Mehr Klarheit bei Gesundheitsempfehlungen
Die Ernährung und der Lebensstil sind die größten Variablen, die unsere Gesundheit beeinflussen. Doch in vielen Fällen ist gar nicht so genau ersichtlich, ob ein Lebensmittel oder eine Gewohnheit gesund oder ungesund ist. Empfehlungen sind teilweise sogar widersprüchlich. Ein umfangreiches Bewertungssystem soll nun für mehr Klarheit sorgen.
Forschende des Institute for Health Metrics and Evaluation an der University of Washington in Seattle (USA) haben ein umfangreiches System entwickelt, mit dem bewertet werden kann, wie stark der Zusammenhang zwischen einem Risikofaktor und der damit verbundenen Krankheit ist. Das Bewertungssystem wurde kürzlich in dem renommierten Fachjournal „Nature Medicine“ vorgestellt.
180 Risikofaktoren überprüft
Die Arbeitsgruppe überprüfte die Stichhaltigkeit von 180 weit verbreiteten Risikofaktoren, die sich aus bestimmten Lebens- oder Ernährungsgewohnheiten ergeben und bewertete die Evidenz der einzelnen Risiko-Paarungen mit einem Fünf-Sterne-System.
Fünf Sterne für starke Evidenz
Fünf Sterne stehen dabei für eine starke Evidenz, also einen gut belegten Zusammenhang zwischen dem Risikofaktor und der Entstehung damit verbundener Erkrankungen. Ein Stern repräsentiert eine schwache Evidenz, bei der der Zusammenhang zwischen Risikofaktor und Erkrankung besser überprüft werden müsste.
Widersprüchlichen Empfehlungen entgegenwirken
Die Meta-Analyse soll unter anderem für mehr Klarheit bei Gesundheitsempfehlungen sorgen. Denn in manchen Bereichen sind verschiedene Studien zu unterschiedlichen Ergebnissen gekommen, woraus sich widersprüchliche Empfehlungen ableiten lassen, je nachdem, welche Studie als Basis herangezogen wird.
In anderen Bereichen ist die Evidenz dabei eindeutig, sodass eine Empfehlung in dem Bereich gut wissenschaftlich untermauert ist. Beispiele für gut belegte Risiko-Paarungen mit fünf Sternen sind Rauchen und Lungenkrebs sowie Bluthochdruck und Koronare Herzkrankheit.
„Die Zusammenhänge zwischen verschiedenen Risiken und gesundheitlichen Folgen wurden bereits ausgiebig erforscht, aber die Ergebnisse der einzelnen Studien sind oft sehr unterschiedlich“, erklärt Studienhauptautor Dr. Christopher Murray.
„Eines der Ziele dieses neuen Sterne-Bewertungssystems ist es, mehr Klarheit zu schaffen und den Verbrauchern zu helfen, fundierte Entscheidungen über Ernährung, Bewegung und andere Aktivitäten zu treffen, die ihre langfristige Gesundheit beeinflussen können“, betont Dr. Murray.
Schwache Evidenz bei vielen Risiko-Paarungen
Eine der grundlegenden Erkenntnisse aus der Forschungsarbeit ist, dass nahezu zwei Drittel aller untersuchten Risiko-Paarungen (112 von 180) eher auf einer schwachen Evidenz basieren. Diese Faktoren erhielten nur ein oder zwei Sterne in der Bewertung.
Ein Beispiel hierfür ist der Zusammenhang zwischen dem Konsum von rotem Fleisch und einem erhöhten Risiko für Schlaganfall. Die Forschenden bewerteten diesen Zusammenhang nur mit einem Stern.
Was sagen die Sterne über die Evidenz aus?
Ein Stern bedeutet in dem Bewertungssystem, dass möglicherweise kein tatsächlicher Zusammenhang zwischen dem vermeidlichen Risikofaktor und der damit verbundenen Krankheit besteht.
Zwei Sterne bedeuten, dass das Verhalten oder die Bedingung das Risiko für eine Erkrankung mit einer Wahrscheinlichkeit von bis zu 15 Prozent verändert. Bei drei Sternen liegt die Wahrscheinlichkeit für eine Beeinflussung des Risikos bei 15 bis 50 Prozent, bei vier Sternen bei 50 bis 85 Prozent und bei fünf Sternen bei über 85 Prozent.
Konkretes Beispiel: Rauchen
Da der Zusammenhang zwischen Rauchen und der Entstehung von Lungenkrebs eine Fünf-Sterne-Bewertung bekommen hat, bedeutet das nach dem Bewertungssystem also, dass durch das Rauchen das Risiko für Lungenkrebs mit einer Wahrscheinlichkeit von über 85 Prozent erhöht wird.
Es bedeutet jedoch nicht, dass über 85 Prozent aller Raucherinnen und Raucher an Lungenkrebs erkranken, sondern „nur“ dass ihr Risiko für Lungenkrebs durch das Rauchen höchstwahrscheinlich erhöht wird.
Bei einem Stern möglicherweise kein Zusammenhang
Umgekehrt stellt eine Ein-Stern-Bewertung den Zusammenhang zwischen dem Risiko-Faktor und der Erkrankung in Frage. Die Beweislage ist hier so schwach, dass möglicherweise gar kein Zusammenhang besteht.
Evidenzbasierte Gesundheitsempfehlungen
„Unsere Analyse hilft nicht nur den Verbrauchern, sondern kann auch politischen Entscheidungsträgern bei der Entwicklung von Gesundheits- und Wellness-Aufklärungsprogrammen helfen, damit diese sich auf die Risikofaktoren mit den größten Auswirkungen auf die Gesundheit konzentrieren“, resümiert Studienhauptautorin Professorin Dr. Emmanuela Gakidou.
Zudem können andere Forschungsgruppen diese Analyse als Grundlage nutzen, um Bereiche zu identifizieren, bei denen die Evidenz nach derzeitigem Wissenstand unzureichend ist.
Die Arbeitsgruppe der University of Washington will das System in den kommenden Monaten und Jahren durch weitere Risiko-Paarungen erweitern. (vb)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- IHME: New star rating system published in Nature Medicine helps people make informed decisions about diet and healthy habits (veröffentlicht: 10.10.2022), healthdata.org
- IHME: Burden of Proof (Abruf: 11.10.2022), vizhub.healthdata.org
- Zheng, P., Afshin, A., Biryukov, S. et al. The Burden of Proof studies: assessing the evidence of risk; in: Nature Medicine (2022), nature.com
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.