SARS-CoV-2: Wirksamkeit nicht-pharmazeutischer Interventionen
Weltweit haben die verschiedenen Länder eine Vielzahl von nicht-pharmazeutischen Interventionen eingesetzt, um die COVID-19-Pandemie einzudämmen. Der Erfolg einzelner Maßnahmen zur Reduzierung der Infektionszahlen blieb jedoch umstritten. Nun haben Forschende die Daten von zahlreichen Ländern ausgewertet und festgestellt, welche Interventionen hier am effektivsten waren.
Fast alle Maßnahmen hatten einen dämpfenden Effekt auf die Reproduktionsrate des Coronavirus SARS-CoV-2, doch bei manchen Interventionen war die Wirksamkeit stärker, berichten die Fachleute vom Institut für Weltwirtschaft Kiel (IfW) in ihrer Studie.
Informationskampagnen und Schulschließungen am effektivsten
Unter den nicht-pharmazeutischen Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie waren öffentliche Informationskampagnen und Schulschließungen laut einer Studie des IfW Kiel, in die auch Daten aus Deutschland eingeflossen sind, am effektivsten.
Wie in einer Mitteilung erklärt wird, senkten sie die Reproduktionszahl, also die Anzahl an Menschen, die eine infizierte Person im Durchschnitt ansteckt, um 0,35 beziehungsweise 0,24.
„Gleichwohl folgt aus der hohen Wirksamkeit einer Maßnahme nicht automatisch eine Empfehlung zur politischen Umsetzung, wenn wie im Fall von Schulschließungen hohe soziale Kosten entstehen”, erläutert Studienautor Alexander Sandkamp vom IfW Kiel.
Unterschiede beim Maskentragen
Corona-Tests (-0,23), die Kontaktnachverfolgung (-0,15) sowie internationale Reisebeschränkungen (-0,14) trugen ebenfalls zu einer signifikanten Senkung der Reproduktionszahl (R-Wert) bei.
Auch die Absage öffentlicher Veranstaltungen, eine verringerte Präsenz in Betrieben, etwa durch Homeoffice, und Einschränkungen bei privaten Treffen, zum Beispiel über eine maximale Personenanzahl, haben den R-Wert gesenkt. Bei allen Maßnahmen galt: Je schärfer die Anwendung, desto höher war der Erfolg.
In der ersten Corona-Welle brachte das Tragen von Masken keinen statistisch messbaren Erfolg, dafür aber in der zweiten Welle. Vermutlich, da Masken dann konsequenter getragen wurden und von Stoffmasken auf medizinische Masken gewechselt wurde. Keine messbare Wirkung beim Infektionsschutz erzielten zum Beispiel lokale Reisebeschränkungen.
„Die Entscheidung, welche Maßnahmen (zuerst) einzuführen sind, hängt aber nicht nur von deren Wirksamkeit, sondern auch von deren wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Folgen ab“, sagt Sandkamp, der am IfW Kiel zu Handelsfragen forscht.
„Maßnahmen, die effektiv sind und gleichzeitig verhältnismäßig geringe Verwerfungen mit sich bringen, sollten zuerst implementiert werden, etwa Informationskampagnen, Tests, Kontaktnachverfolgung und das Tragen einer medizinischen Maske.“
Medizinische Maßnahmen wurden nicht untersucht
Gemeinsam mit Anthonin Levelu von der Universität Paris-Dauphine analysierte Alexander Sandkamp mittels statistischer Verfahren 14 sogenannte nicht-pharmazeutische Interventionen zur Eindämmung der Corona-Pandemie und deren Zusammenhang mit der Entwicklung des R-Wertes in 182 Ländern im Jahr 2020.
Medizinische Maßnahmen wie Impfungen oder die Behandlungen durch medizinisches Personal wurden also nicht untersucht.
„Die hohe Wirksamkeit von Informationskampagnen erklärt sich wohl aus ihrer Rolle als Wegbereiter vieler weiterer Maßnahmen. Die Bereitschaft von Menschen, Infektionsschutzmaßnahmen überhaupt umzusetzen, dürfte dadurch maßgeblich gewachsen sein, etwa die Maske korrekt zu tragen, Abstand zu halten oder Kontakte zu reduzieren“, so Sandkamp.
„Auch die anderen Maßnahmen wirken häufig sowohl direkt als auch indirekt auf das Infektionsgeschehen. Indem sie den Menschen den Ernst der Lage vor Augen führen, beeinflussen sie deren allgemeines Verhalten auch jenseits der jeweiligen Restriktion.“
Wissenschaftliche Begründung für Infektionsschutzmaßnahmen
Für ihre Studie werteten die Autoren großflächig Daten auch außerhalb der USA und Chinas aus, unter anderem aus Deutschland. Bislang gibt es dazu aber nur wenige Erhebungen. Den Angaben zufolge beziehen sich die Ergebnisse auf die Wirksamkeit der Maßnahmen im Durchschnitt über alle untersuchten Länder und sind prinzipiell auch auf künftige Pandemien übertragbar.
„Die Ergebnisse belegen eindeutig, dass die einzelnen Maßnahmen für die Bekämpfung der Corona-Pandemie erfolgreich sind, auch wenn sich das genaue Ausmaß von Land zu Land unterscheiden kann. Die Studie bietet damit auch die von der Politik oft geforderte wissenschaftliche Begründung für einzelne Infektionsschutzmaßnahmen“, erklärt Sandkamp. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Kiel Institut für Weltwirtschaft: Working Paper: A lockdown a day keeps the doctor away: The effectiveness of non-pharmaceutical interventions during the Covid-19 pandemic, (Abruf: 13.06.2022), Kiel Institut für Weltwirtschaft
- Kiel Institut für Weltwirtschaft: Corona: Informationen, Schulschließungen und Tests wirken gegen Infektion, (Abruf: 13.06.2022), Kiel Institut für Weltwirtschaft
Wichtiger Hinweis:
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