Neuer Ansatz für die Betreuung von Menschen mit Allergien
Millionen Menschen hierzulande haben eine Allergie; ihr Immunsystem reagiert überempfindlich auf manche körperfremden Stoffe (Allergene). Allergische Erkrankungen sind häufig mit hohen Einbußen an Lebensqualität für die Betroffenen verbunden. Forschende berichten nun, dass eine gezielte Mikroernährung die Symptome bei Allergien lindern kann.
Eine aktuelle Studie aus Österreich zeigt erstmals, dass eine gezielte diätische Maßnahme die Symptomlast bei allergischen Reaktionen verringern kann. Damit schlagen die Forschenden in der Betreuung von Allergikerinnen und Allergiker eine völlig neue Richtung ein. Die Studie wurde vor kurzem in der Fachzeitschrift „The Journal of Allergy and Clinical Immunology: In Practice“ veröffentlicht.
Übertriebene Immunreaktion
Hintergrund der Untersuchungen von Forschenden des interuniversitären Messerli Forschungs-instituts der Medizinischen Universität Wien, der Vetmeduni Wien und Uni Wien, in Zusammenarbeit mit der Universitätsklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten der MedUni Wien ist der Teufelskreis der Allergie:
Ein hyperaktives Immunsystem versetzt den menschlichen Körper in Alarmbereitschaft und hemmt die Aufnahme von Eisen – obwohl genau dieser Mikronährstoff zur Beruhigung der Überreaktion vermehrt gebraucht würde, heißt es in einer Mitteilung.
Mikronährstoffmängel können unter anderem Entzündungen fördern und das Immunsystem besonders empfindlich gegenüber allergenen Stoffen machen. Insbesondere Eisenmangel signalisiert den Abwehrzellen Gefahr und führt zu einer erhöhten, übertriebenen Immunreaktion.
Um den Mangel der Abwehrzellen auszugleichen, entwickelte das wissenschaftliche Team eine Lutschtablette, die im Rahmen der Studie erstmals doppel-blind sowie Placebo-kontrolliert getestet wurde.
Hemmung der Eisenaufnahme wird umgangen
Den Angaben zufolge basiert die Lutschtablette auf dem Molkenprotein Beta-Lactoglobulin von Kühen, welches als Träger für zahlreiche Mikronährstoffe fungiert.
„Durch diesen Träger erfolgt die Aufnahme statt über Blutgefäße über die Lymphe – also genau dort, wo Abwehrzellen vermehrt anzutreffen sind und die Mikronährstoffe gezielt aufnehmen können“, erklärt Studienleiterin Franziska Roth-Walter vom Messerli Forschungsinstitut.
Weil eine Tablette mit weniger als einem Milligramm eine sehr kleine Eisenmenge aufweist, gilt sie nicht als Eisenpräparat. Der Mikronährstoff darin ist vielmehr in einer Form enthalten, mit der die allergiebedingte Hemmung der Eisenaufnahme umgangen werden kann.
Laut den Studienergebnissen verringerte sich mit der Einnahme dieser Lutschtablette die Symptomlast bei Birken- und Gräserpollenallergie-Betroffenen deutlich.
Zudem verbesserten sich der Eisenstatus in den zirkulierenden Monozyten sowie die Werte der roten Blutzellen. Nach sechsmonatiger Einnahme der Lutschtablette in Kombination mit den notwendigen Medikamenten konnte in der Hauptsaison der Birkenpollen bei den Patientinnen und Patienten eine 45-prozentige Reduktion der Symptome erreicht werden.
Überempfindlichkeit der Abwehrzellen herabgesetzt
Die spezifische Allergen-Immuntherapie gilt bisher als die einzige ursächliche Behandlungsmöglichkeit zur Linderung allergischer Erkrankungen. Dabei wird ein Allergen spezifisch gegen die jeweilige Allergie eingesetzt, zum Beispiel Birkenpollen gegen Birkenpollenallergie.
„Die Versorgung der Abwehrzellen mit Mikronährstoffen über die Lutschtablette zeigte eine ähnlich starke Wirksamkeit, und zwar auf komplett Allergen-unabhängige und daher universelle Weise“, erläutert Franziska Roth-Walter.
Die Studie zeigt daher einen neuen Ansatz in der Betreuung von Allergikerinnen und Allergikern auf. Dabei wird durch eine diätische Maßnahme nicht die Allergie selbst, sondern die zugrundeliegende Überempfindlichkeit der Abwehrzellen gegenüber den allergenen Stoffen herabgesetzt. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Medizinische Universität Wien: Gezielte Mikroernährung lindert Symptome bei Allergien, (Abruf: 11.06.2022), Medizinische Universität Wien
- Bartosik T, Jensen SA, Afify SM, Bianchini R, Hufnagl K, Hofstetter G, Berger M, Bastl M, Berger U, Rivelles E, Schmetterer K, Eckl-Dorna J, Brkic FF, Vyskocil E, Guethoff S, Graessel A, Kramer MF, JensenJarolim E, Roth-Walter F: Ameliorating Atopy by Compensating Micronutritional Deficiencies in Immune Cells: A Double-Blind Placebo-Controlled Pilot Study; in: The Journal of Allergy and Clinical Immunology: In Practice, (veröffentlicht: 06.03.2022), The Journal of Allergy and Clinical Immunology: In Practice
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.