Pentaerythrityltetranitrat senkt das Risiko für eine Frühgeburt
Pentaerythrityltetranitrat (PETN) fördert die Durchblutung des Herzmuskels und wird unter anderem bei koronaren Herzerkrankungen eingesetzt. Forschende berichten nun, dass das Herzmedikament das Risiko für Frühgeburten und Bluthochdruck in der Schwangerschaft senkt.
Laut einer multizentrischen, randomisierten, doppelblinden und Placebo-kontrollierten Studie des Universitätsklinikums Jena, der ersten interventionellen Studie dieser Art in der Geburtsmedizin in Deutschland, senkt PETN das Risiko für Frühgeburten und Bluthochdruck in der Schwangerschaft. Die Studienergebnisse wurden in der Fachzeitschrift „American Journal of Obstetrics & Gynecology“ veröffentlicht.
Gefahr der Mangelversorgung
Wie in einer Mitteilung des Universitätsklinikums Jena erklärt wird, ergibt die Ultraschall-Dopplermessung in der Mitte der Schwangerschaft bei etwa jeder zwanzigsten Schwangeren, dass Gebärmutter und Plazenta nicht ausreichend durchblutet werden.
Dann besteht die Gefahr, dass das Ungeborene nicht ausreichend vom mütterlichen Körper versorgt wird und sich nicht zeitgerecht entwickelt. Im schlimmsten Fall kann das Kind vor der Geburt im Mutterleib sterben.
„Schwangerschaft bedeutet Gefäßstress“, sagt Prof. Dr. Tanja Groten vom Universitätsklinikum Jena. „Der Mutterkuchen produziert aktivierende Substanzen, die die mütterlichen Gefäße oxidativem Stress aussetzen“, erläutert die Geburtsmedizinerin.
Wenn die Gefäße den Stress nicht kompensieren können, kann das bei der Mutter zu erhöhtem Blutdruck oder sogar zur Präeklampsie führen, die auch als Schwangerschaftsvergiftung bezeichnet wird. Dem Baby droht in dieser Situation eine Mangelversorgung im Mutterleib.
Seit Jahrzehnten bei Herzbeschwerden eingesetzt
In der aktuellen Studie testete ein Forschungsteam um Tanja Groten, ob die gefäßschützende Wirkung von Pentaerythrityltetranitrat (PETN) einer Mangelversorgung des Ungeborenen vorbeugen kann.
Der seit Jahrzehnten bei Herzbeschwerden und Hypertonie eingesetzte Wirkstoff PETN wird im Körper zu dem körpereigenen Botenstoff Stickstoffmonoxid abgebaut, der die Gefäße erweitert und somit die Durchblutung verbessert.
Gleichzeitig hat das Mittel die besondere Eigenschaft, die Schutzmechanismen der Gefäßinnenwand zu stärken. PETN hatte sich in einer Pilotstudie vor einigen Jahren nachweislich positiv auf die Versorgungssituation des Ungeborenen auswirkt.
Das Hauptaugenmerk der Studie, an der in 14 Studienzentren über 300 Frauen mit einem auffälligen Dopplerbefund teilnahmen, lag auf der kindlichen Wachstumsverzögerung, gemessen an deutlichem Untergewicht bei der Geburt beziehungsweise der Zahl der im Mutterleib verstorbenen Babys.
Deutliche Vorteile in Bezug auf die Frühgeburtlichkeit
Die Ergebnisse in der Gruppe der Patientinnen, die den Wirkstoff erhalten hatten, waren jeweils besser als in der Placebogruppe, aber die Unterschiede waren nicht statistisch relevant.
Deutlichere Vorteile zeigten sich in Bezug auf die Frühgeburtlichkeit sowie den mütterlichen Blutdruck: Während knapp zwei Drittel der Babys in der PETN-Gruppe reif geboren wurden, kamen in der Placebogruppe mehr als die Hälfte zu früh auf die Welt.
Über 36 Prozent der Mütter in der Placebogruppe entwickelten Bluthochdruck, fast jede dritte eine Präeklampsie. Unter den Frauen, die den Wirkstoff erhalten hatten, litten nur knapp 24 Prozent an zu hohem Blutdruck und etwa jede fünfte an Präeklampsie.
Sicher für Mütter und Kinder
„Wir konnten zeigen, dass der Einsatz von PETN sicher ist für die Mütter und für die Kinder“, sagt Studienleiterin Tanja Groten.
„Auch wenn das Studienergebnis nicht für eine klare Empfehlung ausreicht, sollte PETN gerade bei Patientinnen mit einem deutlich erhöhten Risiko für eine Minderversorgung des Ungeborenen als Sekundärprophylaxe in Betracht gezogen werden.“
Die im Vergleich zur Vorstudie weniger deutliche Wirkung gegen die Mangelversorgung könnte möglicherweise in der Einnahme von Aspirin (ASS) begründet sein. ASS wird Patientinnen mit Risiko für eine Funktionsstörung der Plazenta empfohlen, um einer Präeklampsie vorzubeugen. 30 Prozent der Frauen im Studienkollektiv haben ASS eingenommen.
Dadurch könnte der Effekt von PETN womöglich geringer ausgeprägt sein, und es hätte der Behandlung einer größeren Gruppe von werdenden Müttern bedurft, um einen statistisch relevanten Effekt zu erzielen.
Positive Langzeiteffekte
Den Angaben zufolge enden die positiven Effekte von PETN nicht mit der Geburt – die ersten Nachuntersuchungen der Kinder der Studienkohorte im Alter von 12 Monaten deuten darauf hin, dass die Kinder auch langfristig von der Präventionstherapie profitieren.
Die längere Entwicklungszeit im Mutterleib sowie das höhere Geburtsgewicht verbessern die Startbedingungen ins Leben. Bei Müttern, die in der Schwangerschaft unter hohem Blutdruck oder gar einer Präeklampsie litten, ist das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen deutlich erhöht. Für sie etabliert Groten eine spezialisierte Nachsorgesprechstunde.
„Von den Langzeituntersuchungen unserer Studienpatientinnen versprechen wir uns auch wichtige Erkenntnisse zum Einfluss der Schwangerschaft auf die Gefäßalterung. Eine Nachuntersuchung der Mütter 15 Jahre nach der Pilotstudie zeigte bei den Müttern, die PETN in der Schwangerschaft eingenommen haben, bereits positive Effekte.“ (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Universitätsklinikum Jena: PETN senkt das Risiko für Frühgeburten und Bluthochdruck in der Schwangerschaft, (Abruf: 16.11.2022), Universitätsklinikum Jena
- Groten T, et al.: Effect of pentaerythritol tetranitrate (PETN) on the development of fetal growth restriction in pregnancies with impaired uteroplacental perfusion at midgestation—a randomized trial; in: American Journal of Obstetrics & Gynecology, (veröffentlicht: 02.08.2022), American Journal of Obstetrics & Gynecology
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.