Herzrhythmusstörungen: Strahlentherapie kann helfen
Herzrhythmusstörungen (Arrhythmien) sind weit verbreitet. Sie können sowohl bei Herzkranken als auch bei Herzgesunden auftreten und mit oder ohne Beschwerden verlaufen. Je nach Art und Ausprägung der Rhythmusstörung kommen verschiedene Behandlungsmethoden, etwa mit Medikamenten, infrage. Fachleute berichten nun, dass auch Bestrahlung helfen kann.
Ein gesundes, menschliches Herz schlägt etwa 60 bis 100 Mal pro Minute in einem regelmäßigen Takt. Wenn das Herz unregelmäßig, schneller oder langsamer schlägt, ist von Herzrhythmusstörungen, auch Arrhythmien genannt, die Rede. Zur Therapie stehen verschiedene Optionen zur Verfügung. Experten der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) berichten nun ein einer aktuellen Mitteilung über Erfolge, die sie mit einer innovativen Behandlungsmethode erzielt haben.
Wenn herkömmliche Therapiemethoden nicht ausreichen
Die meisten Menschen denken bei dem Begriff „Strahlentherapie“ an die Behandlung einer Krebserkrankung. An der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) werden nun Strahlen eingesetzt, um Patientinnen und Patienten mit Herzrhythmusstörungen zu helfen.
Den Angaben zufolge wird mit Hochpräzisionsbestrahlung aus Linearbeschleunigern genau die Stelle im Herzmuskel behandelt, die für die Rhythmusstörung verantwortlich ist. Dieses Verfahren ist relativ neu und wird hierzulande nur in wenigen Kliniken durchgeführt.
Laut den Fachleuten eignet es sich für Betroffene, die sehr schwer erkrankt sind und bei denen die herkömmlichen Therapiemethoden nicht ausreichen.
Bei der Behandlungsmethode arbeiten Experten der Klinik für Strahlentherapie und Spezielle Onkologie unter der Leitung von Professor Dr. Hans Christiansen sowie der Klinik für Kardiologie und Angiologie unter der Leitung von Professor Dr. Johann Bauersachs eng zusammen.
Jährlich 400.000 Krankenhauseinweisungen
Wie es in der Mitteilung heißt, werden in Deutschland jedes Jahr rund 400.000 Menschen wegen Herzrhythmusstörungen in eine Klinik eingewiesen. Eine häufige Form dieser Erkrankung ist die sogenannte ventrikuläre Tachykardie, bei der die Rhythmusstörungen von Narbenarealen im Herzmuskel ausgehen.
Es gibt mehrere Möglichkeiten für die Behandlung. Dazu gehören Medikamente, die Implantation eines Defibrillators, der bei Kammerflimmern durch Schockabgabe den Herzrhythmus wieder reguliert und die Katheterablation, bei der die vernarbten Herzmuskelbereiche über spezielle Katheter verödet werden.
„Dennoch gibt es Patientinnen und Patienten, die trotz der insgesamt sehr guten Behandlungsmöglichkeiten weiterhin lebensbedrohliche Herzrhythmusstörungen haben“, erläutert Professor Dr. David Duncker, Leiter des Hannover Herzrhythmus Centrums (HHC) der Klinik für Kardiologie und Angiologie.
Vorteile der Hochpräzisionsbestrahlung
„Bei der Katheterablation können nicht alle Bereiche des Herzmuskels erreicht werden. Da kann die Hochpräzisionsbestrahlung ihre Vorteile ausspielen“, erklärt Dr. Stephan Hohmann, Oberarzt Rhythmologie am Hannover Herzrhythmus Centrum.
Bisher ist die Hochpräzisionsbestrahlung mithilfe eines Linearbeschleunigers vor allem zur Behandlung von Tumoren, zum Beispiel Hirnmetastasen, bekannt.
„Wir können die hochenergetische Strahlung mit millimetergenauer Präzision auf den gewünschten Zielpunkt bringen. So wird der Effekt auf das kranke Gewebe maximiert und das umliegende Gewebe geschont“, sagt Professor Dr. Hans Christiansen, Direktor der Klinik für Strahlentherapie und Spezielle Onkologie.
Bei der Hochpräzisionsbestrahlung gegen Arrhythmien trifft die Strahlung exakt auf die für die Störungen verantwortlichen vernarbten Herzmuskelareale und sorgt für einen Umbau des Gewebes. Den Angaben zufolge kann die Strahlung aus vielen verschiedenen Winkeln und in unterschiedlich hoher Dosis auf das Areal treffen.
Zwar dauert der bildgeführte Eingriff nur wenige Minuten, er muss jedoch in der Klinik für Strahlentherapie auf der Basis der 3-D-Bilddaten aus der rhythmologischen Katheteruntersuchung aufwändig vorbereitet werden.
Laut der Mitteilung benötigt ein Medizinphysiker etwa einen Tag, um am Rechner ein 3-D-Modell zu konstruieren, mit dessen Hilfe die Strahlung genau das gewünschte Ziel erreicht. Und die medizinisch-technischen Assistentinnen müssen die zu behandelnden Patientinnen und Patienten millimetergenau platzieren.
Alle Behandelten haben profitiert
Die Hochpräzisionsbestrahlung gegen Herzrhythmusstörungen ist ein einmaliger und ein schmerzloser Vorgang. „Da es sich im Gegensatz zur Katheterablation um ein nichtinvasives Verfahren handelt, eignet es sich auch für Patientinnen und Patienten, die zu krank für einen invasiven Eingriff sind“, so Professor Duncker.
Die Fachleute der MHH haben das neue Behandlungsverfahren interdisziplinär bisher bei fünf Patientinnen und Patienten angewendet und sind damit eines der erfahrensten Zentren in Europa.
„Alle haben davon profitiert. Wenn die Rhythmusstörungen auch nicht immer vollständig verschwanden, so konnten die Häufigkeit und die Stärke doch deutlich reduziert werden. Das ist ein Riesengewinn für die Betroffenen“, erläutert Professor Duncker. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Medizinische Hochschule Hannover: Bestrahlung gegen Herzrhythmusstörungen, (Abruf: 12.10.2022), Medizinische Hochschule Hannover
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.