Schlaganfall: Genaue Ursache bleibt oft unklar
Laut Fachleuten bleibt etwa bei jedem vierten ischämischen Schlaganfall die Ursache im Dunkeln. Wissenschaftliche Untersuchungen haben schon vor Jahren gezeigt, dass in vielen dieser Fälle eine Embolie als Ursache zugrunde liegt. Nun berichten Fachleute über neue Erkenntnisse dazu.
Jedes Jahr erleiden über eine Viertelmillion Menschen in Deutschland einen Schlaganfall. Ein Großteil dieser Erkrankungen geht auf Krankheiten des Herz-Kreislauf-Systems zurück. Aber bei rund jedem fünften Schlaganfall bleibt die Ursache im Dunkeln. In dem Fachjournal „Nature Reviews Neurology“ wird nun unter anderem über neue mögliche Behandlungsvorschläge für manche Betroffene berichtet.
Ursache für jeden fünften Schlaganfall unklar
Wie es in einer aktuellen Mitteilung der Medizinischen Fakultät der Universität Duisburg-Essen (UDE) heißt, ist bei etwa 20 Prozent aller Schlaganfälle die genaue Ursache unklar.
Was zunächst als „kryptogene Schlaganfälle“ kategorisiert wurde, wurde 2014 von einer internationalen Arbeitsgruppe als sogenannter „embolischer Schlaganfall unbestimmten Ursprungs“ (ESUS) definiert.
Den Angaben zufolge basiert das Konzept des ESUS auf der Beobachtung, dass die meisten kryptogenen Schlaganfälle einen embolischen Ursprung haben. Die möglichen Quellen dieser Embolien sind vielfältig.
Bei manchen Patientinnen und Patienten bestehen zwei oder mehr potenzielle Schlaganfallursachen gleichzeitig, bei anderen findet sich trotz intensiver Diagnostik keine klare Ursache.
Betroffene differenzierter betrachten
Die Fortschritte in der Schlaganfallforschung machen es laut Prof. Dr. Hans Christoph Diener, emeritierter Professor für Neurologie an der Medizinischen Fakultät der UDE, inzwischen möglich, die große Gruppe der ESUS-Patientinnen und -Patienten differenzierter zu betrachten.
Der Experte schlägt in der Fachzeitschrift „Nature Reviews Neurology“ gemeinsam mit US-amerikanischen und griechischen Kollegen eine Anpassung des aktuellen ESUS-Konzepts vor.
Das Autorenteam plädiert zum Beispiel dafür, dass Patientinnen und Patienten mit einem persistierenden Foramen ovale (PFO) oder anderen klinischen und/oder anatomischen Hochrisikomerkmalen und jünger als 60 Jahre sind, nicht mehr als ESUS-Fälle betrachtet werden sollten.
Außerdem schlägt das internationale Neurologen-Team vor, bei einigen Patientinnen und Patienten mit ESUS eine EKG-Überwachung durchzuführen, um ein bisher unerkanntes paroxysmalem Vorhofflimmern auszuschließen.
Bestimmte Personen könnten von Therapie profitieren
Wie es in der Mitteilung heißt, sollen derzeit laufende Studien dabei helfen zu klären, ob Patientinnen und Patienten mit Vorhofkardiopathien, im Alter von über 75 Jahren und/oder mit Nierenfunktionsstörungen und ESUS von einer oralen Antikoagulation profitieren.
Die Mediziner vermuten nämlich, dass Untergruppen der ESUS-Betroffenenkohorte von einer oralen Antikoagulationstherapie mit NOACs wie Dabigatran, Apixaban oder Rivaroxaban anstelle von Aspirin profitieren könnten, um erneute ischämischen Schlaganfälle zu vermeiden.
Diese Ergebnisse für Untergruppen müssen aber vor ihrer klinischen Anwendung noch bestätigt werden.
„Die Ergebnisse dieser noch laufenden Studien könnte das Konzept des ESUS verändern, indem neue Untergruppen klar definiert werden können, für die die Behandlungskonzepte angepasst werden“, erläutert Prof. Dr. Hans Christoph Diener.
Dem Experten zufolge könnten solche Untergruppen beispielsweise Patientinnen und Patienten „mit atrialer Kardiopathie, suprakardialer Atherosklerose oder atrialen Hochfrequenz-Episoden sein.“ (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Medizinische Fakultät der Universität Duisburg-Essen: Schlaganfall aus dem Nichts - Forschungskonzept und Behandlung des Embolischen Schlaganfalls unbestimmten Ursprungs (ESUS) auf dem Prüfstand, (Abruf: 11.06.2022)
- Hans-Christoph Diener, J. Donald Easton, Robert G. Hart, Scott Kasner, Hooman Kamel & George Ntaios: Review and update of the concept of embolic stroke of undetermined source; in: Nature Reviews Neurology, (veröffentlicht: 10.05.2022), Nature Reviews Neurology
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.