Effektive Schmerzlinderung durch Meditation
Die sogenannte Achtsamkeitsmeditation wird bereits seit Jahrhunderten zur Linderung von Schmerzen eingesetzt. Jetzt wurde erstmals neurologisch analysiert, wie diese Form der Meditation Schmerzen reduziert.
In einer neuen Studie unter Beteiligung von Fachleuten der University of California – San Diego wurde funktionelle Magnetresonanztomographie mit psychophysikalischen Schmerztests kombiniert, um die neuronalen Verbindungen zu identifizieren, welche die direkte Modulation schmerzbezogener Verhaltens- und Nervenreaktionen durch Achtsamkeitsmeditation unterstützen.
Die Ergebnisse wurden in der englischsprachigen Fachzeitschrift „PAIN“ publiziert.
Schmerzempfinden getestet
Während des ersten Tages wurde zunächst ein Scan der Gehirne bei 40 Teilnehmenden durchgeführt. Während dieser Scans wurden den teilnehmenden Personen durch Hitze am Bein Schmerzen zugefügt. Nachdem sie eine Reihe dieser Hitzereize erlebt hatten, sollten sie zudem die durchschnittliche Schmerzstärke während des Experiments bewerten.
Als nächstes wurden die Teilnehmenden in zwei unterschiedliche Gruppe eingeteilt, eine Achtsamkeitsgruppe und eine Kontrollgruppe. Die Teilnehmenden in der ersten Gruppe führten eine 20-minütige Achtsamkeitsmeditation durch, wobei sie sich vor allem auf ihren Atem konzentrieren und Gedanken, Empfindungen und Gefühle zur Kenntnis zu nehmen sollten, ohne sie zu bewerten.
Die Teilnehmenden der Kontrollgruppe konnten dagegen während der vier Sitzungen der Studie ein Hörbuch anhören.
Gehirnaktivität unter Meditation gemessen
Die Fachleute maßen am letzten Tag der Studie erneut die Gehirnaktivität der Teilnehmenden beider Gruppen. Allerdings wurden die Teilnehmenden aus der Achtsamkeitsgruppe diesmal angewiesen wurden, während der schmerzhaften Hitze zu meditieren.
Achtsamkeitsmeditation verändert Kommunikation im Gehirn
Die Forschenden stellten fest, dass die Achtsamkeitsmeditation die Kommunikation zwischen den Hirnarealen unterbricht, die an der Schmerzempfindung beteiligt sind. Dies galt auch für die Hirnareale, welche das Selbstgefühl erzeugen.
Warum Schmerzen und Leid geringer ausfallen
Der Mechanismus scheint zu bewirken, dass Schmerzsignale zwar weiterhin vom Körper zum Gehirn weitergeleitet werden, allerdings fühlt man sich laut dem Team durch die Achtsamkeitsmeditation nicht mehr so sehr für diese Schmerzempfindungen verantwortlich. Dies hat zur Folge, dass
„Einer der zentralen Grundsätze der Achtsamkeit ist das Prinzip, dass Sie nicht Ihre Erfahrungen sind. Man trainiert sich selbst, Gedanken und Empfindungen zu erleben, ohne sein Ego oder sein Selbstgefühl mit ihnen zu verbinden, und wir sehen jetzt endlich, wie sich dies im Gehirn während der Erfahrung von akutem Schmerz auswirkt“, so Studienautor Dr. Fadel Zeidan.
Meditation reduzierte Schmerzintensität um 32 Prozent
Die Fachleute stellten letztendlich fest, dass aktiv meditierende Teilnehmende eine Reduzierung der Schmerzintensität um 32 Prozent erfuhren. Zusätzlich trat auch eine Reduzierung der Schmerzempfindlichkeit um 33 Prozent auf.
Es sei sehr erfreulich festzustellen, „dass man kein Meditationsexperte sein muss, um diese schmerzlindernde Wirkung zu erfahren“, so Dr. Zeidan in einer Pressemitteilung zu den Studienergebnissen.
Dies sei eine wirklich wichtige Erkenntnis für Millionen von Menschen, die nach einer schnell wirkenden und nicht-pharmakologischen Behandlung von Schmerzen suchen.
Welche Teile des Gehirns waren betroffen?
Bei der Analyse der Gehirnaktivität stellten die Fachleute fest, dass die durch Achtsamkeit hervorgerufene Schmerzlinderung mit einer verringerten Synchronisation zwischen einem als Thalamus bezeichneten Hirnareal und Teilen des sogenannten Ruhezustandsnetzwerks (default mode network) verbunden ist.
Eine dieser Regionen des Ruhezustandsnetzwerks wird als Precuneus bezeichnet. Dabei handelt es sich um ein Hirnareal, welches an grundlegenden Merkmalen der Selbstwahrnehmung beteiligt ist und zu den ersten Regionen gehört, die bei Bewusstlosigkeit ausgeschaltet werden, erläutern die Forschenden.
Eine weitere dieser Region war der ventromediale präfrontale Kortex. Dieser Bereich umfasst mehrere Unterregionen, die zusammenarbeiten und bestimmen, wie man sich zu seinen Erfahrungen verhält oder sie bewertet.
Umso mehr diese Bereiche entkoppelt oder deaktiviert wurden, umso stärker fiel die von den Teilnehmenden berichtete auftretende Schmerzlinderung aus, berichtet das Team.
Reduzierte Lebensqualität bei chronischen Schmerzen
Bei vielen Menschen, die mit chronischen Schmerzen zu kämpfen haben, werde die Lebensqualität nicht durch den Schmerz am stärksten beeinträchtigt, sondern durch das psychische Leiden und die Frustration, die mit ihm einhergehen. Sie werden Teil der Persönlichkeit, wodurch das Leiden noch weiter verstärkt wird, erläutert Dr. Zeidan.
Durch die Achtsamkeitsmeditation wird die selbstbezogene Bewertung des Schmerzes jedoch aufgegeben, was eine neue Perspektive bei Behandlung von Schmerzen eröffnet, berichten die Forschenden.
Achtsamkeitsmeditation kostenlos und einfach durchzuführen
Vorteilhaft ist bei dieser Form der Meditation, dass sie kostenlos ist und quasi überall praktiziert werden kann. So könnte sollte die Achtsamkeitsmeditation durch Schulungen besser zugänglich gemacht und in ambulante Standardverfahren integriert werden, erläutert Dr. Zeidan.
„Wir haben das Gefühl, dass wir kurz davor stehen, einen neuen, nicht-opioidbasierten Schmerzmechanismus zu entdecken, bei dem das Default-Mode-Network eine entscheidende Rolle bei der Erzeugung von Analgesie spielt. Wir freuen uns darauf, die Neurobiologie der Achtsamkeit und ihr klinisches Potenzial bei verschiedenen Erkrankungen weiter zu erforschen“, fügt der Mediziner hinzu. (as)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Gabriel Riegner, Grace Posey, Valeria Oliva, Youngkyoo Jung, William Mobley, et al.: Disentangling self from pain: mindfulness meditation-induced pain relief is driven by thalamic-default mode network decoupling; in: PAIN (veröffentlicht 07.07.2022), PAIN
- University of California - San Diego: Mindfulness Meditation Reduces Pain by Separating it from the Self (veröffentlicht 08.07.2022), UC San Diego
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.