Warum Killerzellen den eigenen Körper angreifen
Ein Forschungsteam aus Australien entschlüsselte einen Hauptfaktor für Autoimmunerkrankungen. Offenbar führen bestimmte Genvarianten, die ebenfalls das Risiko für Leukämie erhöhen, dazu, dass das Immunsystem fehlgeleitete T-Zellen ausbildet, die dann körpereigene Zellen angreifen. Die Studienergebnisse erklären zudem erstmals, warum Leukämie-Betroffene ein erhöhtes Risiko für Autoimmunerkrankungen haben.
Forschende des Garvan Institute of Medical Research haben im Rahmen einer aktuellen Studie herausgefunden, dass bestimmte Genvarianten, die mit Leukämie in Verbindung stehen, abtrünnige Immunzellen hervorbringen, die Autoimmunerkrankungen wie rheumatoide Arthritis oder aplastische Anämie verursachen. Die Forschungsergebnisse wurden kürzlich in dem Fachjournal „Immunity“ veröffentlicht.
Zusammenhang zwischen Leukämie und Autoimmunerkrankungen
Leukämie wird häufig auch als Blutkrebs bezeichnet, da die Krankheit von dem Ort ausgeht, an dem auch das Blut produziert wird – den Knochenmarkzellen. Weiße Blutkörperchen, die sogenannten Leukozyten, reifen im Knochenmark. Durch eine Fehlschaltung bestimmter Gene kann dieser Reifungsprozess unterbrochen werden.
Gleicher Ursprung
Wie bereits in früheren Studien festgestellt wurde, entwickeln Leukämie-Betroffene mit hoher Wahrscheinlichkeit auch Autoimmunerkrankungen wie beispielsweise rheumatoide Arthritis oder aplastische Anämie. Die genaue Ursache für diesen Zusammenhang war bislang jedoch unklar.
Die aktuellen Forschungsergebnisse geben erstmals Aufschluss darüber, welche Rolle fehlerhafte Killer-T-Zellen bei Leukämie und Autoimmunkrankheiten spielen. Nach Angabe der Arbeitsgruppe beeinflussen bestimmte Genvarianten ein Protein, welches das Wachstum von Killer-T-Zellen steuert. Fehler in diesem Prozess können die T-Zellen regelrecht abtrünnig machen.
„Wir haben gezeigt, dass diese abtrünnigen Killer-T-Zellen die Autoimmunität auslösen“, bestätigt Studienautor Dr. Etienne Masle-Farquhar. Ihm zufolge sind solche abtrünnigen T-Zellen die Zelltypen, die am direktesten zu der Entstehung von Autoimmunerkrankungen beitragen. Gleichzeitig zeigen die Forschungsergebnisse neue Angriffspunkte für die zukünftige Therapie auf.
Henne-Ei-Frage geklärt
„Wir wussten, dass Menschen mit verschiedenen Autoimmunkrankheiten im Laufe der Zeit diese unkontrollierten Killer-T-Zellen erwerben, aber auch, dass Entzündungen dazu führen können, dass sich Immunzellen vermehren und Mutationen entwickeln“, so Dr. Masle-Farquhar.
Unklar war bislang jedoch, ob die unkontrollierten T-Zellen Autoimmunkrankheiten verursachen oder einfach nur mit ihnen in Verbindung stehen. Mithilfe modernster Methoden der Genanalyse fanden die Forschenden heraus, dass die Veränderungen an den T-Zellen auf ein Protein namens STAT3 zurückzuführen sind.
Dieses Protein kommt überall im Körper vor und ist für verschiedene Zellfunktionen entscheidend, unter anderem für die Kontrolle von B- und T-Zellen des Immunsystems.
Riesenhafte Killerzellen umgehen die Sicherheitsmaßnahmen
Wie das Team dokumentieren konnte, führen veränderte STAT3-Proteine dazu, dass Killer-T-Zellen unkontrolliert wachsen. Die unnatürlich großen T-Zellen umgehen die Kontrollpunkte des Immunsystems, was letztendlich dazu führt, dass sie körpereigene Zellen angreifen.
Ein bis zwei Prozent veränderte T-Zellen reichen aus
Darüber hinaus fanden die Forschenden heraus, dass es bereits ausreicht, wenn ein bis zwei Prozent aller T-Zellen einer Person auf diese Weise verändert werden, um eine Autoimmunerkrankung auszulösen.
„Bösewichte“ der Immunzellen eingegrenzt
„Das gibt uns einige wirklich gute Hinweise darauf, wie wir diese manchmal lebensbedrohlichen Krankheiten besser aufhalten können“, hebt Studienleiter Professor Chris Goodnow hervor.
Laut Goodnow können zukünftig die „Bösewichte“ unter den Immunzellen besser eingegrenzt werden. „Wir können jetzt nach T-Zellen mit STAT3-Variationen suchen“, kommentiert der Professor. Das sei ein großer Schritt nach vorne bei der Definition der Auslöser der Erkrankung. (vb)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Etienne Masle-Farquhar, Katherine J.L. Jackson, Timothy J. Peters, et al.: STAT3 gain-of-function mutations connect leukemia with autoimmune disease by pathological NKG2Dhi CD8+ T cell dysregulation and accumulation; in: Immunity (2022), cell.com
- Garvan Institute of Medical Research: Rogue immune cells linked to leukaemia are a key driver of autoimmune diseases (veröffentlicht: 29.11.2022), garvan.org.au
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.