Darmerkrankungen: Zusammenhang mit Erschöpfung und Depression
Die chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (CED) Morbus Crohn und Colitis ulcerosa sind durch abdominale Symptome wie Schmerzen und Durchfall gekennzeichnet, die durch eine Darmentzündung verursacht werden. Solche Krankheiten können aber auch Einfluss auf die Psyche haben.
Forschende haben sich auf die Ursachensuche für Erschöpfung und Depression im Zusammenhang mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen begeben. In dem Fachmagazin „BMC Medicine“ berichten sie nun, wie die Darmflora die Psyche beeinflusst.
Symptome auch außerhalb des Verdauungstrakts
Wie in einer aktuellen Mitteilung der Universitätsmedizin Mannheim (UMM) erklärt wird, begleiten Patientinnen und Patienten mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (CED) wie Morbus Crohn und Colitis Ulcerosa ein Leben lang typische Beschwerden wie Bauchschmerzen und Durchfälle.
Hinzu kommen oft Symptome außerhalb des Verdauungsbereichs, die das Allgemeinbefinden und die Psyche beeinflussen, wie schwere Erschöpfung (Fatigue) oder Depressionen.
Forschende der UMM und des European Molecular Biology Laboratory (EMBL) Heidelberg haben jetzt in einer Studie zeigen können, dass es offenbar Stoffwechselprodukte bestimmter Bakteriengattungen der aufgrund der Erkrankung veränderten Darmflora sind, die bei CED Symptome auch außerhalb des Darms, wie Erschöpfung und seelische Beschwerden, verursachen können.
Bestimmte Stoffwechselprodukte spielen eine wichtige Rolle
Wie es in der Mitteilung heißt, geht die Wissenschaft davon aus, dass das Mikrobiom, die Gesamtheit der Millionen von Mikroorganismen im Darm jedes einzelnen Menschen, über die sogenannte Darm-Hirn-Achse an der Entstehung dieser Symptome beteiligt ist.
Doch die genauen Zusammenhänge innerhalb dieses sehr komplexen Konstrukts sind bislang nicht ausreichend verstanden.
Forscherinnen und Forscher der II. Medizinischen Klinik der UMM und des EMBL sind dieser Frage nachgegangen. Sie untersuchten dazu Stuhlproben von CED-Patientinnen und -Patienten in der aktiven Erkrankungsphase auf die Zusammensetzung des Mikrobioms und der Stoffwechselaktivitäten der nachgewiesenen Bakteriengattungen hin und brachten die Ergebnisse mit den Symptomen in Verbindung, von denen die Erkrankten berichteten.
Dabei stellten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler fest, dass nicht die bakterielle Vielfalt, sondern spezifische Veränderungen des Mikrobioms – bestimmte Bakteriengattungen und ihre Stoffwechselaktivitäten – in Zusammenhang mit Erschöpfung und Depressionen zu bringen sind:
Die Symptome treten demnach offenbar dann eher auf, wenn aufgrund der CED Bakteriengattungen unterrepräsentiert sind, die zur Bildung von kurzkettigen Fettsäuren (SCFA) fähig sind.
Diese Stoffwechselprodukte wurden schon öfter mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen und auch mit psychischen Erkrankungen in Verbindung gebracht, ihre Bedeutung für psychische Symptome bei CED war jedoch bisher nicht bekannt.
Linderung durch Beeinflussung des Mikrobioms möglich
Keinen Zusammenhang konnten die Forschenden zwischen den genannten Symptomen und dem „C-reaktiven Protein“ (CRP) feststellen, eines Eiweißstoffs, der in der Leber gebildet wird und ein wichtiger Blut-Laborwert für Entzündungen im Körper ist.
Das Ausmaß der entzündlichen Aktivität im Darm und im restlichen Körper scheint laut den Fachleuten also im Vergleich zu den spezifischeren Mikrobiomveränderungen eine eher untergeordnete Rolle zu spielen.
In interventionellen Studien muss jetzt überprüft werden, ob es tatsächlich einen kausalen Zusammenhang zwischen dem Mikrobiom und den geschilderten Beschwerden gibt.
Die Initiatorin der Studie, Dr. Anne Thomann von der II. Medizinischen Klinik der UMM, sagt, dass wenn sich ihre Beobachtungen bestätigen, die Hoffnung besteht, dass es in der Zukunft möglich sein wird, die Symptome Fatigue und Depression bei den betroffenen CED-Erkrankten durch eine Beeinflussung des Mikrobioms zumindest lindern zu können.
„Bis wir aber über eine gezielte Behandlung des Mikrobioms zuverlässig solche Symptome behandeln können, ist es noch ein weiter Weg“, so die Wissenschaftlerin. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Universitätsmedizin Mannheim: Wie die Darmflora die Psyche beeinflusst, (Abruf: 18.10.2022), Universitätsmedizin Mannheim
- Thomann, A.K., Wüstenberg, T., Wirbel, J., Knoedler, L.L., Thomann, P.A., Zeller, G., Ebert, M.P., Lis, S. & Reindl, W.: Depression and fatigue in active IBD from a microbiome perspective—a Bayesian approach to faecal metagenomics; in: BMC Medicine, (veröffentlicht: 17.10.2022), BMC Medicine
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.