Thrombosen: Potenzielles neues Therapeutikum identifiziert
Thrombosen, wie Blutgerinnsel in der medizinischen Fachsprache genannt werden, können in Venen oder in Arterien auftreten. Kleine Thrombosen bleiben oft unbemerkt und lösen sich von selbst wieder auf. Größere Gerinnsel hingegen können zu lebensbedrohlichen Herzinfarkten oder Schlaganfällen führen. Forschende haben nun einen Hemmstoff als potenzielles neues Therapeutikum zur Behandlung von Thrombosen identifiziert.
Die Lipidkinase PI3KC2α ist ein potenzielles pharmakologisches Ziel für die Behandlung von Thrombosen und möglicherweise auch von Krebs. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Leibniz-Forschungsinstituts für Molekulare Pharmakologie (FMP) haben jetzt einen potenten Hemmstoff für ihre Aktivität identifiziert, der als Leitstruktur für die weitere Arzneimittelentwicklung dient. Ihre Studienergebnisse wurden in der Fachzeitschrift „Nature Chemical Biology“ veröffentlicht.
Blutverdünner mit schweren Nebenwirkungen
Wie es in einer aktuellen Mitteilung des FMP heißt, sind Thrombosen wie Venenthrombosen und Lungenembolien, die jährlich bei etwa einem von 1.000 Erwachsenen auftreten, eine große Gefahr für die menschliche Gesundheit, insbesondere im Alter.
Um der Blutgerinnung entgegenzuwirken, nehmen Patientinnen und Patienten blutverdünnende Medikamente ein, die aber schwere Nebenwirkungen wie Blutungen (Hämorrhagie) verursachen können.
Es ist bekannt, dass die Lipidkinase PI3KC2α die Blutgerinnung maßgeblich beeinflusst, da sie die Funktion der Blutplättchen reguliert, die für die Auslösung der Blutgerinnung von zentraler Bedeutung sind, zum Beispiel als Antwort auf einen Anstieg des Blutdrucks oder Atherosklerose (Arterienverkalkung).
Daher ist PI3KC2α ein geeignetes Ziel für die Entwicklung neuer antithrombotischer Arzneimittel. Bisher wurde aber noch kein spezifischer Hemmstoff von PI3KC2α beschrieben.
Wirksamkeit optimiert
Dr. Wen-Ting Lo aus der Arbeitsgruppe von Prof. Volker Haucke hat jetzt in enger Zusammenarbeit mit dem Medizinalchemiker Dr. Marc Nazaré und seinem Team, Forschenden aus Toulouse sowie der Screening Unit des FMP (unter Leitung von Dr. Jens Peter von Kries) die ersten PI3KC2α-Inhibitoren entwickelt und charakterisiert.
Als Ergebnis umfangreicher chemischer Optimierungsstudien gelang es den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die Wirksamkeit der Inhibitoren über das gesamte Kinom, insbesondere gegenüber allen anderen Lipidkinasen zu optimieren.
Eine dieser Verbindungen mit der Bezeichnung PITCOIN3 zeigt laut den Fachleuten eine besonders markante Selektivität für PI3KC2α und beeinträchtigt nachweislich den Umbau der Thrombozytenmembran und die Thrombusbildung.
Neue Möglichkeiten für die Behandlung von Thrombosen und Krebs
„Diese bahnbrechende Entwicklung war nur aufgrund unserer früheren Strukturstudien zu PI3KC2α möglich”, sagt Dr. Lo, der Erstautor der Studie. Dr. Nazaré merkt an, dass der unerwartete nicht-klassische Bindungsmodus der PITCOIN-Inhibitoren ein vielversprechendes neues Konzept für die Entwicklung verwandter Wirkstoffkandidaten aufzeigt.
Die PITCOINs könnten auch wichtige Werkzeuge sein, die anderen Forschenden helfen, unbekannte Funktionen von PI3KC2α zu untersuchen und aufzudecken.
„Die antithrombotische Wirkung der PITCOIN-Inhibitoren wirkt der Thrombose über Effekte auf die interne Membranstruktur der Thrombozyten entgegen und nicht durch die Blockierung ihrer Aktivierung, wodurch sich ein verbessertes therapeutisches Fenster öffnet“, so Prof. Haucke.
Wie es in der Mitteilung heißt, könnten die vorgestellten Ergebnisse neue Möglichkeiten für die Behandlung von Thrombose und Krebs eröffnen, was durch die Eigenschaft von PITCOINs, die Migration von Brustkrebszellen in vitro zu beeinträchtigen, belegt wird. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Leibniz-Forschungsinstitut für Molekulare Pharmakologie (FMP): Hemmstoff der Lipidkinase PI3KC2α als potenzielles neues Therapeutikum zur Behandlung von Thrombose identifiziert, (Abruf: 18.09.2022), Leibniz-Forschungsinstitut für Molekulare Pharmakologie (FMP)
- Lo, W.T., Belabed, H., Kücükdisli, M., Metag, J., Roske, Y., Prokofeva, P., Ohashi, Y., Horatschek, A., Cirillo, D., Krauss, M., Schmied, C., Neuenschwander, M., von Kries, J., Médard, G., Kuster, B., Perisic, O., Williams, R.L., Daumke, O., Payrastre, B., Severin, S., Nazaré, M., Haucke, V.: Development of selective inhibitors of phosphatidylinositol 3-kinase C2α; in: Nature Chemical Biology, (veröffentlicht: 15.09.2022), Nature Chemical Biology
Wichtiger Hinweis:
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