Superkeim durch Antibiotika in Schweinezucht
Innerhalb der letzten 50 Jahre haben sich in Schweinen Superkeime mit der Bezeichnung Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus oder kurz MRSA entwickelt. Der Erreger, der höchstwahrscheinlich durch den weit verbreiteten Einsatz von Antibiotika in der Schweinezucht entstand, wird nun laut einer aktuellen Studie zunehmend zur Ursache für MRSA-Infektionen bei Menschen.
Forschende der University of Cambridge (England) haben im Rahmen einer aktuellen Studie nachgewiesen, dass ein hochgradig antibiotikaresistenter MRSA-Stamm namens CC398 aus Schweinen auf den Menschen überspringen kann. Der Superkeim stellt eine potenzielle Bedrohung für die öffentliche Gesundheit dar, warnt das Team in dem Fachjournal „eLife“.
Potenzielle Bedrohungen für die menschliche Gesundheit
Im Jahr 1960 wurde erstmals eine MRSA-Infektion bei einem menschlichen Patienten nachgewiesen. Aufgrund der Antibiotikaresistenz ist die Infektion wesentlich schwieriger zu behandeln als andere bakterielle Infektionen. Die Weltgesundheitsorganisation WHO betrachtet MRSA als eine der weltweit größten Bedrohungen für die menschliche Gesundheit.
Wie äußert sich eine MRSA-Infektion?
Viele Personen tragen MRSA-Erreger beispielsweise auf der Haut, entwickeln aber keine Beschwerden dadurch. Erst wenn die Bakterien über Wunden oder Schleimhäute in den Körper gelangen, können Infektionskrankheiten ausgelöst werden. Zu den möglichen Symptomen zählen:
- Hautentzündungen,
- Geschwüre,
- Eiteransammlungen,
- Wundinfektionen,
- Harnwegsinfektionen,
- Lungenentzündung,
- Blutvergiftung (Sepsis).
MRSA-Risikogruppen
MRSA zählt zu den typischen Krankenhauskeimen. Besonders gefährdet sind daher Personen, die stationär in einem Krankenhaus behandelt werden, in einem Pflegeheim leben oder auf Dialyse angewiesen sind.
Auch Betroffene mit Diabetes, Menschen mit geschwächtem Immunsystem sowie ältere Personen und Säuglinge haben eine erhöhte Gefahr für schwere MRSA-Infektionen.
Antibiotikaresistenz entwickelte sich in der Schweinezucht
Stämme von Staphylococcus-Bakterien mit der Bezeichnung CC398 zeichnen sich durch besonders hohe Antibiotikaresistenz aus. Der Bakterienstamm hat sich in den letzten fünf Jahrzehnten in Schweinen entwickelt, die als Nutztiere gehalten wurden.
Die Arbeitsgruppe der University of Cambridge konnte nun belegen, dass sich die resistenten Bakterien auch an den Menschen anpassen können und dabei die in den Schweinen erworbene Antibiotikaresistenz behalten.
Die Studienergebnisse verdeutlichen die potenzielle Bedrohung, die dieser MRSA-Stamm für die öffentliche Gesundheit darstellt. Das Forschungsteam berichtet von einer zunehmenden Zahl von MRSA-Infektionen beim Menschen – und zwar unabhängig davon, ob die Betroffenen Kontakt zu infizierten Schweinen hatten.
„Der historisch hohe Einsatz von Antibiotika könnte zur Entwicklung dieses hochgradig antibiotikaresistenten MRSA-Stamms in Schweinebetrieben geführt haben“, bestätigt Studienmitautorin Dr. Gemma Murray.
Extrem stabile Antibiotikaresistenz bei MRSA
„Wir haben herausgefunden, dass die Antibiotikaresistenz bei MRSA in der Nutztierhaltung extrem stabil ist – sie hat sich über mehrere Jahrzehnte gehalten und auch während der Ausbreitung des Bakteriums auf verschiedene Nutztierarten“, betont die Wissenschaftlerin.
Antibiotika-Minderung kann MRSA-Verbreitung nicht aufhalten
Zwar sei der Einsatz von Antibiotika in der europäischen Viehzucht in den letzten Jahren stark zurückgegangen, da die Resistenz bei CC398 aber sehr stabil ist, habe der Rückgang nur begrenzte Auswirkungen auf die Verbreitung dieses MRSA-Stamms.
Dramatische MRSA-Ausbreitung innerhalb von zehn Jahren
Der CC398-Stamm kommt mittlerweile bei einer Vielzahl von Nutztieren vor, am häufigsten aber bei Schweinen. In Schweinebetrieben aus Dänemark ist der Anstieg nach Angabe des Forschungsteam besonders drastisch.
Im Jahr 2008 kam es in weniger als fünf Prozent der Bestände zu positiven Nachweisen von CC398 in dänischen Schweinebetrieben. Im Jahr 2018 sei dieser Anteil auf 90 Prozent gestiegen. Die Bakterien können sich unter den Schweinen unbemerkt ausbreiten, da sie bei den Tieren keine Krankheiten verursachen.
Beim Menschen kann MRSA jedoch schwere Infektionskrankheiten auslösen, unter anderem, weil die Bakterien aus dem CC398-Stamm in der Lage sind, das menschliche Immunsystem zu umgehen.
„Das Verständnis des Auftretens von CC398 in europäischen Viehbeständen – und seiner Fähigkeit, Menschen zu infizieren – ist von entscheidender Bedeutung für die Bewältigung des Risikos, das es für die öffentliche Gesundheit darstellt“, hebt Studienhauptautorin Dr. Lucy Weinert hervor.
Evolutionsgeschichte von MRSA untersucht
Im Rahmen der Studie rekonstruierte das Team die Evolutionsgeschichte von bestimmten genetischen Elementen bei MRSA, die dafür gesorgt haben, dass das Bakterium antibiotikaresistent wurde und dass diese Resistenz über Jahrzehnte hinweg stabil blieb.
Ein weiteres genetisches Element mit der Bezeichnung φSa3 sorgt laut den Forschenden dafür, dass sich CC398 dem menschlichen Immunsystem entziehen kann. Dieses Element trat im Laufe der letzten Jahre jedoch fluktuativ auf, was darauf hindeutet, dass sich die Bakterien schnell an menschliche Wirte anpassen können.
„Fälle von MRSA beim Menschen in Verbindung mit Nutztieren machen zwar nur einen kleinen Teil aller MRSA-Fälle in der menschlichen Bevölkerung aus, aber die Tatsache, dass sie zunehmen, ist ein beunruhigendes Zeichen“, resümiert Weinert. (vb)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Gemma Murray , Xiaoliang Ba, Lucy A Weinert, et al.: Stable antibiotic resistance and rapid human adaptation in livestock-associated MRSA; in: eLife (2022), elifesciences.org
- University of Cambridge: Highly antibiotic-resistant strain of MRSA that arose in pigs can jump to humans (veröffentlicht: 28.06.2022), cam.ac.uk
- Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung: Erregersteckbrief MRSA (Stand: 24.04.2018), infektionsschutz.de
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.