Eisenmangel schränkt Abwehrkraft wichtiger Immunzellen ein
Eisenmangel gehört laut Fachleuten zu den häufigsten Mangelerscheinungen weltweit. Ein solches Defizit kann verschiedene körperliche und geistige Folgen haben und das Risiko für diverse Erkrankungen erhöhen. Forschende berichten nun, dass Eisenmangel auch wichtige Zellen der angeborenen Immunabwehr unterdrückt.
Zwei Proteine sorgen dafür, dass Zellen bei Bedarf Eisen aus dem Blut aufnehmen können. Werden sie ausgeschaltet, so kommt es bei Mäusen zu einer schweren Anämie (Blutarmut). Zugleich geht die Anzahl bestimmter Zellen der angeborenen Immunabwehr dramatisch zurück, wie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in dem Fachmagazin „Science Advances“ nun erstmals beschreiben.
Überlebenswichtige Proteine
Wie das DKFZ in einer aktuellen Mitteilung erklärt, ist ein ausbalancierter Eisen-Stoffwechsel eine wesentliche Voraussetzung für unsere Gesundheit. Dass Eisenmangel zu Blutarmut führt, ist lange bekannt: Das Metall ist wichtiger Bestandteil des Blutfarbstoffs Hämoglobin, der in den roten Blutkörperchen für den Sauerstoff-Transport verantwortlich ist.
Gleichermaßen fatal ist aber auch ein Überschuss an Eisen, der zur Entstehung schädlicher Sauerstoff-Radikale führen kann.
Die Eisenversorgung der Zellen wird laut den Fachleuten von den beiden Proteinen IRP-1 und IRP-2 gesteuert. Wenn es der Zelle an Eisen fehlt, so kurbeln die beiden Proteine die Produktion der verschiedenen Eisentransporter-Proteine an, die Eisen in die Zelle aufnehmen. Sie sorgen ebenfalls dafür, dass es nicht zu einem ebenso gefährlichen Eisen-Überschuss kommt.
IRP-1 und IRP-2 sind überlebenswichtig: Mäuse, denen die beiden Steuerproteine während der Embryonalentwicklung fehlen, sterben noch im Mutterleib. Aber was passiert, wenn bei erwachsenen Mäusen IRP-1 und IRP-2 ausfallen?
Ein Forschungsteam um Bruno Galy am DKFZ hat dies jetzt an Mäusen untersucht, deren IRP-Produktion im gesamten Körper durch die Injektion eines Wirkstoffs abgeschaltet werden kann.
Auch die Zahl der weißen Blutkörperchen ging stark zurück
Wie die Forschenden erwartet hatten, war die auffälligste Veränderung nach Abschalten der IRPs ein ausgeprägter Rückgang der roten Blutkörperchen, die außerdem aufgrund des Hämoglobin-Mangels lediglich ein Miniaturformat erreichten.
Überrascht waren die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler jedoch darüber, dass auch die Zahl der weißen Blutkörperchen extrem zurückging. Bei näherer Untersuchung hat sich herausgestellt, dass dieser Rückgang hauptsächlich einem Mangel an neutrophilen Granulozyten geschuldet war.
Wie in der Mitteilung erklärt wird, machen diese auch kurz als „Neutrophile” bezeichneten Immunzellen beim Menschen bis zu zwei Drittel der weißen Blutkörperchen aus und sind wichtiger Bestandteil der angeborenen Immunabwehr.
Dieser Rückgang wird nicht durch ein Massensterben der Neutrophilen verursacht, sondern durch eine Entwicklungsblockade im blutbildenden System: Die Vorläuferzellen im Knochenmark entwickeln sich nicht mehr zu reifen Neutrophilen, weil der Differenzierungsprozess eisenabhängig ist.
Andere weiße Blutkörperchen wie die Monozyten waren nicht von der IRP-abhängigen Entwicklungsblockade betroffen.
Bekannte Verteidigungsstrategie bei bakteriellen Infekten
„Diese starke Eisen-Abhängigkeit der Granulozyten-Differenzierung war bislang unbekannt und könnte sich auch auf die Immunabwehr von bakteriellen Krankheitserregern auswirken“, so Studienleiter Bruno Galy.
Eisenmangel ist eine bekannte Verteidigungsstrategie des Körpers bei bakteriellen Infekten: Viele Krankheitserreger sind abhängig von Eisen. Um ihre Vermehrung zu bremsen, hortet der Körper das Metall in bestimmten Zellen, welche als Vorratskammer dienen. So erschwert er Erregern den Zugriff auf die wertvolle Ressource.
Tatsächlich bestätigt eine weitere, ebenfalls in dem Fachjournal „Science Advances“ veröffentlichte Publikation, Galys Vermutung: Eisenmangel im Blutserum, wie er typischerweise bei Infektionen auftritt, führt bei Mäusen zu einem Rückgang der Neutrophilen und schränkt ihre Fähigkeit ein, Bakterien zu bekämpfen. Dies zeigen die Autorinnen und Autoren der Studie, an der auch Galy beteiligt war.
Abwehrkraft der Neutrophilen wird gedrosselt
„An den Mäusen konnten wir beobachten, dass Eisenmangel offenbar das angeborene Immunsystem moduliert. Er unterdrückt die Granulozytenreifung und drosselt außerdem die Abwehrkraft der Neutrophilen“, erläutert Bruno Galy.
Er ergänzt: „Die Limitierung des verfügbaren Eisens ist ein zweischneidiges Schwert: Einerseits verhindert der Körper dadurch die Ausbreitung von Bakterien. Anderseits leidet darunter die Funktion eines wichtigen Arms des angeborenen Immunsystems.“
Nicht nur Infektionen, sondern auch Entzündungen führen häufig zu Eisenmangel und damit zu einer Anämie. Krebspatientinnen und -patienten, deren Erkrankung mit chronisch-entzündlichen Veränderungen einhergeht, sind daher oft von Blutarmut betroffen, was ihre Lebensqualität stark einschränken kann.
„Als Nächstes wollen wir klären, ob auch der Eisenmangel bei chronischen Entzündungen die Funktion der Immunabwehr beeinträchtigt”, so Galy. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Deutsches Krebsforschungszentrum: Eisenmangel unterdrückt wichtige Zellen der angeborenen Immunabwehr, (Abruf: 08.10.2022), Deutsches Krebsforschungszentrum
- Michael Bonadonna, Sandro Altamura Elisabeth Tybl, Gael Palais, Maria Qatato, Maria Polycarpou-Schwarz, Martin Schneider, Christina Kalk, Wibke Rüdiger, Alina Ertl, Natasha Anstee, Ruzhica Bogeska, Dominic Helm, Michael D. Milsom, Bruno Galy: Iron regulatory protein (IRP)–mediated iron homeostasis is critical for neutrophil development and differentiation in the bone marrow; in: Science Advances, (veröffentlicht: 05.10.2022), Science Advances
- Joe N. Frost, Sarah K. Wideman, Alexandra E. Preston, Megan R Teh, Zhichao Ai, Lihui Wang, Amy Cross, Natasha White, Yavuz Yazicioglu, Michael Bonadonna, Alexander J. Clarke, Andrew E. Armitage, Bruno Galy, Irina A. Udalova, Hal Drakesmith: Plasma iron controls neutrophil production and function; in: Science Advances, (veröffentlicht: 05.10.2022), Science Advances
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.