Was die Nieren über das Herz verraten
Nierenfachleute bezeichnen die Nieren als Seismographen für die Gefäßgesundheit. Denn sie machen auf Probleme im Herz-Kreislauf-System aufmerksam, lange bevor es zu einem Nierenversagen, einem Herzinfarkt oder einem Schlaganfall kommt.
Fachleute der Deutschen Gesellschaft für Nephrologie e.V. (DgfN) sprechen sich dafür aus, dass die Nieren viel häufiger zur Beurteilung der Gefäßgesundheit herangezogen werden sollten. Denn die Nieren sind ein „Fenster zu den Gefäßen“, durch das viel zu selten geschaut wird.
Gefäßgesundheit anhand der Niere bestimmen
Es existieren bereits zwei kostengünstige Verfahren, mit denen die Gesundheit des Herz-Kreislauf-Systems anhand der Niere beurteilt werden kann. Dabei handelt es sich zum einen um die Bestimmung der glomerulären Filtrationsrate (GFR) und zum anderen um die Erhebung der Albuminurie.
Die Verfahren geben laut der DgfN nicht nur Auskunft über die Gesundheit des Entgiftungsorgans, sondern lassen auch Rückschlüsse über das kardiovaskuläre Risiko zu. Kaum ein anderes Verfahren leiste eine solche Risikoeinschätzung. Im Vergleich dazu seien bildgebende Verfahren weit aufwendiger und teurer. Nichtsdestotrotz sind Nierentests im Vorsorgekatalog nicht aufgenommen.
Nach Angaben der DgfN-Expertinnen und Experten ist jede chronische Nierenerkrankung letztendlich auch eine Gefäßerkrankung und „zwar eine, die man bereits früh erkennen und der man entgegenwirken kann“.
Zustand aller Gefäße an der Niere ablesbar
Die Nierenfunktionstests lassen Rückschlüsse auf den Zustand aller Gefäße im gesamten Körper zu. „Wir können daher die Nieren als Seismographen für die Gefäßgesundheit heranziehen, und zwar schon frühzeitig, lange bevor ein Nierenversagen, ein Herzinfarkt oder ein Schlaganfall eintritt“, betont Nephrologe Professor Dr. Uwe Heemann auf der 14. Jahrestagung der DGfN in Berlin.
Durch die konsequente Früherkennung einer Nierenkrankheit ließen sich Professor Heemann zufolge nicht nur Dialysefälle vermeiden, sondern auch andere Gefäßereignisse wie Herzinfarkt und Schlaganfall.
Das Fenster zu den Gefäßen
„Die Nierenfunktion ist ein Fenster zu den Gefäßen, das Problem ist aber, dass wir viel zu selten hineinschauen“, unterstreicht der Facharzt.
Dabei sei längst bekannt, dass die chronische Nierenkrankheit ein Risikoäquivalent für die koronare Herzerkrankung ist. Dr. Heemann verweist auf eine Studie, die bereits im Jahr 2010 gezeigt hat, dass sich das Risiko für Herz-Kreislauf-Probleme anhand einfacher Nierenfunktionstests gut abschätzen lässt.
Bei Nierenerkrankungen steigt das kardiovaskuläre Risiko
Umgekehrt erhöht eine chronisch kranke Niere auch das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse. Laut Heemann sind rund elf Prozent der Bevölkerung hierzulande von einer chronischen Nierenerkrankung betroffen.
Die meisten der Betroffenen erreichen nie das End-Stadium der Erkrankung. Dies liegt zum einen an den erfolgreichen Präventionsmaßnahmen, mit denen das Fortschreiten verlangsamt wird.
„Es liegt aber leider auch daran, dass viele Betroffene an kardiovaskulären Erkrankungen versterben, bevor sie überhaupt eine schwergradige Nierenerkrankung mit Dialysepflichtigkeit erreichen“, verdeutlicht der Professor.
Nierencheck sollte zur Routineuntersuchung werden
Die Medizinerinnen und Mediziner der DgfN fordern daher, dass die Erhebung der Nierenparameter routinemäßig in die Check-Up 35+ aufgenommen und von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen werden.
Dadurch wäre es möglich, frühzeitig mehr Betroffene mit einem erhöhten kardiovaskulären und renalen Risiko zu identifizieren. Perspektivisch könne dies Leben retten. (vb)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Deutsche Gesellschaft für Nephrologie e.V.: CKD ist weit mehr als „nur“ ein Nierenproblem – die Nieren sind Seismographen für die Gefäßgesundheit (veröffentlicht: 07.10.2022), dgfn.eu
- Matsushita K, van der Velde M, Astor BC, Woodward M, Levey AS, de Jong PE, Coresh J, Gansevoort RT, et al.: Association of estimated glomerular filtration rate and albuminuria with all-cause and cardiovascular mortality in general population cohorts: a collaborative meta-analysis; in: The Lancet. (2010), thelancet.com
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.