Metabolischer Bluttest könnte Diagnose von Krankheiten revolutionieren
Stoffwechselstörungen wie Diabetes, Herz-Kreislauferkrankungen wie Herzinfarkt und Herzmuskelschwäche, aber auch neurologische Krankheiten wie Parkinson oder verschiedene Krebsleiden – das Risiko für all diese Krankheiten kann laut einer aktuellen Studie durch einen einzigen neuen Bluttest aufgedeckt werden, der Stoffwechselprodukte im Blut analysiert.
Forschende des Berlin Institute of Health in der Charité Universitätsmedizin Berlin haben gemeinsam mit einer Arbeitsgruppe des University College London einen Bluttest entwickelt, der 168 Stoffwechselprodukte auswertet. Auf diese Weise lassen sich Rückschlüsse zu 24 weit verbreiteten Krankheiten ziehen. Die Forschungsergebnisse wurden kürzlich in dem renommierten Fachjournal „Nature Medicine“ vorgestellt.
Krankheiten werden oft zu spät erkannt
Vorsorgeuntersuchungen sind aufwändig, teuer und meist auf eine einzige Krankheit abgestimmt. Viele Krankheiten werden daher erst in einem weit fortgeschrittenen Stadium diagnostiziert, da in Frühstadien oft keine starken Beschwerden vorliegen oder weil Frühsymptome nicht der richtigen Ursache zugeordnet werden können.
Wer beispielsweise ständig unter Schwindel leidet, geht in der Regel nicht zu 20 verschiedenen Ärztinnen oder Ärzten, um die Ursache abzuklären. Daher bleibt oft unklar, ob die Beschwerden zum Beispiel durch eine neurologische Erkrankung, einen Tumor oder durch eine Stoffwechselerkrankung verursacht werden.
In Frühphasen sind Krankheiten am besten behandelbar
Doch gerade in der Frühphase von Krankheiten stehen die Chancen auf Heilung beziehungsweise auf einen milden Verlauf am höchsten. Könnten verschiedene Erkrankungen einfacher aufgeklärt werden, würden sich die Überlebenschancen und die Lebensqualitäten von Tausenden Menschen verbessern.
Bluttest schätzt Risiko für 24 Krankheiten ein
Um dies zu erreichen, hat die Arbeitsgruppe der Charité und des University College London nun einen neuen Bluttest entwickelt, der 168 verschiedene Stoffwechselprodukte, sogenannte Metaboliten, im Blut auswertet.
Anhand der Metaboliten kann eine künstliche Intelligenz das Risiko für zahlreiche Krankheiten einschätzen, da viele Erkrankungen mit einem typischen metabolischen Profil verbunden sind.
„Jüngste Studien haben gezeigt, dass einzelne Stoffwechselprodukte – oder Metaboliten – für die Entwicklung einer Vielzahl von Krankheiten relevant sind“, bestätigt Jakob Steinfeldt aus dem Forschungsteam.
„Wir haben vermutet, dass die Kombination mehrerer verschiedener Metaboliten Hinweise auf das Risiko für verschiedene Krankheiten gleichzeitig liefern könnte“, berichtet Steinfeldt.
Wie wurde der Test entwickelt?
Durch Blutproben von über 100.000 Patientinnen und Patienten, die innerhalb von 15 Jahren gesammelt und in der UK Biobank gespeichert wurden, konnte das Team die metabolischen Profile von 24 Krankheitsbildern und deren Verlauf ermitteln.
Daraus errechneten die Forschenden mithilfe einer Künstlichen Intelligenz ein Modell, das die Wahrscheinlichkeit vorhersagt, mit der eine bestimmte Metaboliten-Kombination im Blut eine zukünftige Krankheit vorhersagt.
Präziser als bislang verfügbare Modelle
„Wir haben die Metaboliten-Profile auf ihre Vorhersagekraft geprüft und mit herkömmlichen Methoden zur Risikoberechnung verglichen“, ergänzt Thore Bürgel, der zusammen mit Jakob Steinfeldt Erstautor der Studie ist.
„Dabei hat sich gezeigt, dass die Profile die Risikovorhersage für die Mehrheit der untersuchten Krankheiten verbesserten, wenn wir sie mit der Information über das Alter und das biologische Geschlecht der Teilnehmenden kombinierten“, so Bürgel.
Auf diese Weise konnte die Kombination aus Alter, biologischem Geschlecht und metabolischem Profil das Risiko für Erkrankungen wie Diabetes oder Herzmuskelschwäche präziser vorhersagen als bislang etablierte Risikomodelle, die in der Regel auf einer Messung von Cholesterin und Blutzucker basieren.
Ein Test kostet unter 20 Euro
Zudem ist der Test sehr günstig in der Durchführung – unter 20 Euro soll ein metabolischer Bluttest laut der Arbeitsgruppe kosten.
„Das ist deshalb interessant, weil wir mit dem Metabolom das Risiko für viele Krankheiten gleichzeitig abschätzen können“, betont Professor Ulf Landmesser aus dem Forschungsteam.
Test kann Personen mit hohem Risiko identifizieren
„Natürlich würden wir nach einer Risikowarnung aufgrund von Auffälligkeiten im Blut den Patienten oder die Patientin weiter untersuchen, bevor wir eingreifen“, erklärt Professor Landmesser.
Ihm zufolge ist ein solcher Test genau die richtige Methode, um Menschen ab einem bestimmten Alter zu motivieren, sich regelmäßig untersuchen zu lassen.
Erste Einschätzung zu möglichen Behandlungen
Den Forschenden zufolge gibt der Test sogar eine erste Einschätzung darüber, welche Behandlung sich bei den Patientinnen und Patienten am besten eignen könnte und ob ein präventiver Eingriff sinnvoll wäre.
„Auch hier haben wir gesehen, dass die Metabolomanalyse kombiniert mit der Information über Alter und biologischem Geschlecht gleichwertig oder sogar besser als herkömmliche Analysen darin war, Menschen zu identifizieren, die von einem präventiven Eingreifen in Form von Medikamenten oder einer Änderung des Lebensstils profitieren könnten“, resümiert Professor Roland Eils.
Breit anwendbar
„Wir haben unser Modell anschließend in vier weiteren großen Bevölkerungsstudien aus den Niederlanden und Großbritannien erfolgreich validieren können, was darauf hinweist, dass unsere Modelle breit anwendbar sind“, unterstreicht Professor Eils abschließend. (vb)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Vorhersage aus dem Blut: Metabolomanalyse verrät Risiko für mehrere Krankheiten gleichzeitig (veröffentlicht: 22.09.2022), bihealth.org
- Buergel, T., Steinfeldt, J., Ruyoga, G. et al. Metabolomic profiles predict individual multidisease outcomes; in: Nature Medicine (2022), nature.com
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.