Lipide zur Behandlung von Diabetes identifiziert
Forschende haben eine neue Klasse von Fetten identifiziert, die die Insulinempfindlichkeit, die Blutzuckerkontrolle und andere stoffwechselbezogene Parameter beeinflussen. Die Entdeckung öffnet die Tür zu potenziellen neuen Behandlungsmöglichkeiten sowohl für Typ-1- als auch Typ-2-Diabetes.
Eine Arbeitsgruppe des Beth Israel Deaconess Medical Center in Boston (USA) haben die Funktion einer speziellen Gruppe von Lipiden, den sogenannten FAHFAs, entschlüsselt. Die Fette beeinflussen Blutzucker, Insulinempfindlichkeit und Stoffwechsel und sind daher ein hochinteressantes Ziel für die Behandlung von Diabetes. Die Ergebnisse wurden kürzlich in dem Fachjournal „Nature“ vorgestellt.
Diabetes ist eine weit verbreitete Stoffwechselkrankheit
Weltweit sind rund 422 Millionen Menschen an Diabetes erkrankt, etwa 1,5 Millionen Menschen sterben pro Jahr an der Stoffwechselkrankheit.
Typ-1-Diabetes ist eine chronische Erkrankung, bei der die Insulin-produzierenden Betazellen in der Bauchspeicheldrüse kein Insulin mehr produzieren.
Typ-2-Diabetes tritt auf, wenn der Körper resistent oder unempfindlich gegenüber Insulin wird.
Insulin ist für den Körper jedoch unverzichtbar, um den Blutzucker zu kontrollieren. Bei beiden Varianten der Krankheit kommt es regelmäßig zu erhöhten Blutzuckerspiegeln, wodurch im Laufe der Zeit schwere Schäden an Herz, Blutgefäßen, Augen, Nieren und Nerven entstehen können.
Trotz Behandlung können Komplikationen auftreten
Es gibt zwar zahlreiche Behandlungsmöglichkeiten, um die Stoffwechselkrankheit unter Kontrolle zu bringen, wie beispielsweise eine gezielte Ernährung und das Spritzen von Insulin, doch viele Betroffene haben trotz Behandlung Schwierigkeiten mit der Blutzuckereinstellung, wodurch das Risiko für Komplikationen erhöht ist.
Eine neue Klasse von Lipiden entdeckt
Das amerikanische Forschungsteam hat nun ein Schlüsselenzym für die Synthese einer neuen Klasse von Lipiden namens FAHFAs identifiziert, die im menschlichen Gewebe gebildet werden. FAHFAs haben positive Auswirkungen auf die Insulinempfindlichkeit, die Blutzuckerkontrolle und andere Parameter des Stoffwechsels.
„Langfristiges Ziel ist es, die insulinproduzierenden Betazellen der Bauchspeicheldrüse bei Menschen mit Typ-1-Diabetes sicher zu ersetzen, aber dazu müssten diese Zellen vor Angriffen des Immunsystems geschützt werden“, erklärt Professorin Dr. Barbara B. Kahn vom Beth Israel Deaconess Medical Center.
Durchbruch in der Diabetes-Forschung
„Wir haben gezeigt, dass diese FAHFA-Lipide die Betazellen vor Immunangriffen und metabolischem Stress schützen“, so Dr. Kahn. Die Erhöhung des FAHFA-Spiegels könnte nach Ansicht der Arbeitsgruppe sowohl zur Behandlung von Typ-1- als auch von Typ-2-Diabetes geeignet sein.
„Unsere neue Entdeckung ist ein Durchbruch, weil wir zum ersten Mal wissen, wie diese Lipide in Säugetiergeweben gebildet werden“, hebt die Expertin hervor.
FAHFAs bereits im Jahr 2014 entdeckt
Bereits im Jahr 2014 entdeckte Kahns Team in Zusammenarbeit mit Professor Alan Saghatelian (jetzt am Salk Institute tätig), die bis dahin unbekannte Klasse von Lipiden, die FAHFAs getauft wurden – eine Abkürzung für Fettsäureester von Hydroxyfettsäuren.
FAHFAs sind direkt mit der Insulinempfindlichkeit verbunden
Nach Angaben der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ist der FAHFA-Spiegel beim Menschen direkt mit der Insulinempfindlichkeit verknüpft. Bei fettleibigen Mäusen konnte das Team bereits zeigen, dass eine Gabe der FAHFAs die Blutzuckerkontrolle der Tiere verbesserte und entzündungsfördernde Immunreaktionen senkte.
Auch konnten die Forschenden nachweisen, dass die Lipide die Insulin-produzierenden Betazellen der Bauchspeicheldrüse vor Angriffen durch Immunzellen und vor zellulärem Stress schützen. Bei Menschen mit Adipositas ist der natürliche Spiegel der FAHFAs oft zu niedrig, betont das Forschungsteam.
Ein Enzym als fehlendes Puzzlestück
Im Rahmen der aktuellen Studie fand das Team um Dr. Kahn nun heraus, dass ein Enzym namens adipöse Triglyceridlipase (ATGL) eine Schlüsselrolle bei der Synthese der FAHFA-Lipide spielt. ATGL sei das wichtigste biosynthetische Enzym für FAHFAs im Fettgewebe.
Darüber hinaus konnten die Forschenden nachweisen, dass fettleibige und insulinresistente Menschen niedrigere ATGL-Spiegel im weißen Fettgewebe aufweisen als schlanke Menschen. ATGL scheint mit der Verringerung der FAHFAs bei insulinresistenten Menschen verbunden zu sein.
Insgesamt führen die hier genannten Faktoren nach Ansicht der Arbeitsgruppe zu einer Erhöhung des Schweregrads von Diabetes. Die Anpassung der ATGL- und FAHFA-Siegel könnte eine neue therapeutische Strategie zur Behandlung von Diabetes darstellen.
Typ-2-Diabetes durch FAHFAs verhindern
„Idealerweise könnten die neuen Erkenntnisse genutzt werden, um die FAHFA-Spiegel bei Menschen mit einem Risiko für Typ-2-Diabetes zu erhöhen, um diesem vorzubeugen, oder um die Blutzuckerkontrolle bei Menschen zu verbessern, die bereits an Typ-2-Diabetes leiden“, resümiert Professorin Kahn.
„Das Verständnis der Regulierung von ATGL könnte zu Strategien zur Erhöhung dieser nützlichen Lipide bei Stoffwechsel- und immunvermittelten Krankheiten führen“, fügt Kahn abschließend hinzu. (vb)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Beth Israel Deaconess Medical Center: Breakthrough Finding Could Yield Benefits for Patients with Diabetes (veröffentlicht: 14.06.2022), bidmc.org
- Patel, R., Santoro, A., Hofer, P. et al. ATGL is a biosynthetic enzyme for fatty acid esters of hydroxy fatty acids; in: Nature (2022). https://doi.org/10.1038/s41586-022-04787-x, nature.com
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.