Alzheimer: Schlafstörungen können früher Hinweis sein
Verschiedene wissenschaftliche Untersuchungen haben Schlafstörungen mit Demenzen in Verbindung gebracht. So wurde beobachtet, dass Menschen mit Morbus Alzheimer wenig schlafen. Zudem hat sich gezeigt, dass mit Schlafmangel und Schlafstörungen oft verminderte kognitiven Leistungen einhergehen. Gesunder Schlaf hingegen kann den Demenz-Verlauf positiv beeinflussen.
In Deutschland sind rund 1,7 Millionen Menschen von Demenz betroffen. Der Großteil von ihnen leidet an Morbus Alzheimer. Diese Erkrankung ist trotz jahrzehntelanger Forschung noch immer unheilbar. Doch vor allem bei einer frühen Diagnose und einem schnellen Behandlungsbeginn kann sie verzögert werden. Schlafstörungen können laut Fachleuten ein frühes Anzeichen für Demenz sein.
Frühzeichen für erste minimale kognitive Einschränkungen
Wie es in einer aktuellen Mitteilung der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie (DGG) heißt, leiden immer mehr Erwachsene über 60 Jahre an Schlafstörungen. Mittlerweile klagt hierzulande rund die Hälfte dieser Altersgruppe über erhebliche Beeinträchtigungen beim Ein- und Durchschlafen.
„Dies kann ein Frühzeichen für erste, minimale kognitive Einschränkungen sein“, erklärt Professor Geert Mayer, ehemals Ärztlicher Leiter der Hephata-Klinik in Schwalmstadt. „Es könnten eine Alzheimer-Demenz oder eine andere neurodegenerative Erkrankung vorliegen. Umgekehrt kann dann eine Demenz auch weiter zu vermehrten Schlafstörungen führen – es handelt sich um eine bidirektionale Beziehung“, sagt der Neurologe und Schlafmediziner.
Der Nervenarzt untersucht die genauen Zusammenhänge zwischen Schlafqualität, Resilienz und Krankheit und sucht passende Lösungen für Betroffene. Gerade für ältere Menschen scheinen eine individuelle Schlafhygiene, eine ausreichende Lichtexposition sowie körperliche Aktivitäten der Schlüssel zu gesundem Schlaf zu sein.
Risikoverdopplung der Demenzentwicklung
Den Angaben zufolge konnten systematische Untersuchungen nachweisen, dass ein gestörter, durch Wachphasen unterschiedlicher Dauer zerstückelter Nachtschlaf für die Entwicklung von Alzheimer relevant ist.
Ab etwa dem 65. Lebensjahr kommt es zu einer Risikoverdopplung der Demenzentwicklung. Das zunehmende Alter ist somit weiterhin der wichtigste Risikofaktor.
Es gibt jedoch noch weitere Faktoren, die eine Demenzentwicklung begünstigen: Beispielsweise genetische – familiär vererbte – Anfälligkeiten für bestimmte Krankheiten oder Zellschäden durch freie Radikale mit entsprechender Neuroinflammation, ergo einer Entzündung von Hirngewebe.
Eine Störung der Mitochondrien, den Kraftwerken der menschlichen Zellen und Energielieferanten für den Organismus, kann ebenfalls für ein Fortschreiten der Alzheimer-Demenz sorgen.
Schlafstruktur verbessern
„Eine Verbesserung der Schlafstruktur ab einem mittleren Lebensalter gepaart mit einer Vermeidung oder gezielten Behandlung von komorbiden Schlafstörungen – also Schlafproblemen, die zusätzlich zu einer Grunderkrankung auftreten – können zur Resilienz gegen Demenzen führen“, erläutert Geert Mayer.
Gut nachgewiesen sei das mittlerweile zum Beispiel bei der obstruktiven Schlafapnoe, bei der es während des Schlafes wiederholt zu einer verringerten Atmung oder auch einem Aussetzen der Atmung durch die Verengung des Rachenraumes kommt.
Auch beim sogenannten Restless-Legs-Syndrom, einer chronischen neurologischen Erkrankung mit unruhigen Beinbewegungen im Schlaf, die zu häufigem nächtlichen Erwachen führen kann, sei dies erkannt worden.
„Um Spätfolgen abzuklären, sollten Betroffene unbedingt das Gespräch mit ihrer Hausärztin oder ihrem Hausarzt suchen. Mit ihr oder ihm gilt es, die Qualität, Dauer und Struktur des Schlafes genau einzugrenzen, um eine spezifische Beratung oder Behandlung einzuleiten“, sagt der Mediziner.
Verhaltensorientierte oder verhaltenstherapeutische Maßnahmen
„Bei jahrelang bestehender Schlafstörung sollten Schlaftagebücher geführt und gegebenenfalls Schlaflaboruntersuchungen veranlasst werden, um das Ausmaß der primären oder komorbiden Schlafstörungen einschätzen zu können“, empfiehlt Mayer.
Dabei stünden verhaltensorientierte oder verhaltenstherapeutische Maßnahmen zur Behandlung der Schlafstörung an erster Stelle.
„Dazu zählen beispielsweise individuelle Regeln zur Schlafhygiene, die eine passende Schlafumgebung, die Ernährung vor der Nachtruhe oder auch feste Zubettgehzeiten definieren. Darüber hinaus ist es gerade bei älteren Menschen wichtig, dass sie körperlich in Bewegung bleiben und ausreichend Tageslicht aufnehmen. Gegebenenfalls kann eine zusätzliche Lichttherapie verordnet werden“, so der Experte.
Für Patientinnen und Patienten mit chronischer Insomnie sei die kognitive Verhaltenstherapie langfristig effektiver als das Einnehmen von Arzneimitteln. Bei bereits an Demenzen erkrankten Menschen können diese Maßnahmen durch Angehörige oder professionellen Betreuende unterstützt werden.
Erhöhtes Risiko für komorbide Schlafstörung bei Dementen
Wie es in der Mitteilung heißt, ist das Risiko für eine komorbide Schlafstörung bei dementen Personen um das Fünffache erhöht und trägt damit zur Schlaffragmentierung bei. „Durch diesen fragmentierten Schlaf findet das Gehirn nicht richtig zur Ruhe. Die erhöhte Reiz- und Informationsübertragung führt zu einem veränderten Schlafverhalten, wodurch sich langfristig die kognitiven Funktionen verschlechtern“, erläutert Mayer.
Betroffen hiervon sind sowohl die Tiefschlafphasen als auch die Schlafphasen des sogenannten Rapid Eye Movement (REM), die durch schnelle Augenbewegungen bei geschlossenen Lidern gekennzeichnet sind. Diese Phasen nehmen im mittleren Lebensalter zwischen 20 bis 25 Prozent des Schlafes ein und im Verlauf der Nacht an Dauer zu.
Die REM-Phase ist nach aktuellen Erkenntnissen ein hochaktiver, dem Wachen ähnlicher Schlafzustand, der für die Stressbewältigung, Informationsverarbeitung und Gedächtniskonsolidierung zuständig ist.
„Genau diese Phasen werden nun aber durch Schlaffragmentierung vermindert, wodurch das vorwiegend im Schlaf aktive glymphatische System zur Entsorgung zellulärer Abfallstoffe im zentralen Nervensystem beeinträchtigt ist. So können Abbauprodukte wie Amyloid Plaques – Proteinablagerungen – nicht mehr ausreichend ausgeschieden werden. Sie häufen sich an und begünstigen wiederum die Demenz“, so der Neurologe.
Bisher sei es aber noch nicht möglich, auf Grund der Art einer vorliegenden Schlafstörung eine genaue Risikovorhersage bezüglich einer Demenzentwicklung zu stellen. „Es handelt sich um ein multifaktorielles Geschehen, das wir noch wesentlich genauer untersuchen müssen“, sagt Mayer. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Deutsche Gesellschaft für Geriatrie (DGG): Keynote-Lecture Geert Mayer: Schlaf als Quelle von Resilienz und Krankheit, (Abruf: 09.08.2022), Deutsche Gesellschaft für Geriatrie (DGG)
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.