
Bei dieser täglichen Exposition (Aufnahmemenge) wäre übertragen auf den Menschen bei einem von 100.000 Menschen die Möglichkeit gegeben, zusätzlich an Krebs zu erkranken. Das BfR hat in seiner Risikobewertung für Ethylenoxid und das Abbauprodukt 2-Chlorethanol eine Aufnahmemenge geringer Besorgnis von täglich 0,037 µg je Kilogramm Körpergewicht berechnet.
Wie die Fachleute erklären, ist die Aufnahmemenge geringer Besorgnis kein Maß für die Lebensmittelsicherheit. Sie ist vielmehr ein Orientierungswert für die Behörden des Risikomanagements, wie dringlich Maßnahmen zur Verringerung des gesundheitlichen Risikos sind, das von einem erbgutverändernden und krebserzeugenden Stoff in einem Lebensmittel ausgeht.
Die Menge von 0,037 µg je Kilogramm Körpergewicht ist somit kein toxikologischer Grenzwert, unterhalb dessen gesundheitliche Beeinträchtigungen nicht zu erwarten sind.
Wenn dem für erbgutverändernde und krebserzeugende Stoffe gültigen ALARA-Prinzip („as low as reasonably achievable“, auf Deutsch in etwa: „so niedrig wie vernünftigerweise erreichbar“) gefolgt wird, dann sind Einträge von Ethylenoxid und 2-Chlorethanol in Lebensmitteln grundsätzlich zu vermeiden. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Bundesinstitut für Risikobewertung: Gesundheitsrisiko von Ethylenoxid in Lebensmitteln, (Abruf: 08.06.2022), Bundesinstitut für Risikobewertung
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.