Eiweiß: Werden Protein-Produkte benötigt?
Proteinriegel und -shakes waren lange Zeit nur bei Sportlerinnen und Sportlern im Fitnessstudio beliebt. Doch mittlerweile gibt es auch im Supermarkt immer mehr Produkte mit Eiweißzusatz. Ist eine Ernährung mit einer Extraportion Eiweiß aber wirklich empfehlenswert?
Ob Brot, Müsli oder Milchdrinks: Lebensmittel mit der Extraportion Protein liegen schon länger im Trend. Solche Produkte sollen schnell satt und dadurch schlank machen sowie beim Muskelaufbau helfen. Aber selbst für Sportlerinnen und Sportler ist eine Ernährung mit einer Extraportion Eiweiß überflüssig, berichtet die Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein in einer aktuellen Mitteilung.
Protein im Trend
In zahlreichen Supermärkten werden inzwischen Pulver und Riegel für sportlich Aktive angeboten. Drogerien, Reformhäuser, Naturkostläden und Online-Shops bieten vor allem Spezialprodukte mit teilweise extrem hohen Proteingehalten.
Und in Supermärkten und Discountern haben eher herkömmliche Lebensmittel wie Müsli, Brot, Getränke, Fertiggerichte, Snacks und Süßigkeiten mit einer Extraportion Protein Einzug gehalten.
Doch auch von Natur aus eiweißreiche Lebensmittel wie Käse oder Fisch bewerben die Anbieter mit dem Hinweis auf Protein, obwohl in ihnen nicht mehr Eiweiß steckt als in den herkömmlichen Produkten dieser Art ohne Extra-Werbung.
Damit die Anbieter Lebensmittel als „Proteinquelle“ oder mit „reich an Protein“ bewerben dürfen, müssen diese laut dem Portal „Lebensmittelklarheit“ gesetzlich vorgeschriebene Mengen an Protein enthalten.
Dann sind je nach Eiweißgehalt auch die folgenden drei gesundheitsbezogenen Angaben in der Werbung erlaubt: „Proteine tragen zur Erhaltung von Muskelmasse bei“, „Proteine tragen zur Zunahme an Muskelmasse bei“ sowie „Proteine tragen zur Erhaltung normaler Knochen bei“. Weitere Aussagen sieht die EU-Health-Claims-Verordnung für Protein in Lebensmitteln jedoch nicht vor.
Übliche Mischkost reicht aus
Wie die Verbraucherzentrale erklärt, liefern Proteine dem Körper Aminosäuren und Stickstoff, die er unter anderem für den Aufbau körpereigener Proteine, Enzyme, Hormone benötigt. Wir sind auf eine ausreichende Zufuhr bestimmter Aminosäuren über die Nahrung angewiesen, die unser Körper nicht selbst bilden kann.
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt für gesunde Erwachsene eine tägliche Zufuhr von 0,8 Gramm Eiweiß je Kilogramm Körpergewicht. Bei einem 70 Kilogramm schweren Menschen entspricht das einer Eiweißmenge von 56 Gramm am Tag. Diese Mengen werden im Durchschnitt schon mit der üblichen Mischkost überschritten.
Doch auch Veganerinnen und Veganer, die komplett auf eiweißreiche tierische Lebensmittel verzichten, können für eine ausreichende Zufuhr an Protein sorgen. Sie müssen jedoch auf eine gezielte Auswahl und Kombination eiweißreicher pflanzlicher Lebensmittel wie Getreideerzeugnisse aus dem vollen Korn, Hülsenfrüchte, Kartoffeln und Nüsse achten.
Laut der Verbraucherzentrale ist wissenschaftlich nicht geklärt, ob ein Zuviel an Eiweiß gesundheitliche Nachteile mit sich bringt. Aber es liegen Hinweise vor, dass durch eine erhöhte Proteinzufuhr in der Schwangerschaft sowie im Säuglingsalter das Risiko für Übergewicht bei den Kindern zunimmt, berichtet das Landeszentrum für Ernährung Baden-Württemberg auf seiner Webseite.
Auch die Nieren können geschädigt werden. Und bei Erwachsenen mit eingeschränkter Nierenfunktion kann eine erhöhte Proteinzufuhr die Nierenfunktion weiter verschlechtern.
Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit empfiehlt Erwachsenen, die tägliche Proteinzufuhr auf das Doppelte der Zufuhrempfehlung zu beschränken, also maximal knapp zwei Gramm pro Kilogramm Körpergewicht.
Auch Sporttreibende brauchen keine Spezialprodukte
Auch wer Leistungssport macht, kann den Proteinbedarf mit normalen eiweißreichen Lebensmitteln decken. Ein Plus über eiweißangereicherte Lebensmittel ist überflüssig. Um das Muskelwachstum gezielt zu fördern, empfehlen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler etwa 20 Gramm Protein kurze Zeit nach dem Training.
Diese Menge steckt bereits in 200 Gramm Quark mit Früchten. Weil der Hunger nach dem Training meist automatisch steigt, bieten sich eiweißreiche Mahlzeiten wie eine Scheibe Brot mit Frischkäse, Kartoffeln mit Ei oder Nudeln mit Lachs an.
Auf die Energiebilanz kommt es an
Eiweißreiche Nahrung sättigt besser als proteinarme. Zudem trägt sie zum Erhalt der fettfreien Körpermasse und des Grundumsatzes an Energie während einer Reduktionsdiät bei. Deshalb werden Lebensmittel mit hohem Eiweißgehalt mit einer stärkeren Gewichtsreduktion beim Abnehmen in Verbindung gebracht. Dies bestätigt auch der Vergleich von proteinreichen und eiweißarmen Reduktionsdiäten.
Wer mit einer proteinreichen Diät Pfunde verlieren will, braucht aber keine Lebensmittel mit einer Extraportion Protein. Normale Lebensmittel enthalten genug Eiweiß. Außerdem zeigen sich Vorteile einer proteinreichen gegenüber einer proteinarmen Kost nur dann, wenn die Diät drei bis sechs Monate dauert. Langfristig verschwinden die Vorteile einer proteinreichen Ernährung für das Körpergewicht und verlieren sich irgendwann ganz.
Wichtiger als die Nährstoffzusammensetzung ist die Energiebilanz: Wenn Sie abnehmen wollen, müssen Sie weniger Kalorien mit der Nahrung zuführen, als Sie verbrauchen. Nur dann können die überflüssigen Pfunde schmelzen.
Belastung für den Geldbeutel
Eiweißangereicherte Lebensmittel bieten keine Vorteile, fasst die Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein zusammen. Ganz im Gegenteil: Sie belasten den Geldbeutel der Verbraucherinnen und Verbraucher.
Außerdem sind spezielle Eiweißpulver oder Riegel überflüssig mit Süßungsmitteln, Zusatzstoffen, Aromen, Vitaminen und Mineralstoffen angereichert. Das Eiweiß stammt meistens aus hoch verarbeiteten herkömmlichen Lebensmitteln. Es besteht oft aus Mischungen von Milch-, Hülsenfrucht- und Eiprotein. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein: Ernährung mit Extraportion Eiweiß: selbst für Sportler:innen überflüssig, (Abruf: 13.06.2022), Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein
- Deutsche Gesellschaft für Ernährung: Wie viel Protein brauchen wir?, (Abruf: 13.06.2022), Deutsche Gesellschaft für Ernährung
- Verbraucherzentrale: Darf ein Produkt sich „Proteinpudding“ nennen?, (Abruf: 13.06.2022), Lebensmittelklarheit
- Landeszentrum für Ernährung Baden-Württemberg: Lebensmittel mit Proteinzusatz: überflüssig oder notwendig? (Abruf: 13.06.2022)
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.