Alzheimer: Krebsmittel als neuer Behandlungsansatz
Morbus Alzheimer ist die häufigste Form der Demenz. Die Behandlung dieser bislang nicht heilbaren neurodegenerativen Erkrankung stagniert trotz des großen Wissenszuwachses der letzten Jahre und der Entwicklung neuer Medikamente. Hoffnungsvolle Therapieansätze haben in der klinischen Prüfung enttäuscht. Nun berichten Forschende, dass möglicherweise Krebsmedikamente als neuer Behandlungsansatz infrage kommen könnten.
Ein Forschungsteam konnte jetzt nachweisen, dass Alzheimer-Nervenzellen den gleichen Wechsel in ihrem Metabolismus durchmachen wie Krebszellen. Diesen wichtigen Schritt für die Entwicklung möglicher Behandlungsmethoden veröffentlichten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in dem Fachmagazin „Cell Metabolism“.
Besseres Verständnis der sporadischen Alzheimer-Krankheit
Wie es in einer aktuellen Mitteilung der Universität Innsbruck heißt, geben die Ursachen der sporadischen Alzheimer-Krankheit im Vergleich zur besser erforschten, genetisch bedingten, vererbbaren Form der Erkrankung noch mehr Rätsel auf.
Das Team um Jerome Mertens im Neural Aging Laboratory am Institut für Molekularbiologie der Uni Innsbruck verwendet sogenannte induzierten Neuronen (iNs) – Nervenzellen, die aus Hautzellen von Patientinnen und Patienten gezüchtet werden und das Alter sowie alle weiteren epigenetischen Daten der Erkrankten enthalten –, um ein besseres Verständnis der Krankheit zu erhalten.
Ähnlichkeit wurde bestätigt
Basierend auf vorangegangenen Ergebnissen konnten Larissa Traxler, Post-Doc am Institut für Molekularbiologie, und ihre Kolleginnen und Kollegen aus dem Neural Aging Laboratory in Kooperation mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des Salk Institutes und der Universität Denver (USA), in der nun veröffentlichten Arbeit bestätigen, dass Alzheimer-Nervenzellen den gleichen Wechsel in ihrem Metabolismus (Stoffwechsel) durchmachen wie Krebszellen.
„Unsere bisherigen Untersuchungen haben bereits gezeigt, dass Alzheimer-Neuronen Krebszellen sehr ähnlich sind – mit dem großen Unterschied, dass Krebszellen unkontrolliert wachsen und Alzheimer-Neuronen unkontrolliert absterben“, erläutert Traxler.
„In der vorliegenden Arbeit haben wir uns deshalb speziell auf den Metabolismus der Alzheimer-Nervenzellen fokussiert und diesen mit dem sehr spezifischen und gut erforschten Metabolismus von Krebszellen verglichen“, so die Forscherin.
Diese Untersuchungen bestätigten nun die Ähnlichkeit: Der sogenannte Warburg-Effekt – ein Wechsel im Stoffwechsel von Krebszellen vom Erwachsenen- ins Embryonalstadium – tritt auch bei Alzheimer-Nervenzellen auf.
Wie Traxler erklärt, machen Alzheimer-Neurone einen sehr ähnlichen Wechsel zum embryonalen Metabolismus durch wie Krebszellen. Weil in Nervenzellen jedoch, „sobald sie sich zu teilen beginnen, der Zelltod eingeleitet wird, sterben diese anders als Krebszellen, die sich unkontrolliert vermehren, ab“, sagt die Wissenschaftlerin.
Auf den Warburg-Effekt abzielende Wirkstoffe
In der Krebstherapie gibt es schon jetzt Wirkstoffe, die speziell auf diesen Warburg-Effekt abzielen. Hierfür wird insbesondere auf das Protein Pyruvat Kinase M2 (PKM2), abgezielt. Dieses Protein wird vermehrt in Krebszellen, aber auch in den Alzheimer-Neuronen produziert, und gilt als einer der Hauptregulatoren in dem Wechsel zum embryonalen Metabolismus.
„Wir haben im Zellversuch überprüft, ob diese PKM2-Modulatoren auch bei Alzheimer-Nervenzellen wirken. Erfreulicherweise konnten wir zeigen, dass die Wirkstoffe, die den Warburg-Effekt in Krebszellen inhibieren, auch bei Alzheimer-Nervenzellen dazu führen, dass die Nervenzellen ihr Erwachsenenstadium länger beibehalten“, erläutert Traxler.
In einem nächsten Schritt wollen die Molekularbiologinnen und Molekularbiologen jetzt daran arbeiten, diese Wirkstoffe für alternde Nervenzellen zu optimieren und sie zu modifizieren, dass sie optimal ins Gehirn gelangen und dort gegen Alzheimer wirken können. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Universität Innsbruck: Alzheimer: Krebsmedikamente als neuer Behandlungsansatz, (Abruf: 20.08.2022), Universität Innsbruck
- Larissa Traxler, Joseph R. Herdy, Davide Stefanoni, Sophie Eichhorner, Silvia Pelucchi, Attila Szücs, Alice Santagostino, Yongsung Kim, Ravi K. Agarwal, Johannes C.M. Schlachetzki, Christopher K. Glass, Jessica Lagerwall, Douglas Galask, Fred H. Gage, Angelo D’Alessandro, Jerome Mertens: Warburg-like metabolic transformation underlies neuronal degeneration in sporadic Alzheimer’s disease; in: Cell Metabolism, (veröffentlicht: 19.08.2022), Cell Metabolism
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.